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Peter Töpfer: Offener Brief an Egon Günther

Sehr geehrter Herr Günther,

Sie schreiben in Ihrer ePost vom 31. März 1999, zu deren Beantwortung ich erst heute komme:

“Es mögen wohl Anarchisten in Deutschland leben, betont deutsche und zudem nationale Anarchisten hingegen kann es überhaupt nicht geben, schon gar nicht solche, die sich in einem imperialistischen Konflikt auf die Seite einer Kriegspartei stellen, selbst wenn diese, wie im aktuellen Fall das von einem ‚serbischen‘ Regime dominierte Jugoslawien, Opfer eines Angriffs ist.” Sie werden lachen, aber was Sie hier schreiben, ist schon ganz einfach aus dem einfachen Grunde falsch, daß es mich gibt, der sich als nationalen Anarchisten bezeichnet. (Es gibt noch mehr von der Sorte.) Das erinnert mich an die vielen nationalen Sozialisten, die mir immer wieder sagen: “‘Nationale Anarchie‘ und ‘nationale Anarchisten‘: So etwas gibt es nicht!” Und ob es das gibt! Ich bin der Beweis! Sie schreiben: “...kann es überhaupt nicht geben” Das ist ja echt zum Schmunzeln: Wer Anarchist ist, bestimme ich, Egon Günther! Als Göring das von den Juden sagte, lag darin ja noch eine gewisse bonvivance (sicherlich werden Sie jetzt wieder sagen, so ein Wort kann es gar nicht geben...), die man von Nationalsozialisten so eigentlich nicht erwartet hätte; immerhin hat er mitunter Ausnahmen gemacht und einige Juden vor der Deportation gerettet. Aber Sie scheinen Schwierigkeiten zu haben, diese Großzügigkeit in wenn auch geringer wichtigen Angelegenheit aufzubringen. Ich hingegen weniger; ich akzeptiere Sie so, wie Sie sich darstellen und gesehen werden möchten. Das ist nicht polemisch gemeint. Außerdem habe ich einige Ihrer Gedanken kennengelernt, auf die ich später kurz eingehen will, die Sie in meinen Augen als einen wirklichen Anarchisten, ja sogar Nationalanarchisten ausweisen. Ich finde es lächerlich und absurd, wenn sich Anarchisten untereinander ihr Anarchist-Sein absprechen. Der das macht, ist noch am ehesten kein Anarchist. Wenn Bibeltreue Christen, Kommunisten oder Thorajuden derlei mit sich veranstalten, ist das weißgott nicht überraschend. Aber aus der Feder eines Anarchisten so etwas zu lesen... – ich muß schon sagen, daß ich dann eine gewisse Verachtung für denjenigen empfinde. Aber ich habe auch Grund zu Respekt Ihnen gegenüber: Immerhin haben Sie mir geschrieben. Und in der heutigen Zeit, die sich u.a. durch eine singuläre geistige Verkrampfung und Verklemmung auszeichnet und das Wort “national” das rote Tuch des Satans darstellt, ist das schon etwas Besonderes, und daher Achtenswertes. Und deshalb gestatten Sie mir, daß ich Ihnen etwas ausführlicher antworte.

Ich gehe davon aus, daß Sie wissen, daß es ganz verschiedene Arten Anarchismus gibt. (Ich muß leider wie mit einem Kind mit Ihnen reden.) Es gibt syndikalen und kommunistischen Anarchismus, es gibt Individualanarchismus, rechten Anarchismus (stark in den USA, aber auch in Deutschland: Ich bin neulich im Internet auf eine anarcho-kapitalistische Seite getoßen) usw. Sie schreiben, daß es keine “betont deutsche und zudem nationale Anarchisten” geben kann? Es gibt sie einfach; d.h. “betont deutsch” bin ich mitnichten, ich bin einfach ein Deutscher und mache kein großes Gewese draus. Ich muß zugeben: Sicherlich liegt im Begriff Nationalanarchismus eine gewisse Betonung, mit der auch ich nicht glücklich bin. Ich bin eigentlich nur Anarchist deutscher Nationalität. Und für mich besteht kein Widerspruch zwischen Anarchie und Nation. Wobei ich Nation als Gemeinschaft, als Kollektivität verstehe. Betonen dürfte man das in der Tat nicht. Aber wir leben leider in einer Zeit, in der das Nationale, die Herkunft, die Sprache, das Gemeinsame, das Gemeinschaftliche, das nun einfach vorhanden ist – keiner kann es ernsthaft negieren –, geleugnet und tabuisiert wird. Oder umständlich umschrieben: Sie wissen, was ich meine: Sie nennen es in Ihrem Artikel “Living in a hell or stranger’s paradise” (Schwarzer Faden 1/98, S. 65) “raffinierte sittliche Kontroll- und Eingliederungsmechanismen der jeweiligen Stammesgesellschaften und kulturellen Ordnungen”. Ich bin Deutscher. Ich spreche deutsch. Ich gehöre dieser besonderen “kulturellen Ordnung” an, zumindest ihren Fundamenten, die in der ursprünglichen Anarchie liegen. Und glauben Sie nicht, daß wir es unter der derzeitig herrschenden gesellschaftlichen, psychosozialen – Ihres und meines Erachtens krankhaften (Sie nennen es die “vernunftwidrigen, unglüchlichen, elenden und geknechteten Umstände”) – Struktur auch noch mit einer archaichen Stammesgesellschaft zu tun haben, daß auch wir Deutsche irgendwo noch “Autochthone”, irgendwie auch noch ein “indigenes” Volk sind, um es mit Ihren Worten zu sagen? Oder glauben Sie, daß wir Europäer anthropologisch grundsätzlich anders sind als z.B. die Amazonas-Indiander? Ich meine, ganz auszuschließen ist das tatsächlich nicht. Wenn ich mir so einige Verteter der Spezies homo europaeinsis (bin kein Lateiner) oder homo blancus anschaue, kommen mir schon Zweifel an deren genetischer Unversehrtheit. Wir haben uns zu meinem sehr tiefen und sicher auch Ihrem Bedauern weit von der “ursprünglichen Anarchie” entfernt und entfremdet, aber sollten wir uns daher für Götter oder Maschinenmenschen halten, die “so etwas nicht nötig haben”, die keine Heimat brauchen? Was nur läßt Sie den Glauben haben, Sie gehörten nicht auch einer autochthonen Menschengruppe an, seien hier in Deutschland nicht auch Angehöriger eines indigenen Volkes, das – selbstredend! – “unter dem Schutt der Zeit liegt”, wie der nationale Liedermacher Frank Rennicke singt? Sie wissen, daß die Antideutschen Sie und andere längst schon als zu bekämpfende “Faschisten” ausgemacht haben, nur weil Sie überhaupt von “autochthon” und “indigen” reden? Wissen Sie es nicht, oder wollen Sie es nicht wissen? Warum sind Ihnen jene suspekt, die sich keiner “fremden Augen” bedienen müssen, um einen Blick auf die besagten “elenden Umstände” zu werfen, die einfach spontan wissen, daß Deutschland ihre Heimat ist, die dazu nicht einmal ein sog. Recht beanspruchen müssen?

Zu den wenigen Sendungen im Fernsehen, die mich berühren, zählen Berichte über Stämme und Völker, die in der “ursprünglichen Anarchie” leben. Aber ich habe diesen Umweg nicht nötig, ich erkenne und weiß mich direkt als Eingeborener, der ent- und überfremdet wurde, der durch einen langen destruktiven Prozeß, genannt Zivilisation, seiner Natürlichkeit, seiner Glücksfähigkeit beraubt wurde. Leute, die da von Biologismus faseln, sind noch viel entfremdeter, noch viel kränker als ich. Ich glaube, Sie gehören nicht dazu. Aber Sie gehören nicht zu denen, die aktiv den Schutt abtragen und eine ursprüngliche, echte, von Gefühl, von gegenseitig erkannter und anerkannter Gemeinsamkeit getragene Gemeinschaft entstehen lassen wollen. Denn zu diesen Gemeinsamkeiten gehört – Sie werden es abstreiten – auch das Ethnische, das Nationale. Sie können sagen: “Das Ethnische interessiert mich nicht!” (Im Falle von “indigenen Völkern” würden Sie das natürlich nicht sagen; ich bin sicher, daß Sie es nicht besonders schön fanden, als Shell in Nigeria die Natur und die einheimischen Kulturen plattmachten und durch ihre Marionetten den mutigen Kämpfer gegen diese Zustände Ken Saro Wiwa hinrichten ließen.) Aber so wie das deutsche Volk das Ergebnis von Völkerwanderung und Kultur- und Rassenvermischung ist und der Nationstaat durchaus “konstruiert” ist, wie die Antinationalen sagen, sich aber dennoch unter dem Staatlichen immer eine gewisse Konstante gehalten hat, indem die ursprüngliche Anarchie durchscheint, so gibt es auch heute noch jene fundamentalen, stabilen unausgesprochenen Ordnungen, die wir alle auch genießen und nicht missen möchten, auch oder gerade weil sie unter dem Politischen existieren. Mir ist es im Prinzip gleich, wie man diese Konstante nennt, aber auch Sie würden an einem gewissen Punkt auch einmal gern etwas in den Genuß dieser Konstante kommen, etwas Stabilität vertraten, “zur Ruhe kommen”. Aber Sie haben es offenbar nicht nötig, Sie sind wahrscheinlich stolz darauf, “Kosmopolit” zu sein. Würden Sie ernsthaft einem Amazonas-Indianer vorwerfen, einen “begrenzten Blick” zu haben? Warum dürfen wir Deutschen keinen “begrenzten Blick” haben? Ich meine, den Blick begrenzen, das ist schon nachteilig. Aber da, wo einfach Schluß ist, rein anatomisch betrachtet, wozu dann noch unbedingt kramphaft drüber hinausschauen wollen, die Augen verleiern? Sind wir Götter? Nein, wir sind Indianer unterm Schutt und dem Dreck der Zivilisation! An welcher Stelle, an welchem Punkt würden Sie der Meinung sein, jetzt müßten wir in Richtung “ursprüngliche Anarchie” gehen, uns besagter Konstante nähern, etwas Stabilität einkehren lassen? Und würden Sie von dieser menschlichen Gruppe, die an diesem konkreten geschichtlichen Punkt entsteht und dann das Territorium des ehemaligen Deutschlands bevölkert, nicht auch wollen, daß sie “raffinierte sittliche Kontroll- und Eingliederungsmechanismen” entwickelt, daß sie zur Nation wird? Wir hätten in diesem Moment zwar gerade einige solcher, bestimmt auch noch brauchbarer Mechanismen über Bord geworfen (weil sie ja deutsch, also böse, also abzuschaffen waren) und müßten wieder viel Jahrhunderte darauf warten, daß sie von neuem entstehen, weil das Ursprüngliche nicht zu administrieren geht, aber die Globalisierung muß ja sein, das ist nun einmal der Gang der Geschichte... Und die Grenzen müssen ja auch eingerissen und die “multikulturelle Gesellchaft” muß errichtet werden, weil wir ja “alle Menschen” sind. Sagen Sie einmal einem Amazonas-Indianer, daß Sie, weil Sie auch “ein Mensch” sind, sich in seinem Dorf breitmachen und Ihre Gewohnheiten einführen wollen! Wann, Herr Günther, an welcher Stelle ist denn für Sie die Grenze der “multikulturellen Gesellschaft” erreicht? Einer “multikulturellen Gesellschaft”, die Sie – da bin ich mir absolut sicher – für Ihre “indigenen Völker” scharf ablehnen würden. Merken Sie nicht, wie Sie für die Interessen der Geldgierigen und ihrer globalen Institutionen einer pseudohumanistischen Ideologie auf den Leim gehen? Daß Sie sich von Pseudohumanisten erpressen lassen? An welcher Stelle hätten Sie gern etwas Stabilität? Sagen Sie es mir! Wir können über alles reden, wir können über Integrationsprojekte und alles mögliche sprechen. Oder wollen Sie durch dieses Land erst noch etwas die Luft ziehen lassen? Wie lange noch? Warum eigentlich? Welche Kriterien haben Sie überhaupt? Wollen Sie warten, bis alles verweht ist und wir die Wüste haben? Grenzen, Ruhe, Streßfreiheit, Stabilität, das Ethnische, das Nationale sind notwendig; Strukturen sind notwendig, in denen sich das Leben abspielen kann. Es kann ohne Begrenzungen keine Bewegung geben. Denn dann zerfließt alles; so wie der Wüstenwind weht. Muß ich Ihnen das wirklich sagen? Glauben Sie wirklich, daß der kapitalistische Globalismus dem gerecht wird? Was aber setzen wir an die Stelle des globalen Kapitalismus? Machen Sie Vorschläge! Sagen Sie, warum wir das Nationale – im Jahr 1999! – nicht betonen brauchen! Welches ist die neue Nation, wenn Sie schon das Deutsche nicht mögen? Ich erwarte ehrlich und unvoreingenommen Ihre Antwort.

Ich möchte es noch einmal anders, persönlicher, ohne den Umweg über “Argumente”, klipp & klar sagen: Ich habe keinen Bock auf “Asylanten” aus aller Herren Länder: So einfach ist das.

Ich für meinen Teil habe beschlossen, dem globalkapitalistischemTreiben Einhalt zu gebieten. Jetzt halten Sie mich bestimmt für größenwahnsinnig. Aber eins ist klar: Nur die Aktion von unten, nur die Taten von ganz unten werden etwas ausrichten können. Von ganz unten, sage ich; denn schon auf der mittleren Ebene ist alles bestochen.

Ich habe meine Vorbehalte gegen dieses Land und seine Bewohner, ich mag die Zustände so wenig wie Sie, aber ich kippe das Baby nicht mit dem Bade aus (die Konstante), vernachlässige gewisse Gemeinsamkeiten nicht, die ich mit meinen deutschen Landsleuten habe, auch wenn sie nicht alle meine Freunde sind, auch wenn ich die meisten von ihnen hart kritisiere. Trotzdem liebe ich sie, trotzdem sehe ich sie auch als Opfer. Ich sehe viele Gemeinsamkeiten, viele Ähnlichkeiten, diesseits irgendwelcher Oberflächlichkeiten, nämlich im Schicksalhaften und in der alltäglichen Realität. Und dann gibt es jene gewisse Umgangsformen, ein gewisses Miteinander, an das man gewohnt ist, das relativ streßfrei ist, ein gewisser Umgang miteinander, dessen Voraussetzungen wortlos sind und bei dem wir einen Hauch der “ursprünglichen Anarchie” verspüren. Wo sich alles von selbst reguliert, wo kein Staat nötig ist und etwas zu suchen hat. Manchmal, wenn Sie z.B. unterwegs sind, und – leider viel zu selten... – die Leute einigermaßen freundlich sind und auch lachen, glücklich sind, unsere Leute, unsere Landsleute, Leute wie Sie und ich, Leute, die zu Ihrer Familie gehören könnten, wir Deutsche... Haben Sie noch nie diese Liebe, diesen Zusammenhalt gespürt? Falls nein, läge das natürlich auch an Ihren Mitdeutschen. Aber lassen Sie uns doch Einfluß nehmen, lassen Sie uns doch dieses Land positiv gestalten! Wenn wir freundlich sind, sind es die anderen auch bald.

Ich glaube, Sie haben bemerkt, wovon ich spreche, ich brauche Sie nicht auf soziobiologische oder biosoziologsche Literatur verweisen, wo Sie das alles wissenschaftlich nachgewiesen finden können. Für mich ist die Wissenschaft unwichtig. Ich brauche sie nicht als Rechtfertigung. Ich als Anarchist brauche überhaupt keine Rechtfertigung. Ich nehme mir, was ich will, und frage niemanden danach. Und ich bestimme frei über mich und entscheide ganz einfach und souverän, u.a. daß ich unter meinesgleichen leben möchte. Ich nehme mir die Freiheit (wie jeder andere), meine Umwelt, die Gesellschaft, zu beeinflussen, zu gestalten oder zu verteidigen. Mich am “Willensbildungsprozeß” zu beteiligen. So, wie ich es richtig finde. Was andere tun, kann ich auch. Und da frage ich niemanden nach einer Erlaubnis. So frei bin ich.

So wie ich oft meine Landsleute kritisiere, weil sie sich reinreden lassen, weil sie sich Vorschriften machen lassen, weil sie sich erpressen und korrumpieren lassen, weil sie über sich Tabus errichten lassen, weil sie feige und kriecherisch sind, weil sie sich der Autorität unterwerfen und selbst autoritär gegenüber ihren Kindern sind, so sind die Leute, die erpressen, die korrumpieren, die Tabus errichten, die einschüchtern und Gewalt androhen und ausüben, auch nicht gerade meine Freunde. Das heißt: Mir sind sie eigentlich egal. Ich laß mich nicht auf diese Art behandeln. Ich weise sie nur zurück. Sie sind weder meine Freunde, noch meine Feinde: Sie sollen machen, was sie wollen. Aber sie sollen mich in Frieden lassen und mir nicht in die Quere kommen und mir Vorschriften machen etc. Ich kann andern das Angebot machen, (so wie ich auf die Angebote anderer eingehen kann), etwas gemeinsam gegen die Unterdrücker zu veranstalten, falls sie sich ähnlich fühlen; ob sie mitmachen, ist freilich ihre Angelegenheit.

Da wir entvolkt sind, Tag für Tag entdeutscht werden (übersetzt für Sie: “deutsch” ist nichts anderes als die Konkretion von Gemeinschaft), muß das Deutsche (leider noch) etwas betont werden; nein: es muß einfach nur genannt werden, mehr nicht. Das Nationale bzw. das Völkische steht nicht im geringsten Widerspruch zur Anarchie. Um es noch einmal zu verdeutlichen: Glauben Sie nicht, daß in einer “ursprüngliche Gesellschaft” – das meine ich nicht historisch, sondern die Ursprünglichkeit, die Natürlichkeit betreffend und bezogen auf die wenigen noch bestehenden und noch nicht von Patriarchat, Zwangsmoral und Kapitalismus verpesteten Gegenden und Stämme – etwas zwischen den Menschen ist, das übers Guten-Tag-und-Auf-wiedersehen-Sagen hinausgeht? Und glauben Sie nicht, daß, wenn selbst einfachste Begrüßungen zwischen den Bewohnern eines Hauses sagen wir in Neukölln ausbleiben, es auch daran liegen könnte, daß diese verschiedener Nationalität sind? Daß man sich schon auf den Bürgerkrieg einstellt? Sie, Herr Günther, scheinen mir auch das ökonomistisch-individualistische Menschenbild der globalkapitalistischen Ideologie übernommen zu haben. Und weil man Sie offenbar an all diese Banalitäten erinnern muß, Herr Günther, wenn es uns Deutsche angeht, weil Sie diese simplen Dinge verdrängen: Aus diesem Grund muß das Nationale – als Gegengewicht und Arznei gegen das Vergessen – wieder benannt werden. Mehr nicht. Ich wünschte mir, wir bräuchten es nicht. Sie brauchen sich also diesbezüglich keine Sorgen um meine geistige Gesundheit machen (“nationaler Wahn”).

Wenn das Nationale fehlt, kann es keine Anarchie geben, dann gibt es Chaos, Verwahrlosung und infolgedessen autoritäre Lösungen. Das Nationale gehört von Anfang zur Anarchie. Ich empfinde das freie Vergemeinschaften der Menschen über große Zeiträume, diesen subtilen Prozeß des Vertrauens, als gut, als das Leben vereinfachend, als qualitätssteigernd, als angenehm, als schön. Leider kommen mir da aber die Betreiber der Multikulti-Gesellschaft in den Weg. Denn die wollen es nicht, daß ich mich in bezug auf meine Mitmenschen wohl fühle, daß ich keinen Streß habe, daß ich mich einfach und schnell verstehe usw. Ich weiß nicht, was deren Motive sind, es interessiert mich auch nicht. Ich weiß auch nicht, wer diese Leute eigentlich sind. Auch das interessiert mich nicht die Bohne. Ich stelle nur gewisse Realitäten fest. Und ich sehe, daß ich das nicht so will. Punkt. Sagen Sie mir doch einmal bitte, was Ihnen Multikulti nützt? Aber wenn man mir schon Egoismus vorwirft (ich gehe davon aus, das der Vorwurf nicht von Ihnen als Anarchist kommt) und mir moralisch kommt, dann schlage ich auch mit der moralischen Waffe zurück – rein instrumentell, denn ich schere mich um keine Moral. Ich benutze die Moral als Waffe, denn es ist eine gute Waffe, weil die Menschen so blöde sind. Und die Multikulturisten benutzen sie und beherrschen sie aufs beste. Und ich drehe den moralischen Spieß einfach um: Ihr sagt, wir sind schlechte Menschen, wenn wir unsere Gesellschaft auch (nicht nur!) nach völkischen Aspekten einrichten wollen, wenn wir eine gewisse Homogenität der hier lebenden Menschen wollen (ein weiterer Aspekt ist der der Freiheitlichkeit, der Selbstbestimmung der einzelnen innerhalb der Gemeinschaft). Was sind denn Eure Motive? Was sind denn so die Motive multinationaler Aktiengesellschaften? Was die von Leuten, die immer reicher werden müssen? Die weniger Lohn zahlen wollen? Oder glauben Sie, Herr Günther, daß die Globalisierung ein Zufall, eine rein menschlich normale Entwicklung, quasi vorgeschrieben, eine anthropologische Konstante ist, daß da keine knallharten Interessen dahinterstecken?

Ach lassen wir diese Scheiße mit der Moral. Ich bin tatsächlich ungeeignet. Es interessiert mich nicht. Sollen sie erzählen und machen, was sie wollen. Wir tun es auch ganz einfach. Wir werden schon sehen, wer stärker ist. Die Völkischen, die Nationalen haben bisher genug dieser moralischen Argumente geliefert. Sie saßen in x Fallen. Sie waren schwächlich, ängstlich, amputiert. Aber wer die Moral benötigt, der kann nicht frei sein, der verdient die Freiheit auch nicht. Die nationale Anarchie hat nicht vor, sich in irgendeine Falle zu setzen, sich irgendwie erpressen zu lassen. Die Nationalen sprachen von “Selbstherrlichkeit”. Ja, gut, meinetwegen. Die nationale Anarchie ist einfach sie selbst, nicht unbedingt herrlich. Die Nationalen haben sich angestrengt und gekämpft und gemacht und getan. Aber jetzt kommen wir nationalen Anarchisten! Wir “kämpfen nicht für das Volk”, wie man es so oft von Nationalen hört. – Wir sind das Volk, wir sind wir selbst, jeder einzeln für sich und dadurch die ursprüngliche Gemeinschaft, die Anarchie. Wir brauchen keine Argumente, wir scheren uns um keine Moral. Wir strengen uns nicht an, wir bemühen uns nicht, wir kämpfen nicht. Wir nehmen uns ganz einfach das, was wir wollen, und wir wehren das ab, was wir nicht wollen. Wir emanzipieren uns von all dem, was uns stört, was man von uns verlangt, wir werden frei. Uns schert keine Moral mehr, denn wir haben die Moral längst entlarvt als schnödes Macht-, Einfluß- und Interesseninstrument.

So, jetzt wissen Sie ungefähr, was National-Anarchismus ist. Sind Sie immer noch der Meinung, daß es so etwas nicht geben kann? Es ist mir ehrlich gesagt wurst! 

Ich will Frieden, da gedeihe ich am besten, und Krieg bedeutet unerträgliche Schmerzen. Und mir geht es um Interessenausgleich, Konfliktlösung. Aber soll ich meine Sympathien, meine Gefühle unbedingt unterdrücken? Ich bin doch nicht der liebe Gott! Sie schreiben: “... die sich in einem imperialistischen Konflikt auf die Seite einer Kriegspartei stellen, selbst wenn diese, wie im aktuellen Fall das von einem ‚serbischen‘ Regime dominierte Jugoslawien, Opfer eines Angriffs ist.” Was sind Sie denn für ein Mensch, Herr Günther, wenn Sie zwar Serbien als Opfer eines Angriffskrieges betrachten, sich aber nicht auf dessen Seite stellen und diese Seite als “Kriegspartei” denunzieren? Sie wissen doch, von wem der Krieg ausgeht! Jetzt empfinde ich leider wieder bloß Verachtung für Sie, Herr Günther. Und stimmt es denn, wenn Sie von einem “imperialistischen Konflikt” sprechen? Es gibt hier nur einen Imperialisten, und das ist die NATO! Diese hat in der Region nichts zu suchen. Oder kriechen Sie etwa auch auf den humanitären Leim? Die moralische Waffe der Kriegstreiber ist sehr schwach, die der Gegner sehr viel stärker; deshalb wird sich dieser Krieg als ein großer Fehler der NATO herausstellen (Henry Kissinger wäre nicht so dumm gewesen; er war gegen diesen Krieg). Sicher hat Milosevic nicht weise gehandelt, als er den Kosowo-Albanern die Autonomie weggenommen hat. Aber ist er deshalb schon “Imperialist”? Sicher will die UCK mit Gewalt den Kosowo aus dem jugoslawischen Staatsgebiet in das albanische Staatsgebiet holen. Aber ist das “Imperialismus”? Nein, Herr Günther, Imperialismus ist das, was die Leute machen, die dort unten nichts zu suchen haben, die die ethnischen Konflikte nur für ihre Ziele ausnutzen – was auch immer ihre Ziele sein mögen. Humanitäre Hilfe jedenfalls nicht, das brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. Also was ist los mit Ihnen, Herr Günther, daß Sie hier keine Sympathien, kein Mitgefühl für “Opfer eines Angriffskrieges” haben? Ich bin gottseidank nicht der einzige, der noch etwas merkt: Lesen Sie mal, was Erwin Chargaff zum Kosowokrieg geschrieben hat! Und wenn Sie aus meinem “Tornados-runter!”-Flugblatt zitieren und sagen: “Im allgemeinen kennen Anarchisten keine heldenhaften Völker”, dann wissen Sie jetzt, was ich mit “heldenhaft” meine. So wie das vietnamesische Volk damals heldenhaft einer Übermacht getrotzt hat, so jetzt das serbische, ganz egal, welches Regime – ob damals kommunistisch oder jetzt sozialnationalistisch – dort herrscht. Das sind meine Empfindungen, Herr Günther. Sie scheinen keine zu haben. Eine der schlechten Seiten, die ich an meinen Landsleuten nicht so mag, ist die, daß sie sich für Götter halten. Wir Nationalanarchisten verirren uns nicht all zu oft in die Politik, weil wir mit Politik als Seinsweise des Patriarchats nichts zu tun haben wollen, und natürlich zeigen wir im Politischen Schwächen; schlimm wäre es um uns bestellt, wenn es nicht so wäre.

Sie schreiben weiter: “Das Delirium nationaler Propaganda, selbst wenn diese revolutionär gefärbt ist, lässt sie [die Anarchisten] kalt.” Da sind wir uns allerdings einig: Propaganda läßt mich kalt; ich bin geneigt zu sagen “im allgemeinen”, weil ich, da kein Gott, selbtverständlich auch Opfer von Propaganda werden kann. Auch irgendwelche revolutionäre Färbungen interessieren mich nicht. Entweder ich bin Revolutionär, oder ich bin keiner. (Letzteres ist für mich der Fall, jedenfalls bin ich nicht im landläufigen Sinne revolutionär: gewaltsamer Umsturz, Machtergreifung usw. Ich bin auch kein Evolutionär, sondern wenn schon Devolutionäre oder Involutionär: Die patristische Zivilisation muß sich aus sich selbst heraus abwickeln! Das Elend muß von Heimat, Glück und Zufriedenheit ersetzt werden (Sie kennen die Etymologie von Elend?).) Ich lege keinen Wert auf Anstriche. Was mich nicht kalt läßt, sind die Fakten, sind die Bomben, ist die haushohe Überlegenheit der NATO, deren Angriff aberwitzig ist. So wenig ich von Moral verstehe, so bin ich auch kein Anhänger juristischer Positionen und Argumentationen. Aber diese mögen ihren instrumentellen Wert und ihre Wirkung haben. Von daher begrüße ich es, wenn Kriegsgegner aller Lager, die sich in völkerrechtlichen Dingen auskennen, auf die Unrechtmäßigkeit dieses Angriffs hinweisen. Für mich steht die Verkommenheit dieser Leute im Vordergrund, die ihre eigenen Prinzipien brechen, die Abmachungen nicht einhalten (so nenne ich Rechtsverletzungen und den Bruch der UNO-Charta usw.). Für diese habe ich tatsächlich nur Abscheu übrig. Es sind ehrlose Gesellen. Sie, Herr Günther, teilen meine Abscheu natürlich nicht. Sie ziehen sich elegant und feige auf die Position des Kritikers von “innerimperialistischen Konflikten” zurück.

Ich zitiere weiter Ihren Brief: “Die einzige Intervention, die für Anarchisten infrage kommt, bemisst sich an dem Grad, in dem sie zur allgemeinen sozialen und kulturellen Emanzipation des Menschen beitragen kann oder zumindest deren Blockierung aufhebt oder hindert.” Gehört zur “allgemeinen sozialen und kulturellen Emanzipation” nicht erst einmal die Unversehrtheit? Voraussetzung einer solchen “sozialen und kulturellen Emanzipation” (na bitte!, auch Sie ein nationaler Anarchist!) ist doch wohl zunächst der Frieden! Aber mir ist Ihre Nichteinmischung, Nicht-“Intervention” im Grunde nicht unsympathisch, wenngleich ich Mitgefühl vermisse. Die Völker müssen im Antiimperialismus solidarisch sein! Im Prinzip haben wir uns in keine Konflikte einzumischen, wenn sie zwischen zwei Völkern stattfinden. Aber beim Kosowokrieg haben wir es mit einer imperialistischen Aggression zu tun, mit einer brutalen Einmischung der NATO, d.h. der Amerikaner. D.h. jeder normale Mensch empfindet Sympathie, weil er sich in die Lage des Opfers hineinversetzen kann, weil er weiß, daß es ihn selbst erwischen kann bei der nächsten Gelegenheit. Aber das ist offenbar wieder zu viel verlangt von Ihnen, Herr Günther. Nicht nur, daß Sie es nicht für möglich halten, daß USA, UNO, NATO, Friedenstruppen usw. auch nötigenfalls (z.B. wenn die moralische Waffe eines Tages nicht mehr sticht) in Deutschland mit militärischer Gewalt vorgehen würden; nein! – das wäre Ihnen sicherlich auch völlig egal. Auch dann würden Sie noch von einem “imperialistischen Konflikt” faseln. Sie faseln zwar auch von “sozial” und “kulturell”, aber das Soziale und das Kulturelle, das gibt es für Sie nur als etwas “Allgemeines”. Sie sind zu feige, das Besondere zu sehen. Weil Sie dann konkretisieren müßten; weil auch Sie sich dann dazu bekennen müßten, Deutscher zu sein. Nein, so viel Standhaftigkeit, Willen zur Selbstbestimmung, das kann man von einem “Anarchisten” nicht erwarten. Die antinationalen Anarchisten sind aus Feigheit antinational, weil die nationale Frage zu thematisieren Ausgrenzung und Schmähung bedeutet. Die meisten Möchte-gern-Anarchisten sind Großschnauzen, die große Töne spucken, wenn es um nichts geht. Ich bin schon längst an diese Großschnäuzigkeit und Feigheit gewöhnt, nämlich in der Frage der Meinungsfreiheit. Natürlich lassen die Anarchisten immer wieder die Kämpfer für die Meinungsfreiheit raushängen. Aber kommt mal einer, der eine Meinung vertritt, wie z.B. die Revisionisten, und schlicht und einfach nach den Grundprinzipien der Aufklärung wirkt, da ist es ganz schnell aus mit der Meinungsfreiheit, dann trieft schmalzig und ölig die Moral, wird sie eklig über den (zumindest in diesem Punkt) Freien ausgegossen, der sich nicht mehr lösen kann, der zur Bewegungslosigkeit verklebt wird. Und dann wird plötzlich sogar ein Mann wie Noam Chomsky aus der Gemeinde ausgestoßen, denn: Wer Anarchist ist, bestimmen natürlich wir! Gottseidank kann ein solch verdienstvoller Mann wie Chomsky über so etwas und über die Kleingeister nur lachen. Er hat viel zu viel geleistet und viel zu viele wirkliche Freunde. Außerdem wird er auch einmal allein stehen können. Das ist Ihnen fremd. Sie müssen die Heiligen befragen und ins Feld führen: “Selbst Bakunins ‚nationale‘ Agitation zugunsten der Slawen und Italiener diente diesem Ziel, wenn sie auch heute leicht mißverstanden werden kann. Der zu Recht kritisierte Interventionismus Kropotkins ist ebenfalls in dem genannten Rahmen verortet.” Ihre Angst, ich könne Bakunin und Kropotkin für mich und den Nationalanarchismus vereinnahmen, mag berechtigt sein. Sie brauchen aber keine Angst zu haben, Herr Günther. Mich interessieren Bakunin und Kropotkin nicht sonderlich. Die nationale Anarchie braucht keine Autoritäten und Heilige.

Aber kommen wir zu Ihrem Brief zurück: “Der sich in Jugoslawien erneut offenbarenden Barbarei ist nicht damit beizukommen, daß noch mehr nationales Öl ins Feuer gegossen wird.” Das Feuer muß gelöscht werden; soweit sind wir einer Meinung. Aber was läßt Sie sagen, daß das Nationale unbedingt Öl sein muß? Und wie kommen Sie darauf, daß ich überhaupt Öl ins Feuer gieße? Ich hatte geschrieben: “Die Völker werden aufeinander losgehetzt. Glaube doch niemand, daß den Herren der Welt das Schicksal der Albaner auch nur das geringste bedeutet. Albaner, laßt Euch nicht mißbrauchen! Seid Europäer! Wehren wir europäischen Völker uns gegen diese brutale Einmischung! Laßt sie uns nicht gegenseitig verhetzen und in den Krieg treiben! Wir wollen den Frieden! Es ist eine Schande für uns, daß wir diesen Krieg in Europa zulassen, daß wir Clinton und Cohn im Namen Europas quatschen lassen. Zeigen wir ihnen, was freie Europäer sind!” Ich bin genauso dafür, daß die Albaner gemäß Ihrer Kultur leben. Ich habe mich nicht “auf die Seite einer Kriegspartei [der Serben] gestellt”, es sei denn auf die Seite Europas gegen die Aggression der Amis, wobei ich die Albaner kritisierte, die sich von den Amis mißbrauchen lassen. Auf diesem Weg kann kein stabiler Frieden auf dem Balkan entstehen. Dieser kann nur durch Verständigung und Versöhnung der balkanischen Völker entstehen. Mit der Leugnung des Nationalen hat die Linke natürlich auch den Inter-Nationalismus aufgegeben. Sie kann sich diesen – so wie Sie – nur als “völkischen Wahn” vorstellen.

Sie schreiben: “Der völkische Wahn und der durchsichtige Antisemitismus, der aus Ihrem Aufruf spricht, legt nahe, daß sich hinter der von Ihnen rekuperierten Bezeichnung als Anarchist ein in der Wolle gefärbter Faschist oder meinetwegen ein Nazimaoist verbirgt.” So wie mir kein “völkischer Wahn” nachgesagt werden kann, so auch kein “Antisemitismus”. Dieser sei sogar “durchsichtig”! Wie um Himmels willen kommen Sie denn auf diese Idee? Wenn hier einer von einem “Wahn” befallen sein soll, dann sind Sie es doch wohl. Oder wo machen Sie in meinem Flugblatt etwas Antisemitisches aus? Das müssen Sie mir zeigen! Wenn es dieser angebliche Antisemitismus ist, der nahelegen würde, ich sei Faschist oder Nazimaoist (Gratulation, das hatten wir noch nicht!), dann brauch ich mich wohl auch nicht damit auseinanderzusetzen. Herr Günther, ob Sie es wollen oder nicht – und ich weiß, ich tu Ihnen damit keinen Gefallen –: Ich bin Anarchist. Das einzige, was mich ankotzt, ist, daß ich das sagen muß. Denn solcherart Konfession liegen einem Anarchisten, so wie ich diesen Begriff verstehe – da sind wir vielleicht verschiedener Meinung –, fern. Erst kommt das Sein (das Anarchische), dann der Begriff davon. Auf keinen Fall habe ich Lust, mich an einer solchen Streiterei zu beteiligen. Ihnen etwas auf die Sprünge zu helfen, hier ein Zitat von Emmal Goldmann: “Der Anarchismus ist keine Utopie, die endgültig Gestalt angenommen hat. Der Anarchismus ist eine Bewegung, die sich in unaufhörlicher Entwicklung befindet und die heute wie gestern die Fähgikeit besitzt, neue Formen anzunehmen, neue Tatsachen zu verstehen und zu akzeptieren.” Ob Sie diese Fähigkeit besitzen, ob Sie überhaupt verstehen, wovon Emma Goldmann spricht, ist mir im Grunde genommen wurst. Sie sind eben Anarchist, so wie Sie es verstehen. Gut so. Aber es ist schon süß mit anzusehen, wenn Sie schreiben: “Im Namen aller wahr- und wehrhaften Anarchisten fordere ich Sie also hiermit auf, umgehend von der Anarchie abzulassen und nicht weiterhin als Anarchist zu firmieren.” Schade daß es noch nicht ganz ausreicht, daß ich einen Lachkrampf kriege, Herr Günther! Ich kriege so gerne Lachkrämpfe; man erlebt so etwas viel zu selten. Lachkrämpfe sind einfach geil. Vielleicht das nächste Mal; wäre schön, wenn noch so ein Bolzen von Ihnen kommt.

“Weder euren Krieg, noch euren Frieden! Egon Günther”: Ihre letzten Worte stimmen mich dann schon wieder traurig. Ich verstehe sie nicht. Gehe ich fehl in der Annahme, daß eine gewisse Hilflosigkeit aus ihnen spricht? Was meinen Sie überhaupt damit? Naja, egal. Trotzdem mit besten und anarchistischen Grüßen!

Peter Töpfer

 

 

P.S.: Ich möchte die Gelegenheit nutzen, noch auf Ihren bereits erwähnten Artikel im Schwarzen Faden einzugehen: Sie schreiben dort: “Der Chance, ihre Gesellschaftskritik auf die Grundlage eines in Raum und Zeit verortbaren, nichtimaginären sozialen Ordnungsmodells zu stellen und dessen Protagonisten als Zeugen gegen die Verwerflichkeit und die Absurdität zwangsferfaßter westlicher Ordnung auftreten zu lassen, konnten und können, als widerspenstige Kinder ihrer Zeit, auch die Anarchisten nicht entsagen.” Doch, sie können es. Und wenn es die “Anarchisten” nicht können, dann können wir Nationalanarchisten es. Wir schmelzen dahin, wenn wir Bilder und Berichte aus Gegenden, wo noch einigermaßen heile Welt ist, sehen. Aber das spornt uns nur an, selbst und im Hier und Jetzt und fest verortet auf unserem Boden die Anarchie zu verwirklichen, zu sein. Anarchy in Germany! Wir stellen unsere Gesellschaftskritik nicht auf die Grundlage von Modellen; wir kritisieren nicht einmal die Gesellschaft: Wir sind die Gesellschaft, eine neue Gesellschaft. Wir verlassen die Kritik als Beschäftigung des im Kopf gefangenen zivilisierten Menschen; wir überschreiten die Grenze zur Tat, zum Sein. Wir haben keine Vorbilder; es seien denn die Bilder im Goethe‘schen Sinne oder die morphischen Felder Sheldrakes, die in uns sind und sich realisieren, unabhängig von unserem Intellekt. Wir brauchen auch keine “anthropologischen Tröstungen” durch Theorien, und seien es die eines Lévi-Strauss-Schülers, der in Brasilien “indigene Gesellschaften” beobachtet hat, die “ohne Anwesenheit staatlicher Organisation auskommen”. Wir brauchen keine “Prinzipien einer ursprünglichen Anarchie”, keine “Belege für ein ‚Goldenes Zeitalter‘”, die uns “helfen”, den “Glauben an die generelle Möglichkeit einer gegenüber der vorgefunden, in allen Wesenszügen völlig anderen, ungezwungenen Art des Zusammenlebens (zu) bestärken”. Die Anarchie ist für uns keine Religion, sondern Realität, Teilrealität oder Nichtrealität. Sie ist Seinsweise. “Der Wilde und der Anarchist, als Staatsfeinde quasi natürliche Verbündete.” – Wir sind die Wilden, die Eingeborenen Deutschlands! Wir Nationalanarchisten sind keine Pseudo-Anarchisten, d.h. Möchtegernwilde in den Metropolen! Wir überqueren die Grenze zur Wildheit. Wir sind Teil eines organischen Ganzen, das sich neu bildet. Der Anarchist ist wild oder er ist nicht. Für uns gibt es keine “wilde Zivilgesellschaft”, wir “leugnen” keine “Differenzen” zwischen Heute und einem vermeintlichen Gestern oder einer vermeintlichen vergangenen heilen Welt. Wir kennen weder Rechtfertigungen noch Geschichte. Wildheit heißt Ende der Geschichte, Schluß mit dem Theater! Wildheit heißt nicht Krieg. Wild ist nicht kriegerisch, gewalttätig. Das haben sie uns einzureden versucht. Wild sein ist vor allem entspannt sein. Versöhnung, Ausgleich geht auch ohne die politischen und philosophischen Systeme der Zivilisation. Wir haben kein Interesse an Krieg, wir wollen ihn nicht; das reicht. Wir gehen offenherzig auf andere zu, auch wenn sie sich als unsere “Feinde” betrachten; wir finden einen Weg. Anarchie ist machbar; heute und hier. Das Leben macht Spaß: Das ist Anarchie. Es ist egal, wie wir das benennen. “Anarchie” als Ideologem ist Ergebnis der Kommunikation zwischen selbtregulierter Welt und zivilisierter Welt; ist Kampfansage an die Zivilisation, Signal und Code der Selbstregulierten. Wir bekämpfen nicht die Zwänge und Regeln, wir unterlaufen sie, wir haben keine “Regeln und Befehle” (Böhse Onkelz)!

Anarchy in Germany!

 

Der Artikel “Living in a stranger’s hell – Antwort auf T. Wagner ‚Von der Suche nach der Anarchie‘” von E. Günther erschien in Schwarzer Faden Heft 1/98. (Dötzingerstr. 132, 71120 Grafenau, eMail: TrotzdemuSF@t-online.de)

 

Hier noch einmal der Wortlaut des Egon-Günther-Briefes:

 

Herr Peter Töpfer,

es mögen wohl Anarchisten in Deutschland leben, betont deutsche und zudem nationale Anarchisten hingegen kann es überhaupt nicht geben, schon gar nicht solche, die sich in einem imperialistischen Konflikt auf die Seite einer Kriegspartei stellen, selbst wenn diese, wie im aktuellen Fall das von einem "serbischen" Regime dominierte Jugoslawien, Opfer eines Angriffs ist. Im allgemeinen kennen Anarchisten keine heldenhaften Völker und auch keine Volksgemeinschaften, ergo auch keine Volksverräter und dergleichen mehr. Das Delirium nationaler Propaganda, selbst wenn diese revolutionär gefärbt ist, lässt sie kalt. Die einzige Intervention, die für Anarchisten infrage kommt, bemisst sich an dem Grad, in dem sie zur allgemeinen sozialen und kulturellen Emanzipation des Menschen beitragen kann oder zumindest deren Blockierung aufhebt oder hindert. Selbst Bakunins "nationale" Agitation zugunsten der Slawen und Italiener diente diesem Ziel, wenn sie auch heute leicht mißverstanden werden kann. Der zu Recht kritisierte Interventionismus Kropotkins ist ebenfalls in dem genannten Rahmen verortet. Der sich in Jugoslawien erneut offenbarenden Barbarei ist nicht damit beizukommen, daß noch mehr nationales Öl ins Feuer gegossen wird. Der völkische Wahn und der durchsichtige Antisemitismus, der aus Ihrem Aufruf spricht, legt nahe, daß sich hinter der von Ihnen rekuperierten Bezeichnung als Anarchist ein in der Wolle gefärbter Faschist oder meinetwegen ein Nazimaoist verbirgt. Im Namen aller wahr- und wehrhaften Anarchisten fordere ich Sie also hiermit auf, umgehend von der Anarchie abzulassen und nicht weiterhin als Anarchist zu firmieren.

Weder euren Krieg, noch euren Frieden!

Egon Günther

Egon Günther Anarchist