|
Kultur Zeitungswesen/Feuilletonismus
Peter Töpfer: Loide. Stille Sehnsucht der Intellos, zu den solidarischen Leuden zu gehören und sich aus der Ironiefalle zu befreien. Eine Zeitungsschau
(taz) und zu einem FAZ-Artikel von Diedrich Diedrichsen
Sah danach aus, daß ich etwas warten werden muß auf dem Sozialamt heute, ging also noch mal raus, mir wieder mal ’ne ZEITUNG zu kaufen. Der Mann im Kiosk zischte
schnell die Penner beiseite: „Ich habe: - Bild, - Berliner Zeitung, - Kurier, - taz...“ „Na gehm Sie mir mal ne taz!“ Die Wurstblätter nehm sich doch alle nüschd vom Unterhaltungswert her. Wunderte mich
noch, warum der mich so arschfreundlich angrinst: Irgendwann viel später zu hause stellte sich heraus, daß die vom letzten Sonnahmd war!, nämlich als ich da off’m Klo ’ne Anzeige lese von einer
„WOMEX – the worldmusic expo. Das Gipfeltreffen der Weltmusik [im ‚Haus der Kulturen der Welt’] mit...“
und jetzt kommt eine ganz Reihe von World-Musikanten, einer davon aus „Tuva“, der andere sogar aus „Rajastan“. Is ja wunderprimstens, aber kein einziger aus
der Lausitz oder aus der Oberpfalz! Komisch. Gestern, da „(ge)hörte uns die World“, und heute gibt’s uns gar nich mehr. Naja, wer’n wa bei ’ner schönen Gelegenheit dort mal mit ’ner
Horde Ethnogermanen aufzukroizen und draußen vor den uns verschlossenen Türen („Arier müssen draußen bleiben“) ’ne ordentliche Kroizpolka hinlegen: „Eins zwei drei vier fünf sechs sieben, wo is meine
Frau geblieben...“ Die wer’n sich vielleicht wundern, die Multikulti-Trottel! Machen wir, steht doch im Programm...
Jedenfalls stand in der Anzeige was vom 21. Oktober; war also schon vorbei, und wir müssen auf die nächste Gelegenheit warten... Aber paßt auf, irgendwann kommen wir!
Und das war auch der Moment auf dem Scheißhaus, daß mir dräute (?), daß der mir ’ne alte Zeitung verkauft hat...
Aber dafür lag ’ne CD „14 Jahre taz“ dabei: richtig Glück gehabt! Was soll ich mit ’ner neuen Zeitung? Wem ich also die CD nach was durchsuchen soll:
Melden! Soli wird groß geschrieben bei uns, gelle?
Komme also zurück in den Sozialamts-Warteflur und werde auch gleich reingerufen! Is definitiv nix mehr von wegen lange warten. Überall geht’s besser,
überall voran! („Get Ting So Much Bet Ter All The Ti Ime...“)
Schnell alles erledigt, sehr nett, meine Sachbearbeiterin..., weiß ja auch, daß ich Berufsverbot habe und eigentlich nüschd dafür kann... Draußen
treffe ich dann Kumpel L., der mir später NOCH ’ne Zeitung zustecken wird, zumindest ein paar Artikel aus der, nämlich der FAZ diesmal (aber dazu vielleicht später; überleg ich mir noch, ob ich auf den
Intello-Müll eingehe...). Richtijer Zeitungs-Tag heute!
Nu hab’ch die Zeitung gar nich gebraucht off’m Amt und renne rum mit diesem Stoß Papier! Wegschmeißen? Warum is’n die Zeitung überhaupt so dick? Ah ja,
die CD... – die nich wegschmeißen! Scheint’n Haufen Sonderzeugs dabeizuliegen... Ach Scheiße, nimm se jetz mit, wo’s’t’se jetz eema hast! Lieste ehmd mal ’ne Zeitung zu hause,
anstatt wieder auf der Haschmatte Langeweile zu schieben.
Bin ich etwa GEIZIG? Jetz muß ich schon ZEITUNG LESEN, nur weil ich 2 Mark 50 ausgegeben bezahlt habe!...
Ich also zu hause auf’m Klo mit der Zeitung. Mannohmann, hat jemand von Euch schon mal südafrikanisch gegessen? Meen Kumpel seine Nachbarin is von da unten, kocht
immer für so’n Multikulti-Zentrum; hat’n ganzen Topp übrig gehabt von dem Zeuch. Naja, is mehr oder weniger indische Küche; die Weißen ham da ja so viele Inder als verwaltende Mittelschicht oder so
runtergeschifft. Jetzt ham se ja ’ne andre Inder-Verwendung. Wir uns also – wolln ja ooch ma was von Multikulti ham, mal so rein kalorienmäßig – den ganzen Topp mit dem scharfen Zeuch
reingezogen!.... Ich habs gleich gemerkt, daß das nich gut gehen wird. Schon wieder der Geiz?! Was die Verarmung so aus einem macht!
Na, hab also Zeit, mir diese taz ma durchzublättern.
Was machen die denn für’n Terz? Haufen Sonderbeilagen und so, und hier noch’n Heft à la Groschenroman. Soll wohl lustich sein; alles Rotz. Ah ja, ich seh
schon: Werbekampagne zwex „Überleben“ wieder mal. Deswegen ooch die CD.
Was die so alles schreim!... Probleme ham die! Und über Palästina, das wußt ich auch schon alles ausm Fernseher. Also wegen mir kann die taz zugrunde gehn.
Ach hier, ’n ganzer Sonderteil, nur zum Thema Solidarität: „die solitaz“. Klar, das Leseschaf soll fürs Überleben sorgen, „Solidarität üben“, sich
noch’n bisken mehr scheren lassen für den Blödsinn. Ham se also ’ner ganzen Reihe von Schreiberlingen den Auftrag erteilt, sich was zu „Solidarität“ einfallen zu lassen. Allgemeiner Tenor:
Solidarität is out! Langweilig. Abgestanden. Leeres Wort. Uninteressant.
Na, die scheinen sich’s ja leisten zu können! Also bei Freund Röhler hier im letzten Sleipnir, gleich auf S. 1, da bedankt er sich bei Loiden, die, als er vor Gericht stand, Solidarität geübt haben
mit ihm. Klang gar nich so gelangweilt. Also unsereener, der brauch schon noch so was wie Solidarität. Alle andern ham’s scheinbar nich mehr nötig. Kriegen wahrscheinlich noch genug Geld, damit se nich für
nüschd schreiben müssen, aus Soli.
Natürlich darf Wiglaf Droste nich fehlen. Is wieder der Freche, kommt gleich auf den Punkt: „Das Unangenehmste an dem Wort Solidarität ist das moralisch
Erpresserische.“ After the motto: Also nu mal hurtig und sofort Soli geübt und die taz hier abonniert!: „Beutelschneiderei“. Mensch, Wiglaf, sei froh, daß es die taz noch gibt! Is doch auch mal’n
kleines Zubrot, oder? Naja, wirst vielleicht genug Bücher und CDs verkaufen. Aber in dem Falle kannste’s doch gleich sein lassen und auf so’ne Auftragsarbeit verzichten. Denn so inspirierend kann’s
nich gewesen sein; hab schon besseres gelesen von dir. „Solitätärätä“ gibt’s nich mehr, und „wenn es irgendeine internationale Solidarität gibt, dann ist es die der Arschgesichter“:
„Tschüssikowski, Soli!“
Seltsam, seltsam, diese gesättigten Altlinken scheinen’s wirklich absolut nich mehr nötig zu haben! Also ich hätte schon ein paar Gründe für nationale und
internationale Solidarität!... Da fällt mir doch ein, was ich gestern grad in einer Zeitschrift namens „Opposition“ gelesen habe: In einem Interview sagt Dugin dort, befragt nach dem Kern seines „Nationalbolschewismus’“ (und welche Rolle die Rasse darin spielt; is zwar off topic, aber ich laß’s mal interessehalber hier stehn): „Rasse besagt heute gar nichts. Rassismus muß zurückgewiesen werden. Alle Völker der Welt, alle Nationen müssen heute gemeinsam gegen den Liberalismus, die USA, die ‚Neue Welt-Ordnung’ von Gnaden der UNO und des internationalen Großkapitals zusammenleben. Alles andere wäre im schlimmsten Maße kontraproduktiv.“ Naja, die Oppositionellen MÜSSEN halt solidarisch sein, und das weltweit, sonst bleiben sie ewig Opposition und dürfen nie in der taz schreiben...
Aber hier wird’s intressant bei Wiglaf: „Solidarität“ sei „ausgelutscht“; stattdessen solle man doch von „Hilfsbereitschaft“ reden. Bei der
„zählt die Bande des Blutes ebenso wenig wie irgendein nationaler, patriotischer Murks“. Der macht’s genau wie wir: Wieder von ganz unten anfangen, Rückverwurzelung und Gemeinschaftsbildung aus dem
tiefsten Urschleim und der Sache noch’n schönen einfachen deutschen Namen geben: Balkanisierung und Renationalisierung à la NAPPD. Prima, Wiglaf, da möcht ich doch glatt hilfsbereit sein! Ja, die gegenseitige Hilfestellung; demnächst wahrscheinlich noch mehr.
Im nächsten Beitrag – ich nehm jetzt nur noch einen raus, hier geht’s um „ruinierte Solidarität“ –, das gleiche: Solidarität sei „verblichen“, „altbacken“, „grünspanig“, „anheimelnd“.
Warum les ich diese ganze Scheiße überhaupt?! Naja, überfliegen... Weit & breit sehn die kein materielles Bedürfnis nach Solidarität!
Autor Peter Fuchs schnüffelt wixenschaftlich der verschwundenen Soli hinterher, zwingt sich, dieses leere Wort mit Inhalt zu füllen. Aber wie stell
ich’s an? Hm. Bei Intellos geht das so: Tja, hm, also....: Soli gibt es nicht mehr. Was kann das früher nur gewesen sein? Fragen wir uns doch mal, was der Sinn der Solidarität sein könnte:
„Die Frage ist, wie man angesichts eines solchen Ruins [des Begriffes ‚Solidarität’] Remedur schaffen kann. Die Empfehlung der Systemtheorie wäre, diesen Versuch
als Frage nach der Funktion von Solidarität aufzufassen. Was ist das Problem, das wir konstruieren könnten [!], um das Schema der Solidarität als eines seiner möglichen Lösungen aufzufasssen?“
Christian Worch hat schon völlig recht: solche Intellos müssen mindestens einen Monat im Jahr in der Produktion. Ein Tag auf der Baustelle oder auch als
arbeitsloser Bauarbeiter, und der würde nie wieder im Leben auf die Idee kommen, sich ein „Problem zu konstruieren“. Die Schemata zur sehr wohl möglichen Lösung der realen Probleme würde er dann quasi vegetativ „auffassen“. Und was machen wa mit denen den Rest des Jahres, Christian, hä? Mein Vorschlag: Fünf Jahre Hilfestellung zur Auswilderung, dann sich selbst überlassen. Was meint Ihr, wie schnell die wieder wissen, was Solidarität ist?!
Foto und Text auf dieser Seite sind für uns Ethnoanarchos ganz intressant: „Eine Gruppe Yoruba-Kinder mit weiß bemalten Gesichtern wird von einem
‚Wesen’, dessen Gesicht verborgen bleibt, in einen heiligen Wald bei Sakete in Benin geführt. Dieses Foto symbolisiert für mich [Fotograf Henning Christoph] die Solidarität der Kinder untereinander. Die
Kinder, die hier in die Geheimnisse ihres Stammes eingeweiht werden, sind für den Rest des Lebens füreinander da, helfen und unterstützen sich gegenseitig.“
Reinster Nazismus, so was! Aufpassen, Henning, sonst wirst auch Du bald dazu kommen, Solidarität wirklich kennenzulernen, nicht nur Symbolisierungen...
Quatsch nich dußlich von „Geheimnissen“, sondern überleg Dir mal, ob Du nich auch ein Ethnodeutscher bist und eine geile Kultur haben könntest wie die da unten im Busch! Mich würde’s nich überraschen,
Dich demnächst übers Ziel hinausgipfeln zu sehen. Wirst wahrscheinlich bald was von Runen faseln, mit denen unsere Volxgemeinschaft mystisch zusammengehalten wird...
Oh Gott, dieser Intello-Scheiß! Kann man sich wirklich nur einmal im Jahr antun. Ich überfliege den Rest der Zeitung noch kurz:
Jörg Streichert: „Punk und Knast-Soli sind für die Jugend nicht mehr hip.“ Und was ist mit „Lanzer“? Sehr viele Jugendliche haben heute einen Kameraden im
Knast oder schon mal dort gehabt. Da kann schon mal so was wie Solidarität entstehen... Warum allerorten Nazipunk-Konzerte, die, wie letzte Woche erst wieder in Berlin, von SEKs gestürmt werden?
Klaudia Brunst sieht auch überall nur Eierkuchen und nirgends Gründe für Solidarität: Gemeinschaften lösten sich auf, verlieren Zusammenhalt und Solidarität, weil
„plötzlich von lauter Freunden umzingelt“.
„Fremde sind Freunde“, ja klar. Howard, du Rassistenschwein, schreib bloß Dein Lied bald um!
Man hat den Eindruck, die ganzen taz-Schreiber leben auf irgend’ne Wolke, wo sie sich glauben Probleme einreden zu müssen, damit es endlich mal wieder so was wie
Solidarität gibt. Ganz eigenartige Gefühlslage, diese Leute! Sehnen die sich nach was? Bald sehen wir die alle mit Fackeln durchs Brandenburger marschieren, schwör’ck euch.
Da! Hier geht’s schon los: „Großkundgebungen der Solidarität (Mahnwachen, Menschenketten, Rockkonzerte)“.... Leider gibt’s die nur aus
Anlaß von „Problemen“, bei denen die Leute „ironiefähig werden“ (Peter Fuchs). Auf deutsch: Auf Lichterketten kommen sich die Leute wie Trottel vor. Na wenn das ihr Gefühl ist... Die checken, daß
es nicht ihre Probleme sind, derentwegen sie zu Lichterketten rennen und sie sich diese Probs (noch) einreden lassen. Und zwar von Leuten, die wiederum ein echtes Problem damit hätten, wenn die Leute ihre echten Probleme erkennen würden. Im Moment hat offenbar keiner ein echtes Prob – so wie die taz-Schreiber...
Wie hieß das früher im linken Jargon? „Falsches Bewußtsein“? Das wird sich, bei den taz-Leuten langsamer, beim Lichterketten-Volk etwas schneller, bald auflösen
wie Nebel.
Fazit: taz: Teil der Vernebelung. Stirb!
Kucken wir uns noch kurz den besagten FAZ-Artikel an, den ich unbedingt lesen solle. “Was erzählst’nn mir das alles?!”, frag ich ihn. “Na, du bist der doch Aktivist!”
‘n Arsch bin ich! Der Kerl (L.) geht mir sowieso auf den Sack mit seiner dauernden Ohrabkauerei, was man alles machen müsse, daß man alles ganz anders machen müsse. Jetzt drückt er mir wieder diese Scheiß-Zeitung in die Hand, das sei wirklich sehr geistreich!
Intello-Scheiß isses! Auch hier, fast das Gleiche: Autor Diedrich Diedrichsen fühlt sich in der „Ironie-Falle“. Jetzt beschreibt er diese Falle. Es ist grausam.
Absolut grausam. Er philosophiert stundenlang über „eine dreiteilige Figur“, die er brauche, um über Ironie zu reden: Ironie I bis III. Das alles nur, weil er sich nicht getraut zu sagen, daß er den
Kapitalismus Scheiße findet! Da fühle er sich ausgelacht. Die ham scheinbar alle das Prob, sich lächerlich zu machen.
Nun will er offenbar all seinen Mut zusammenreißen und eine ironiefreie Kapitalismuskritik wenigstens anzudenken. Irgendwie hat er die Schnauze von
der Ironie voll, aber auf die Idee, einfach nicht mehr ironisch zu sein, wenn er nicht mehr mag, oder das Gegenteil, kommt dieser Intello nicht.
Ich habe dieses Problem vollständig gelöst. Es ist schon lange klar und beschlossene Sache, daß der Pogo-Dogmatismus entironisiert werden muß, und damit hat
sich’s. Das war eins der ersten Sachen, die ich Karl Nagel gesagt habe. Aus dem Unbekannten Affen, der keine Ironie kennt, werde – ich.
Auch er bemerkt die Irrealität, in der alle stecken, und die die Loide sich wie Trottel fühlen läßt: „Die Erfahrung der Lächerlichkeit des Gutmenschentums steckt allen
Betroffenen noch in den Knochen.“
Na, jetzt wissen wir, was wir am besten gegen die Gutmenschen machen können: uns über sie krank lachen! Immer schön ihre Trottelhaftigkeit ansprechen. Innen
drin wissen die genau, was Sache ist; sie schämen sich für ihre Trottligkeit. Das muß richtig reinfahren in die Knochen! Wir haben ja schon einige Vorschläge gemacht, wie das u.a. zu erreichen ist, und auch vieles
praktisch angewandt... Darüber kann hier nicht geschrieben werden; nicht nur, weil der Überraschungseffekt weg wäre in Zukunft (ach nein, da gibt es unendlich viel Stoff bei der totalen Verblödetheit der Deutschen),
sondern weil... Unsere Gefühlsguerilla-Aktionen sind sehr wirksam...
In der Vorbemerkung der FAZ zum Diedrichsen-Artikel heißt es: „Seit die in den achtziger Jahren zur Perfektion entwickelte Artikulation von Betroffenheit zum Klischee
verkam, ist Ironie zum beherrschenden Modus öffentlicher Rede geworden. In Politik und Kritik werden allein Ironiker noch ernstgenommen.“ (Schlingensieff, Harald Schmidt)
Ja, die Lage in Deutschland ist so schlimm, so festgefahren, die Luft so stickig. Was willst du heute schon noch sagen, ohne dich unmöglich zu machen? Demnächst rennen
hier nur noch Ironiker rum und alles lacht verbissen in sich rein.
Aber sind das unsere Probleme? Wir sind längst unmöglich und legen keinen Wert darauf, in diesem System möglich zu werden. Nein, das sind die Probs
der Intellos, dieser Huren des Systems. Wenn die mal ein bißchen mehr Mumm oder Würde (oder etwas weniger Geld...) hätten, was meint Ihr, wie schnell die ihr Ironie-Prob verlieren würden?...
Diedrichsen ist schon recht nah dran: Der sich lächerlich machende Gutmensch stecke in einem „Mißverhältnis von emotionalem Engagement und politischer Relevanz“,
das „niemand mehr erleben möchte“. D.h., der Gutmensch will endlich wieder Normalmensch werden, sich nicht mehr länger zum Trottel machen. Diedrichsen: „Meine Emotionen sollen statt dessen wieder mir und
meinem Selbstmanagement gehören. Das allein schon deshalb, weil sie da immer schon hingehört haben und erst von einer durchgeknallten Achtundsechziger-Kultur von ihrem angestammten Platz – Liebe, Familie,
Naturerlebnis und Kunsterschütterung – entführt und politisiert worden sind.“
Der Artikel trägt den Titel „Die Leude woll’n, daß was passiert“ (nach dem Rapper-Stück von Fünf Sterne Deluxe). Ja, die Leude wollen real sein, den Scheiß wegknalln und Ironie- und Solidaritäts-Probs vergessen. Die Loide wollen ihre Schnauzen aufmachen, wollen reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.
Für Diedrichsen sind die Leude, „der harte und härteste Faktor der Politik“. Er wünscht sich, daß sie auf die Barrikaden gehen, hat aber Angst, daß sie national
werden und verlangt das Verbot der NPD.
Er erhofft sich den Durchbruch der Leude zu ihren Selbsten und gegen den Kapitalismus, gegen das „Warenhafte“, aus dem nichtvölkischen subkulturellen Bereich.
Aber für die Leude, da sagte man früher Volk. Diedrichsen hat bestimmt „Bauchschmerzen“ bei diesem Begriff. Freut sich aber, daß endlich Loite wenigstens mit dem
Begriff „Leude“ kommen. Es ist egal, ob sich das, was sich „als diskursive Gestalt entpuppen“ wird, Leude oder Volk nennen wird. Beweglichere, intelligentere NPD oder radikalisierter deutscher HipHop
– scheißegal. Die Leude machen das schon. Vielleicht wird’s ’ne Konvergenz geben, Nazi-Rap-Cross over oder so was. War ja sowieso schon immer klar, daß der deutsche HipHop hundert mal nationaler
war als irgendwelche Nazis. Tiefennazis rule ok.
Die Pole rücken jedenfalls merklich aufeinander zu, verlieren ihre Inkompatibilität mehr und mehr. Ham wa ja auf der NPD-Mahnwache* gesehen.
PS: Es ging hier um die taz vom 21./22.10.00 und die FAZ vom 13.10.00, S. 46
* war gestern auf der npd-soli-mahnwache (gegen’s Verbot). War insofern ein
völlig neues bild, als antifas sich richtig zum stand hinbegeben haben, sich dort z.t. mit plakaten mitnmang die nazis aufgestellt und diskutiert haben. Nicht nur rufe aus den üblichen 200 m (die gabs auch), sondern
entspanntes und friedliches diskutieren. Ich hab mich dann mit meinem autonomen-outfit (war natürlich klar, daß ich wieder mal nicht reinkam zu den nationalen, da für die bullen böse zecke...) samt pallituch in die
u-bahn gesetzt, aber mit einem npd-luftballon in der hand. War kösltich, die reaktionen der leute zu beobachten. Am ende sprach mich ein antifa an, der fest davon ausging, daß ich gegen-npd-protestler bin, mir aber
den besonderen luxus dieses ballon-scherzes erlaube. Dann fragte er mich, weil ihm irgendwas nicht ganz kosher vorkam, auf welcher seite ich denn überhaupt dort war. Ich meinte, daß man eigentlich nicht so richtig
von zwei seiten habe sprechen können, weil alles vermischt war in fröhlicher disku-runde, daß ich aber natürlich für die existenz-berechtigung der nazi-demokraten bin. Naja, da schreckte er zurück, hatte plötzlich
mörderische angst vor mir... einmal fragte in einer diskussions-runde plötzlich ein beobachter, wer denn jetzt überhaupt linker, und wer rechter
sei...
|