Poesiealbum
1. Teil (2. Teil 3. Teil)
Aus der Reihe "Wiedergeburt"
(Diese vier Gedichte erschienen zuerst in Sleipnir. Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik 4/1997)
ich war dir dankbar
auf dem boden des fasses
wie man dankbarer hätte nicht sein können
du sagtest mir der stern da oben
und die krume hier unten
und der ozean dazwischen
kennt das eine schuld das böse
du kamst und wischtest beiseite
die kleinen wichtigtuer
die sich etwas einbildeten
auf ihre entdeckungen
ihre lehren
ihre maßgaben
ihre unfähigkeit
ihre blindheit
sie rotierten in ihren kästen herum
wichtig ernst endgültig
welcher gott erlaubte ihnen
ihre dummheit
in welchem lichte standen sie jetzt
im schutze welcher macht
von wem nur
erhielten sie diese genehmigung
zur allgemeinen abtötung
ihrer selbst
vor wieviel tausend jahren
muß die angst entstanden sein
daß welche meiner lächerlichen verbrechen
anlaß gaben
zur grenzenlosen begrenztheit
ihrer stinkenden armseligkeit
ich entbot den deutschen gruß1
schrie euch von sieben acht neun
millionen ins gesicht
was aussah wie eine provokation
mit der ihr glaubtet davonzukommen
war nur eine verfluchte
beleidigung des führers des augenblickes
als wir einmal durchdrungen waren
mit bewußtsein von fuß
bis kopf den wir oben hielten
diesen gruß
als ausdruck meines standes
auf der erde
im all
ihr aber standet
in der pfütze
eurer mikrobenhaften schließmuskel
der gruß mit dem ich mein recht wahrnahm
zu sein
würdig und selbstbestimmt
ganz
durch und durch
wahrheit in allen fasern meines fleisches
frei
doch bis auf eure gehechelte entrüstung
wart ihr nicht zu rühren euch entquollen
die ewig gleichen bedenken
ihr nichtswürdigen nichtsnutze
korruptes gesindel
eure oma bloß gut daß sie schon tot war
vergreift euch nie wieder
an unserer sprache
für euer nachgeplapper
euer unvergleichliches gewinsel
nicht ein funken leben durfte
in euch dringen
eure hysterie hätte euch
weggespült
heil [...]!2
obwohl es euch nichts anging
ob ich ein nazi war oder nicht
hatte ich ums verrecken willen
dazu zu stehen stand ich zu allem
was unser volk gewesen war
schloß ich alles mit liebe ein
niemals würde ich auch nur einen verraten
sogar euch nachtjacken
werde ich noch in die arme nehmen
und wir werden lachen
lachen lachen lachen
heil [...]!3 ihr arschgeigen
erst wenn wir es uns fröhlich zuriefen
wir gemeinsam durch den tag marschierten
das lied unseres helden horst4 auf den lippen
mit ruhig festem schritt
und tanzen und springen würden
würde ich meinen frieden mit euch machen
eine provokation und doch
keine provokation ihr verstandet alles
bloß das nicht nie
würde ich euch zu kreuze kriechen ihr penner
unser volk beleidigen lassen
von euch nicht ihr hustenbonbons
schmalbrüstige schwuchteln
wißt ihr was das ist freiheit
nicht mehr nach links
und nicht mehr nach rechts äugen ängstlich
aus euren panisch gelassenen augen
winseln müssen
nicht daß ihr denkt
ich will nicht nur mit euch finsterprinzen
nichts zu schaffen haben
es ist die ganze schon vor euch
seit jahrtausenden bekackte bagage
eurer erzeugerserzeuger
dabei war es doch nicht zu viel verlangt
aber ehre war nicht grammweise zu haben
wie eure henkerswurst
verrecken sollt ihr dran
jedes schweigen ist eine erlösung für euch
war es nicht genug
vor euren geldgebern zu kuschen
an ihrem thron zu kriechen
ihren trog auszulecken
nein ihr mußtet sie
nicht erbärmlich genug
heilig sprechen
alles aber das war zu viel
doch euer größtes vergehen
war als ihr stolz eure kinder mißbrauchtet
indem ihr sie in die welt setztet die armen bälger
denn bestechlichkeit ist erblich
zieht tief rein in die lenden
feiges geschlecht
mutter natur sah sich noch alles
sehr geduldig an sie hatte großes verständnis
irgendwann hoffentlich würdet ihr
ihr überdrüssig werden ihr memmen
hättet ihr ihre güte
endgültig ramponiert
wie ihr auf das reine herz unseres volkes
immer wieder einstachet
wie ihr sie urinieren lassen habt
in seine reinsten bäche
unser zärtlichstes volk
habt peitschen lassen
könnt ihr wenigstens jetzt nur einmal
liebe für euch selbst empfinden
wie ihr euch unseres wehrlosen volkes stille unschuld
als das gegenteil habt einreden lassen
unendlich feiges gesocks
habt wortlos sein leid
in deutscher erde versickern lassen
oh und der väter opfertod
was habt ihr mit ihm gemacht
fast unauslöschlicher furchtbarster frevel
der über euch kam
kniet jetzt nieder und reckt die hände
und rettet was zu retten ist
fleht sie an um eurer seelen heil
fleht sie an um vergebung
daß ihr sie vergessen habt
werft euch zu boden
und schenkt euren vätern endlich
wonach sie sich schon so lange sehnen
und euch stumm bitten
unter rußlands weiter erde
allein wie ungeboren
nur mit euch lieben in gedanken
jetzt steht auf
und tragt sie ihnen an
eure ganze liebe
still für euch allein weint
nehmt euren kranz
geht mutig hin zu ihnen
erlöst sie endlich in eurer umarmung
und gebt ihnen die ehre
ergänzungen:
meines standes (und) bestehens
daß ich aus dem rattenloch trat
in das sie uns gejagt haben
und mich zum leben zurückmeldete
1Sleipnir: ??? ... Frage: In Deinen Verlautbarungen, wie jüngst bezüglich des Prozesses gegen den Verlag der Freunde, bezeichnest Du Dich als Linksnationalen. Was ist darunter zu verstehen?
"Linksnational" ist die heutige Bezeichnung einer ubiquitär, einer integral emanzipativen Grundhaltung; die vollständig freiheitliche Grundeinstellung äußert sich heute im Linksnationalen.
Das heißt, für uns Linksnationale muß alles freiheitlich durchdrungen sein, alle Bereiche des Seins. Das Freiheitliche pendelt in seiner Akzentuierung zwischen dem Kollektiven und dem Individuellen in der Zeit hin
und her. Heute haben wir es – bei einer allgemeinen Verwahrlosung und seuchenhaften Verwrackung der Einzelnen – mit einer Unterdrückung und Beraubung des Transpersonellen, Zwischenmenschlichen, des
Gemeinschaftlichen zu tun. Das Gemeinschaftliche ist auf einer bestimmten, auf der bekanntesten und wohl auch wichtigsten Ebene das Volkliche und Nationale. Aber auch das Regionale und das Familiale, Kontinentale
und Globale ist wichtig. Infolgedessen ergreift der Libertäre heute genauso Partei für das Kollektive. Er will die Kommune der freien Menschen, das freie Spiel der individuell-kollektiven Dialektik. Die Freiheit des
Einzelnen wird heute in seiner Assoziationsfreiheit angegriffen, und zwar von Kräften, die an einer Zersplitterung, Atomisierung, letztlich zum Zwecke der Versklavung, interessiert sind. Diese permanente
Emanzipation, das freiheitliche Pendel kann sich morgen schon – wir gehen davon aus, daß gesellschaftliche Veränderungen schon bald stattfinden werden – politisch als Individualismus äußern; das ist wie
die Begriffsfluktuation, die wir in Rußland seit Gorbatschow gesehen haben, wo auch niemand mehr recht wußte, wer nun gerade "links" und "rechts", "Reformer" oder
"Konservativer" war. Für uns steht "links" für Bewegung, für freies Fließen, für Veränderungen. Reinhold Oberlercher als 68er legt heute besonderes Gewicht auf das Gemeinschaftliche, ist heute,
obwohl ein absolut integraler Denker, Linksnationaler, "Nationalmarxist". Andere 68er haben stagniert, sind nicht mit den Veränderungen der Zeit gegangen, haben den Geist verraten, sind heute die Gehilfen
derjenigen, die sie früher – man muß sagen: scheinbar – bekämpft haben. Viele Anarchisten haben heute erkannt, daß sie diese Art Zerstörung und Auflösung der gesellschaftlichen Bande nicht im Sinn
hatten; trotzdem bleiben sie anarchisch, freiheitsliebend. Ich als Linksnationaler reflektiere genauso Geister der radikalen individuellen Emanzipation wie Wilhelm Reich oder Arthur Janov, wie Leute wie Michael
Kühnen, der die Befreiung des deutschen Volkes in den Mittelpunkt seiner Aktivitäten gestellt hat. Das paßt für uns gut zusammen. Wir stehen in der Tradition der nationalen Fraktion der 68er Bewegung mit Leuten wie
Dutschke, Rabehl und eben Oberlercher.
2 Sleipnir: ??? ... Frage: Also eine Art "Nationalkommunismus"?
"Nationalkommunismus" ist ja ein Pleonasmus. Ganz einfach "Kommunismus" wäre das richtige, obwohl das schon wieder nach GULag klingt, oder meinetwegen Kommunalismus analog zu
"Sozialismus", jedenfalls ist der letztere nicht angezeigt. Oberlerchers Verdienst ist es ja gerade, die Unterscheidung von Sozialem und Kommunalem wieder thematisiert zu haben. Goebbels fügte – um
welche Gemeinschaft soll es denn gehen? – eben nur noch das Adjektiv "deutsch" hinzu; er sei ein deutscher Kommunist, sagte er. Jürgen Elsässer erinnert ja völlig zurecht daran. Es ist eben bloß
traurig, daß sich die deutsche Linke so was sagen lassen muß und nicht selber darauf kommt. Und zu feige ist, sich dazu zu bekennen. In dem Streit zwischen junge Welt und jungle world ist das schön herausgestellt
worden. Ich bedaure übrigens sehr die Spaltung und das Ende der alten jungen Welt; gerade das Anarchische der jungler und das Völkische der Weltler paßt doch unbedingt zusammen.
3 Sleipnir: ??? ... Frage: Für einen Außenstehenden ist es bestimmt harter Tobak, sich zusammenreimen zu müssen, daß da jetzt einer, der sich als links und Nationalanarchist bezeichnet wie Du,
ausgerechnet wegen Volksverhetzung vor Gericht steht.
Nein, im Gegenteil, das paßt heute leider zusammen. Der Libertäre läßt sich nichts vorschreiben. Es ist doch kein Zufall, daß die meisten Revisionisten Linke sind oder Libertarier wie der Amerikaner
James J. Martin. Ich habe versucht, die Ansichten der französischen Revisionisten wie beispielsweise Serge Thion, Pierre Guillaume, Jean-Gabriel Cohn-Bendit oder auch Alain Guionnet und zuletzt Roger Garaudy in
Deutschland bekannt zu machen, eben bloß zur falschen Zeit. Hans Magnus Enzensberger konnte das in den frühen 80ern noch ungestraft tun. Heute "distanziert" er sich natürlich davon und läßt uns sogar
verfolgen. Es ist überhaupt erstaunlich, was einige Schriftsteller noch in den 80er Jahren von sich gegeben haben, die sich nach ‘89 dann vor Panik in ihr Schneckenhaus zurückgezogen haben. Ich denke z.B. an
Rolf Schneider und Günter Kunert in Aufsätzen zum Thema deutsche Nation. Dabei kriegt man doch auf diese Weise sehr schöne Komplimente wie das einer Antifa-Zeitung, die uns als Verleger und Herausgeber von Sleipnir
als "Tiefenrevisionisten" bezeichnet hat. Ich hoffe, mich dieses Kompliments in all seinen Dimensionen noch als würdig erweisen zu können in der Zukunft. Volksverhetzer sind doch heute nur Leute, die das
Denken nicht abschalten und die sagen, was sie denken. Es ist ein ganz trauriges und ein absurdes Schauspiel, was hier läuft. Ausgerechnet die Hüter einer Ordnung, die sich freiheitlich-demokratisch nennt, werden zu
Verfolgern des freien Wortes, der freien Forschung. Eigentlich eine Schande. Es ist mir schon richtig peinlich, auf die Grund- und sogenannten Menschenrechte pochen zu müssen.
4 Sleipnir: ??? ... Frage: Ist Dir die Nähe zu einigen Rechten, in die Du gerückt wirst und mit denen Du ja tatsächlich Kontakt hast, dann nicht doch unangenehm? Du wirst mir doch nicht sagen wollen,
daß da nur Leute herumlaufen, die die Freiheit über alles stellen!
Du wirst lachen, aber da sind doch viel mehr Freiheitliche unterwegs als man denkt. Für mich sind das Linke, auch wenn sie diese Bezeichnung nicht gern hören. Sie unterliegen einer gewissen Trägheit
und nehmen leider und dummerweise die Haltungen ein, die die Herrschenden ihnen diktieren. Die Anliegen vieler Rechter sind völlig in Ordnung und jeder fühlende Mensch muß sich mit ihnen solidarisieren, wenn sie
verfolgt werden. Leider bedienen sie bloß oft genau die Stereotype, die die Gegner von Veränderungen von ihnen zeichnen. Sie kommen mir manchmal wie Löwen im Käfig vor, die furchtbar fauchen. Mit allen Unterdrückten
bin ich solidarisch. Wenn sie sich selber als Unterdrücker herausstellen sollten, werde ich solidarisch mit ihren, den zukünftigen Opfern sein. Leider – da hast Du recht – sieht es bei manchen danach
aus. Aber heute sind sie’s eben nicht, sind die Unterdrücker andere. Die meisten – ich möchte mal sagen: normalen – Linken sehen das nicht, meines Erachtens aus Geistesträgheit, aus Unehrlichkeit
und aus Feigheit. Immer dann, wenn sie die Gelegenheit haben, sich wirklich für Bedrängte einzusetzen, bleiben sie zu Hause oder sitzen auf irgendwelchen langweiligen Konferenzen von Menschenrechtsheuchlern herum.
Schön doof. Wie man dermaßen der herrschenden Ideologie auf den Leim kriechen kann, ist schon phänomenal. Ich glaube, diese Pappenheimer, von denen ich jetzt spreche, wissen das eigentlich sehr genau; sie sind bloß
wahnsinnig ängstlich und feige. Wenn nur einige etwas offener, ehrlicher und mutiger wären, könnten wir in Deutschland und in Europa in der Zukunft eine schöne Sache auf die Beine stellen. Aber leider sieht’s
noch nicht danach aus, eher nach einer einfachen Umkehrung der Verhältnissse: daß nämlich eine rigide Rechte mit einer immer reaktionäreren Politik an die Macht kommt, Herrschaften wie Schönbohm, Dregger und so
weiter, die jetzt plötzlich ein’ auf national machen, mich aber immer an eine Zeile bei Bob Dylan erinnern: "They say that patriotism is the last refuge to which a scoundrel clings."
leute wie schahak und chomsky
es gibt leute die sind so voller
radikaler kritik voller ehrlichkeit
glaubwürdigkeit sie sind rücksichtslos
wollen nur vor sich selbst bestehen
nur ihrem wissen und ihrem gefühl
für gerechtigkeit gerecht werden
natürlich haben auch sie ihre blinden flecke
ihre ausrichtung ihre bildung
chomsky hat noch nichts von sheldrake
und schahak noch nichts von faurisson gehört
aber nennt mir doch welche
die so offen sind
wie thion wie guillaume
auch wenn sie nicht alles kennen
sind sie doch
die vorbilder der menschheit
ich hätte vorgezogen es nicht sagen
nicht mich wichtig machen zu müssen
alles klang wie programmiert wie
jetzt werd ich euch mal was sagen
doch gleichzeitig fühlte ich es
wie ich dich liebte
als du süß um das lagerfeuer herumtorkeltest
uns umarmtest uns zärtliche dinge sagtest
wie du hilflos deine übersprudelnde
jugend entdecktest
ich war stolz auf dich
bewunderte deine saubere haut
deine lichten augen deinen witz
deinen geraden körper
warum mußte ich es wahrnehmen
es benennen es sagen es schreiben
es hätte verborgen bleiben können
und nichts wäre passiert
ist es das gerade alles war nur kunst
mit der nichts anzufangen war ich wußte nicht
ob es das war oder nicht und doch
saßest du neben mir und der geist
kreiselte aus deinem gesicht
und weinte ich später als ich abgetrennt fern
es dir sagen mußte
du sagtest nicht in der lüge leben zu wollen
und daß du es wissen wolltest
der teufel kam raus
und das heilige
unterlassene ausgebliebene versöhnungen
die zeit zerrann
wir trugen das falsche ab
von mal zu mal stück um stück
ich trieb dich zur weißglut
doch du hattest die macht
wirf sie hin
gib sie ab
du drehtest durch
ich wollte dich bemitleiden
aber so lange du dicht hieltest
warst du mein feind
es ging weiter der kampf
ungleich doch sah die schwäche
wie der sieger aus
und macht wie ohnmacht
kein gewinner
kein verlierer
wir zogen an einem seil
jeder an seinem ende
ja es wissen wollen
zu unseren tagen
es würde erst aufhören
am ende unserer tage
ich klang gequetscht
und spärlich
lag still
geizte mit jedem atemzug
sagte nur das nötigste
ich konnte mich dir nicht öffnen
nach dem was geschehen war
wir gehörten zusammen
doch warst auch du überfordert
du solltest mich rausholen
doch du wußtest es nicht
erst recht nicht wie
meine vorwürfe waren umsonst
auch sie konnte ich mir sparen
leben oder tod
ich ging ein
ins jenseits
der tod war schön
still friedlich allein
ich ruhte sanft
hörte geräusche
doch es war der tod
den ich nicht wollte
ich will läbben
sagte die polnische hure
und sie hatte recht
ich fragte dich
ist der friede möglich
du sagtest ja er ists
wir wollten alle leben
wir würden uns reiben
aber das war kein krieg
vorläufig war frieden
todfrieden
auf allen ebenen
ich kam am friedhof vorbei
da lagst du
der du von uns gegangen warst
wie ein rätsel ohne lösung
deine schwester so klein und unschuldig
von ihr wollten wir es wissen
was es ist mit dem tod
sie lächelte
wußte nicht wie ihr geschah
süßer engel
er wollte leben
kannte den tod nicht
oder zu gut
du warst das große tabu
unmittelbar nebenan
wo die kondolenzen eingingen
die schwarzen ränder
jetzt achtung
die angst vorm schwarzen rand
ja das war er
die hinterbliebenen
allein abgewandt isoliert wie verstoßen
wir gingen rüber
gaben unser beileid ab
das mit dem schwarzen rand
das grün der wiesen war tief
dunkel
das große geheimnis
das stets mitschwang
das dunkle licht
überschattete alles
als du dich von der brücke stürztest
mitten hinein auf den hof
wo du deinen kleinen platz fandest
in frieden und ruhe
mit all den anderen armen gerippen
die gelebt und jetzt
das makabre privileg hatten
drüben zu sein im jenseits
unter der erde
ich wollte es nicht wissen
wollte farbe sein unter farben
durch blumengärten spazieren
duft unter duft
baum unter baum
wollte vibrieren
wie der ball in der luft
der volleyball wie er waberte
seiner bestimmung entgegen
der bestimmungsort hieß
gegnerisches feld
das ihn freudig aufnahm
Peter Jagodczynski: Ganovenvisagen
Seht, wie sie feist grinsen,
dicke Zigarre in der Fresse.
Alles geht in die Binsen,
egal, Siegerpose für die Presse.
Seht ihre bösen, versoff‘nen Gesichter,
vom Regieren keinen Schimmer.
Doch in den Sesseln hockt weiter das Gelichter,
macht alles noch viel schlimmer.
Ob als Anziehäffchen für Edelzwirn,
oder als Alcapone-Verschnitt.
Wohl schon zu viel Rotwein im Hirn,
macht jede Medienscheiße mit.
Ein Spitzbube tauchte recht schnell unter,
vertrug er die Zigarren nicht?
Machte dann die Exkumpane runter,
weil er sich nun wähnte im besseren Licht.
Seht, die Wurstfresser grinsen ungeniert,
auch wenn so mancher aufgeflogen,
denn er war geschmiert.
Wird auf einen anderen Posten geschoben.
Big Boss in Übersee pafft selber gern Zigarre.
Gangsterbosse geben sich so wie sie,
seine Lakaien hart an der Kandarre.
Hoch lebe die Bürgerliche Demokratie!
[weiter mit Gedichten von Peter Töpfer:]
Das gegenseitige Glück
Es sieht so aus
als stünde es kurz vor der Vollendung
immer wenn es zum Greifen nahe ist
und wir uns an den Händen fassen
sieht es aus als
spielten wir verliebtes Paar
als sei dies die Generalprobe
mit der eigentlichen Besetzung
noch in der Garderobe
die Stars treten auf
immer nur in der Zukunft
in einem Stück namens
gegenseitiges Glück
immer wenn es soweit ist
flippt der Hauptdarsteller
weg von seiner Partnerin
hinein in einen anderen Film
ein persönlicher Dreh
in die Vergangenheit
immer wenn dem Glück
nichts mehr im Wege steht
mäkelt er an der Regie herum
muß er Dinge sagen
die nicht vorgesehen waren
ist er in einer anderen Rolle
von der Rolle
Die eigentlichen Gedanken, die Sekunde der wahren Empfindung, die Zeit
(Das Gedicht erschien zuerst in Sleipnir. Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik 4/95)
Die eigentlichen Gedanken
Sie schwingen immer mit
Sind immer gegenwärtig
In ihrer Ruhe und Größe
Sind sie die steinernen Riesen der Osterinseln
Um sie herum wirbeln allerhand unnötige umsonstige überflüssige
Fremde aufgedrängte aufgehalste und falsche Gedanken
Sie warten still darauf
Daß man sich ihnen zuwende
Und sie um Hilfe bitte
Dann muß man sie anschauen
Und wahrnehmen
Es ist alles nur Warten
Auf die Sekunde der wahren Empfindung
Die manchmal wiederkommt
Von einstens als sie immer dauerte
Und dann passiert sie
Bei einer Musik
Einem Geruch
Der die Erinnerung auslöst
Eine Farbe rot
Ein Gefühl
Die Sicht eines Tages
Das Licht einer Stimmung
Als ob die Augen mit der Welt Eins wären endlich sehen
Unvorbereitet
Huscht sie dahin
Blitzt etwas entlang
Etwas wie Freiheit
Was war es und
Wie kann ich es halten
Die Zeit
Hatte einst einen riesengroßen weiten
Gekrümmten Rücken
Und es dauerte ein Jahr
Bis man herum war Heute
Ist sie ein Raster, eine Buckelpiste
Eine Straße aus lauter Gräben
Die nicht endet
Frieden
Oh wie hasse ich und fürchte ich die Gewalt
ich meine die unfreiwillige
oder wenn die freiwillige außer Kontrolle gerät
wenn plötzlich der Kick vorbei ist
und die Rübe vom Rumpf rollt
woran man nicht so richtig gedacht hatte
ich weiß wovon ich spreche
ich kenne die Süße der Gewalt
war Hool und habe geboxt
aber ich kenne auch das Leid
der Kinder ohne Väter
ohne Mütter
kenne die Dunkelheit auf Dauer
des zerstörten Lebens
geht mir weg mit Eurem Härte-Kult
Ihr wißt nicht was Ihr sagt
wißt nicht wie sie wiederkamen
die Gepreßten und Freiwilligen
die lebendig gefallen und tot begraben sind
wißt nicht um den Schmerz des kleinen Mädels
das seinen Vater so liebte und brauchte
der jetzt unten liegt auf dem Meeresgrund
Und Ihr bleibt mir fern Pazifistenpack
die Ihr Latten von Ansprüchen Forderungen und Bedingungen habt
bevor Ihr zur Verhandlung erscheint
so viel ist er Euch wert der Frieden
so sehr wißt Ihr alles besser
so sehr seid Ihr eingebildet
und wißt wie der Frieden auszusehen hat
ihr würdet jedem die Eier schleifen lassen
und friedlich dabei zusehen
der nicht Eurer Meinung ist
wie der Frieden auszusehen hat
haut ab Ihr Scheißer
es hat nur einen ehrlichen und wahren Pazifisten gegeben
und das ist unser Held Rassinier
den Ihr totgeschwiegen habt
weil Ihr Euch zu Tode geschämt habt
aber er lebt
in unseren Herzen und mahnt uns
auch Euch Kassengeburten an den Tisch zu lassen
von dem Ihr uns noch mit Gewalt ausgrenzt
denn Ihr seid schlimm und könntet die Welt
in Schutt und Asche legen
Das innere Geheimnis
So hoch wie Rugby-Tore sind die Pallisaden um
Das innere Geheimnis
Sie stehen stolz und spitz und verrichten ihren Dienst
Niemand darf sich ihnen nähern
Niemand unwürdiges
Auch ich selbst nicht
Zu viele Schlammschlachten
Zu viel Dreck am Stecken
Es ist eine lange und gründliche Prozedur
Der Reinigung
Vor das innere Geheimnis treten zu dürfen
Sie dauert Jahre
Drinnen wartet es wie ein Baby
durch die Zeit die nie vergeht
jetzt verstehe ich
Warum keiner der atztekischen Krieger
die vielen Stufen hinauf
Und durch die dicken Mauern der Pyramiden treten durfte
Wo das Geheimnis begraben lag
Deutsche hinter welchen Mauern
Liegen eure Heiligtümer
Eure Ringe und Amulette gebunkert
Unter welchen Bergen Müll
Liegen eure reinen Seelen verschüttet
Ich hätte nie gedacht wie schwierig
Wie verschlossen der Zutritt ist
Mein Leben lang habe ich es auf zentnerschweren Bahren
Mit mir herumgetragen auf allen Prozessionen
Das kleine Geheimnis
Und tat so als bräuchte ich es nur anzuschauen
Um es zu lüften doch das war ein Irrtum
Es war bestgehütet
Es ging unter im Lärm der Umzüge
Im Gebrüll des Hosiannas
Es wußte nicht wie ihm geschah
Wir trugen es auf den Schultern und schwitzten
Das kleine süße Herz
Wie die Schweden nach Lützen
Dieses Alles
Keiner wollte es sehen
Nur bejubeln wollte man es
Man hätte sich ihm still nähern müssen
Wie auf Zehenspitzen
Keine Hymne keine Ode schreiben
Jede sekunde bereit
Hört das denn nie auf
Daß ich nie einschlafen kann
Nie ruhig sein kann
Ohne es als verrat an dir zu empfinden
Wenn ich einschlafe und ruhig bin
Heißt das nur
Ich brauche dich nicht
Aber ich brauche dich
Eigentlich brauch ich dich nicht
In diesen momenten
Ich könnte so ruhig sein
So selig einschlafen
Aber da schreckt es mich auf
Daß ich dich verlieren könnte
Wenn ich nicht jede sekunde bereit bin
Auf dich zu reagieren
Du sähest mich schlafen
ohne interesse an dir
wrestling federation
was den endgültigen beweis brachte
daß die zivilisation nur pisse ist
und all ihre beknackten apologeten
daß war heute die berichterstattung
über die neuesten kämpfe der
wrestling federation
als der undertaker
und sein kontrahent
ich schaltete gerade den fernsehrer
rtl 2
ein
an seinen namen kann ich mich
leider
nicht mehr erinnern
aber was sind schon namen
auf dem boden lagen
und sich nicht mehr bewegten
das dauerte
minuten
bis sich plötzlich beide
wie ein mann wieder aufbewegten
dazu diese genialen kommentare
und die reklame der sexnummern zwischendurch
und ich dachte kurz an
frank castorff
und
einar schleef
und wie sie alle heißen
dann ging plötzlich
der schiedsrichter
zu boden
die massen tobten
und die titten
waren geil
nulltarif
wrestling federation
für mich waren sie schon immer die größten
sophokles, rimbaud, villon,
ihr könnt sie alle vergessen
wrestling federation
stellt sie alle meilenweit in den schatten
der coach des undertaker
er sah aus wie der teufel
woher nehmen diese leute dieses talent
???
woher nur??
Andere wichsen zehn jahre auf schauspielschulen herum
oder an provinztheatern
oder an staatstheatern
aber hier die wrestling federation
das war alles real
ohne irgendeine regieanweisung
ich möchte den regisseur kennenlernen
und ihm den letzten nobelpreis überreichen
und posthum an céline
an bukowski an pessoa
an den regisseur der sexwerbung
céline wo bist du heute
soll ich dein wiedertäufer
dein wiedergänger
dein wiederkehrer
dein waldgänger werden
jünger
könnt ihr alle vergessen
der brave kiergegaard
jetzt ist die werbung vorbei
und die wrestler
machen weiter
es sind die realsten viecher
seit wilhem reich
nur diese sinnlosen muskelpakte
müßten nicht sein
aber er spricht gut
er spricht gut
kein vergleich mit schauspielschülern
wie sang prince einstens
nothing compared to you...
nein es gibt nichts genialeres als die kommentatoren von rtl2
nein das ist mein letztes wort
mister ass schraubte sich hoch
ließ sich elegant fallen
dann stemmte er ihn hoch
und atmete dann nur noch tief durch
als er ihn fallen
und am boden sah
und wieder kamen die kommentare
vor denen gerhard hauptmann
hendrik ibsen
mögen sie alle liebe kerle gewesen sein
nur verblaßten
wie mußten sie voller neid
auf ihren landvillen
rtl2 sehen
und daß sie es nie schaffen würden
was diese wahren künstler so nebenbei schafften
zu ehrlichen kommentatoren-tarifen
hier hält nur noch hamsum mit
aber eigentlich kannst du alle intellos vergessen
mister ass saß in der ecke
der x factor unterlag
”hervorragend gemacht,
ist das vielleicht der sieg??”
schrie der kommentator
der kommentator
als neuer superkünstler
george lucacs
drehte sich im grab vor vergnügen
er nahm all seine vorbehalte
gegenüber der brechtschen verfremdungstechnik zurück
bloch vergaß...
der president der wrestling federation blickte grimmig...
die ”einzige noch verbleibende super macht”
zeigte ihre wahre super macht
einzig in den bildern der wrestling federation
sie konnten nicht mehr getoppt werden
nicht mal von den bildern
der dauerwerbesendung
die schon nicht schlecht waren
die wrestling federation
schon dieser name
sprich es mir immer wieder vor
sag es mir noch einmal
wrestling federation
nenn mir all die namen
zeig mir die manager
zeig mir
die total verstrahlten fans
diese ehrlichen
direkten
völkischen
fans
mit ihren schildern
keiner würde je ahnen
was auf ihren schildern stand
oder was sie damit meinten
es stellte alles in den schatten
was rom gesehen hatte
was vietnam war
was auschwitz war
die wrestler waren die einsamen stars
die kommentatoren
die trainer
die manager
rtl2
alles war so perfekt
genial
schon dieses dahin gekritzelte logo
wf
dieses understatement
ich hörte es immer wieder
konnte nicht genug davon kriegen
meine freundin lag dahause
mit krebs
sie mußte sterben
aber ich sah nur die wrestling federation
ein richtiger wrestler
das gibt dir all die schmach zurück
die du glaubst erlitten zu haben
jetzt schalten sie um auf s/w
geschickt
auf diese idee wäre selbst charles chaplin nicht gekommen
wenn er buntfernsehen gehabt hätte
der holocaust grinste mich an
das ambiente der arena glitzerte
ihr erzähltet uns von talenten?
ihr erzähltet uns von kunst?
von tragödien
komödien?
Ihr sahet nicht die wrestling federation
wer sollte die psychogramme schreiben
von wrestlern, fans und officials?
Die tiefsten rätsel der westlichen zivilisation
als sie plötzlich den kampf die leiterkonstruktion des domes verlegten
wer verstand es
welche rollen spielte irgendein verständnis?
Bloch, marcuse, ihr könnt sie vergessen
amis
vergeßt endlich eure irak-einsätze
den kosovo
und euren komischen brzezinski
alles was ihr wirklich geleistet habt
war die wrestling federation
Gott ich war wirklich bereit
dir überall hin zu folgen
wohin dein wind mich trüge
da würde ich sein wollen
ich hatte nichts zu verlieren
und nichts zu gewinnen
Poesielbum 2. Teil
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