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Beitrag Nr. 6

Betreff: nationale Anarchie

Datum: 10.12.1999 00:29

Autor: Florian Suittenpointner, florian.suittenpointner@stud.uni-muenchen.de

Hallo National-Anarchisten,

 

 

ich finde euch interessant, ihr trefft ein Thema, das ich schon lange

 

mit mir rumschleppe. Links und rechts in ihrer klassischen Bedeutung

 

machen keinen Sinn mehr, wer weiß, ob sie es jemals getan haben.

 

Ich denke oft darüber nach, welchen deal man mit dem anderen Ende des

 

rebellischen Spektrums schließen könnte; zweifellos müsste jede Seite

 

Zugeständnisse machen. Ein heimatbewußter Anarchismus ist ein Anfang.

 

 

 

Aber natürlich bin ich immer auf der Hut, nicht irgendwelchen

 

Nazi-Ratten aus der Isolation zu verhelfen. Was mich einfach ankotzt,

 

ist diese Blut- und Abstammungslogik, die Rechte, Zugehörigkeiten und

 

sogar charakterliche Eigenschaften an etwas bindet, worauf niemand

 

selbst Einfluss hat. Rassenlehre eben.

 

 

 

Das ist für mich so unanarchistisch, wie es nur geht - diese Logik

 

verneint jede Freiheit, zu sein, wie man will, mit wem man will und wo

 

man will. Ein völkischer Anarchismus ist widersinnig.

 

 

 

Allerdings geht mir die hardcore-pc-Linke mit ihrem Bekenntnisdruck auch

 

auf die Nerven. Darum bin ich auf der Suche - denn einfach abseits

 

stehen, liegt mir nicht.

 

 

 

Was ich ganz einfach nicht verstehe, ist ...

 

 

 

... zum einen euer Interesse am deutsch-jüdischen Verhältnis:

 

Es gibt doch fast keine Juden mehr hier, viel interessanter wäre doch

 

unser Verhältnis zu den großen Einwanderer-Gruppen wie etwa aus der

 

Türkei, aus Arabien, vom Balkan usw.

 

 

 

... zum anderen, dass ihr grade "deutsch" sein wollt und nicht zum

 

beispiel märkisch oder bayrisch oder badisch. Für mich ist Heimat ein

 

wichtiger Ort, aber Heimat ist dabei noch nicht einmal Bayern (in meinem

 

Fall), sondern eigentlich ein noch kleineres Gebiet und v. a. keines,

 

das sich an irgendwelchen staatlichen Grenzen festmachen lässt.

 

Was ist denn an "Deutschland" dran, außer der Sprache? Gut, die Leiden

 

der beiden Kriege vielleicht. Aber diese Leiden waren nicht meine, und

 

ich denke, sie waren auch für den Arsch ...

 

Wenn man den Zusammenhalt des Ursprünglichen zur Basis für ein

 

herrschaftsfreies Leben machen will, gibt doch die regionale Identität

 

viel mehr her - und schließlich war Deutschland ja ein zutiefst

 

regionalistischer Fleckenteppich, als es noch "richtig deutsch" war.

 

 

 

Ich fände es schon schön, wenn ihr mir was antworten würdet. Was haben

 

wir schon zu verlieren: Entweder wir finden Gleichgesinnte, oder aber

 

wir haben schon mal die Adressen, die wir im nächsten Bürgerkrieg mit

 

dem Benzinkanister in der Hand abklappern. Hier an der Peripherie der

 

Gesellschaft weiss man halt nie, an wen man gerät.

 

 

 

Noch ein paar Sachen:

 

 

 

Silvio Gesell - Freiwirtschaftslehre - sagt euch das was?

 

... desgleichen: Max Stirner - Der Einzige und sein Eigentum

 

... und die FAU?

 

Wie steht ihr zu Bernd Rabehl und Horst Mahler?

 

So, ich hör schon wieder auf mit Gesinnungs-Durchleuchtung. Bis denne.

 

Hier nochmal ich:

 

 

 

Ohne dich stressen zu wollen, eins will ich noch wissen. Habt ihr auch

 

nicht-virtuelle Aktionsformen, so in echt und so ...?

 

Grade Anarchismus bietet da ja viel Gelegenheit, und damit mein ich jetzt

 

weniger Bomben oder Demos. Gewalt oder der Gang an die Öffentlichkeit

 

haben's einfach bisher nicht so gebracht.

 

Eher wirtschaftliche, existenzielle Selbstorganisation, deshalb hab ich nach

 

Gesell und Freiwirtschaftstheorie gefragt. Das hat mich an der "Linken" auch

 

immer genervt, dass nur geredet wird, während die wirklichen GEGNER völlig

 

ungestört an ihrer neuen Weltordnung basteln, ohne dass man einen Hebel

 

dagegen in der Hand hat. Da bin ich ganz Materialist - wenn man die Leute in

 

eine andere, direktere und eigenere wirtschaftliche Realität zurückholt,

 

bilden sie sich wohl auch ihre Meinungen wieder direkter anhand ihrer

 

Umgebung, statt sich aus "Medien" mit Propaganda vollquatschen zu lassen.

 

Oder ist dir das zu links?

 

 

 

Ich hab vor kurzem ein geniales Wort gelesen: Tat-Ethos. Da ging's um ein

 

Buch über deutsche Offiziere, in der taz (die wird dir wohl nicht sehr

 

sympathisch sein; interessanterweise schreibt aber z. B. Günter Nenning dort

 

manchmal die Kolumne ...).

 

Naja, deutsche Offiziere find ich zwar nicht so den Hit, aber eben, weil sie

 

so ein pseudo-objektives Tat-Ethos haben: DAS und DAS ist gut für's

 

Vaterland, DAS und DAS ist richtig und vernünftig, darum müssen WIR das

 

machen. Punkt. Und wer was anderes will, ist ein Volksverräter.

 

 

 

Das kotzt mich an an den Faschisten. Sie wollen die Papis der Nation sein.

 

Wer irgendwas von "objektiv" labert, will doch nur seinen Kopf durchsetzen.

 

Aber schlimmerweise verdammt der heutige bürgerliche pc-Scheiss das

 

Tat-Ethos gleich mit und will die Leute auf's Indirekte reduzieren, als

 

Wähler, als Konsument, als Zuschauer.

 

So gewinnt man aber keine Freiheit. Darum will ich ein Tat-Ethos leben, aber

 

ein subjektives, das ist für mich der Kern von Anarchismus.

 

 

 

Schreib mir doch mal, wenn du wieder Zeit hast. Mein Zeuch kannst du

 

veröffentlichen, wo du magst.

 

 

 

Übrigens, da fällt mir noch was ein:

 

Ich arbeite für ein kleines Unternehmen, das virtuelle Räume vermietet und

 

darin laufende Veranstaltungen oder Netzwerke betreut. Es ist langfristiger

 

angelegt als Chat, v. a. kann man das, was bei dieser virtuellen

 

Zusammenarbeit entsteht und zusammenkommt, sehr gut redaktionell bearbeiten,

 

also zusammenfassen, ausgestalten oder neue Bereiche davon abzweigen lassen.

 

Nicht, dass ich euch irgendwas verkaufen will, aber so ein interaktiver

 

Bereich macht ne Web-Seite gleich viel lebendiger, v. a. wenn's

 

Administratoren nur im technischen Sinn gibt und ansonsten jeder Teilnehmer

 

möglichst gleiche Rechte hat.

 

 

 

Jo, bis dann.

 

 

 

Offener Brief

 

 

 

Hallo National-Anarchisten,

 

 

 

was heißt hier national? Solche Begriffe sind ja für sich genommen

 

nichts wert, erst die Taten, die in ihrem Namen geschehen, verleihen

 

ihnen Wirkung. Von daher könnte es mir egal sein, ob ein Haufen Anarchos

 

"national" ist, auch wenn mir der Begriff auf bedrohliche Weise diffus

 

erscheint.

 

 

 

Aber Begriffe schaffen halt auch Bekanntschaften und Koalitionen,

 

bringen mich mit ganz bestimmten Leuten zusammen. Nicht, dass ich

 

irgendjemanden generell zum Paria stempeln will, aber man wird halt

 

schnell vereinnahmt. Und darum steckt indirekt durchaus Macht in den

 

Begriffen - für diejenigen, die ihnen Inhalte verleihen.

 

Macht abschaffen heißt für mich darum auch, keine diffusen Begriffe zu

 

benutzen.

 

 

 

Etymologie ist natürlich zugunsten ganz unterschiedlicher Absichten

 

einsetzbar; etymologisch jedenfalls bedeutet "Nation" zweifellos

 

"Geburtsgemeinschaft" oder ganz einfach "Stamm". Später ist zwar in

 

Westeuropa zu revolutionären Zeiten eine neue, offenere Deutung von

 

"Nation" entstanden: "Gemeinsames Gesetz, gemeinsame Volksvertretung",

 

nach dem Franzosen Abbè Siéyes (oder wie man den schreibt).

 

Das war dann aber schon der Einzug in die Moderne, die heute soviel

 

Ärger und Kopfzerbrechen macht - mir jedenfalls. Der größte Nachteil:

 

Man braucht dazu einen Staat, und das macht diese Variante von "Nation"

 

so unsympathisch.

 

 

 

Eine andere, sozusagen originalgetreue Version hat sich bei uns gehalten

 

und das hatte für viele Leute böse Konsequenzen, als Deutschland dann

 

mal Amok gelaufen ist. Sicher hat es Ausrottungskriege schon oft gegeben

 

auf der Welt (z. B. da, wo man heute besonders hartnäckig auf der

 

Einzigartigkeit der Nazi-Massaker besteht: in Nordamerika); aber jeder

 

war einer zuviel, und ich will jedenfalls keinen erleben. Auch keinen,

 

bei dem ich nichts zu befürchten hätte.

 

Diese Version "Geburtsgemeinschaft" ist nämlich auch nicht mein Ding,

 

weil sie die Fronten betoniert: Wofür ich zu kämpfen hätte, was Verrat

 

sei, usw.

 

Auf einen biologisch determinierten Einsatzplan kann ich gut verzichten.

 

 

 

Beide Versionen sind irgendwie freiheitsfeindlich. Trotzdem bleibt

 

Zusammenhalt und Vertrauen für mich DIE Voraussetzung für eine

 

herrschaftsfreies Leben.

 

 

 

Der beste Begriff, den ich für mein Gefühl von Zugehörigkeit habe, ist

 

"Heimat" im Sinn von "autochthones Leben". "Heimat" fasst immer das, was

 

dem Einzelnen am Herzen liegt; es ist ein dehnbarer, oder besser: ein

 

subjektiver Begriff, der sich auch verändern kann.

 

Sobald ein Mensch durch sein Handeln zeigt, dass er sich kümmert um das

 

Land und die Leute rundherum, dass er sensibel ist für Zerstörung und

 

Aushöhlung, die dieser Heimat droht; da kann er (oder sie) doch

 

weiß-Gott-wo geboren sein und rabenschwarz oder moosgrün sein. Das

 

eigentliche Problem mit Einwanderern ist doch eher, dass DIE sich

 

abschotten, weil WIR uns abschotten, weil DIE sich abschotten, usw. ...

 

Oder hat schon mal wer versucht, einem Einwanderer die Liebe zu unserer

 

Heimat und die Sorge um sie nahe zu bringen? Viele Widerstandsbewegungen

 

des Südens sind auch so was wie "autochthone Anarchisten", da sollte das

 

doch nicht soo schwer sein ...?

 

 

 

Andersrum gibt es auch eine Menge Deutsche, die mich und meine Heimat im

 

Grunde verachten. Ein schwieriges Gelände sind da Städte; die sind echt

 

schon eine Domäne der global-gleichgeschalteten Einheits-Popkultur.

 

Ich wohne jetzt schon länger in München, aber ursprünglich komme ich aus

 

dem Voralpenland, aus dem Grenzstreifen zu Österreich. Dort gibt es

 

einige Leute, die an Begriffen wie "Heimat" oder "autochthones Leben"

 

schon etwas finden können - und zwar in einem durchaus freidenkerischen,

 

individuellen und "antifaschistischen" Sinn, wenn man die Herden von

 

bravem und gleichgültigem Konsumvieh heute als waschechte Nachfahren der

 

Nazi-Spießer damals auffasst. Und dafür spricht eine Menge.

 

Schon auf dem Gymnasium haben eine Menge Schüler aus meiner Umgebung

 

ihre Herkunft und Identität aus kopflosem Opportunismus über Bord

 

geschmissen. Als ich dann nach München gezogen bin, habe ich das

 

autochthone Bewußtsein auf weiten Strecken mit Isolation bezahlt, weil

 

viele Leute um mich herum den Dialekt, das direkte Auftreten und die

 

etwas "romantischen" Auffassungen als lächerlich und hinterwäldlerisch

 

verachten.

 

 

 

Ich kann mich aus dieser Biografie heraus gut mit "autochthoner

 

Anarchie" anfreunden, weil ich zu Hause am Land mehr der Revoluzzer war

 

und in der Stadt dagegen oft als folkloristische Witzfigur abgestempelt

 

wurde; und das muss sich beides ändern, grrr!

 

 

 

Trotz allem bin ich weiterhin skeptisch gegenüber "national", weil der

 

Begriff von "vaterländisch" Bewegten und Wohlstandsrassisten immer

 

wieder so mühelos übernommen und zurechtgezimmert wird.

 

Selbst, wenn in einem national-anarchistischen Umfeld durch und durch

 

individuell und herrschaftsfeindlich gedacht wird:

 

Sobald der Horizont einer solchen Bewegung größer wird - und das soll er

 

ja -, scheint es mir sehr fraglich, ob so ein "Dritter" oder sogar

 

"Vierter Weg" durchzuhalten ist. Ich denke, die richtigen NAZIS, die

 

Ethnofaschisten, die keinem anderen was gönnen - weder den oft

 

wagemutigen Neuankömmlingen noch einem alteingesessenen "Fremden" -, die

 

sind in Deutschland auf lange Sicht "strukturell mehrheitsfähig", weil

 

sie es verstehen, sich überall einzunisten und unterschiedlichste Kreise

 

unter vagen Begriffen wie "Deutschland" und "Arbeitsplätze"

 

zusammenzubringen.

 

Die schlucken doch auf die Dauer alles, was sich "national" nennt. Ich

 

bin darum sehr gespannt, wie sich die "Auseinander- und

 

Zusammensetzungen mit Nationalsozialisten" auf eurer Homepage

 

entwickeln.

 

 

 

Ich will ganz offen sein:

 

Eure Themen sprechen Seiten meiner politischen Seele an, die bisher

 

ignoriert wurden, und das gefällt mir; weil mir aber politische Inhalte

 

und Namen der "Neuen Rechten" nicht ganz ungeläufig sind, sehe ich auch

 

so manches durchschimmern, was mich misstrauisch macht, oder sagen wir,

 

was für meine Begriffe nicht zusammenpasst.

 

Vielleicht kann ich es so zusammenfassen:

 

 

 

· Die Leute gehören zu ihrem Land, aber das Land gehört deswegen nicht

 

ihnen.

 

Der Gedanke, dass ein Land irgendwem gehört, ist absurd, schließlich war

 

es lange vor uns da.

 

(Wenn z. B. Günther Nenning davon spricht, dass ein "Menschenrecht auf

 

Einwanderung" und ein "Menschenrecht auf Heimat" kollidieren, ist das

 

natürlich Schwachsinn, aber darum, weil "Menschenrecht" oder "Recht"

 

generell Wahnvorstellungen sind, auch das "Heimatrecht".)

 

 

 

· Die "freien Germanen auf freier Scholle" sind ihrer Sozialordnung

 

wegen sicher interessant, aber nicht, weil wir auch welche wären; WIR

 

sind aus vier oder fünf Ethnien so durch und durch vermischt, dass es

 

nie mehr eine ethnisch homogene Gesellschaft in Deutschland geben kann,

 

außer in völkischen Träumen.

 

 

 

· "Ethnopluralismus" ist schon in Ordnung, solange das keine

 

territoriale Frage wird. Darunter verstehe ich nicht Segregation von

 

Kulturen, sondern die Chance zu eigenständiger und authentischer

 

Weiterentwicklung von Kulturen gegenüber einer global-gleichgeschalteten

 

Kultur- und Bewusstseinsindustrie à la Disney, Sony, Nestlé, Microsoft

 

oder Bertelsmann.

 

 

 

So, das war's, ich hoffe auf Zu- und Widerspruch, egal von wem.

 

 

 

Auf die Freiheit. Prost.

 

 

 

Florian Suittenpointner