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Briefwechsel und Gespräche

 

Briefwechsel Christian Worch - Peter Töpfer
(Auch in Buchform erhältlich: eigner verlag)

Teil 1
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Hamburg, den 6. November 1998

Lieber Peter!

Schon seit fast anderthalb Monaten wollte ich Dir schreiben, aber in dieser hektischen Zeit mit ihren vielfältigen Aufgaben bleiben leider so viele Dinge so lange liegen. Das tut mir gerade in diesem Fell sehr leid.

Du hattest mich am 19. September in Rostock angesprochen, wie ich dazu stehe, daß man Dich verbal attackiert und Dir sogar Schläge angedroht hat, weil Du Dich als ,,Anarchist” bezeichnest und an der Demonstration der NPD teilgenommen hast. – Meine Reaktion hierauf wird wohl nicht so ausgefallen sein, wie Du es hättest erwarten dürfen. Angemessen und richtig wäre gewesen, Dich zu bitten, mir die Leute zu zeigen, die sich Dir gegenüber so benommen haben, und diese zu konfrontieren und ihnen meine Meinung zu sagen. – Ich habe dies nicht getan, weil ich mit einer Vielzahl von Aufgaben im Zusammenhang mit der Mit-Organisation und Mit-Gestaltung der Veranstaltung befaßt war und deshalb ,,weder Kopf noch Hände” freihatte.

Aber wenn auch nachträglich – und wenn auch mit der beträchtlichlichen Verzögerung von anderthalb Monaten – möchte ich Dir sagen, wie ich zu diesem Vorfall stehe und ihn bewert.

Grundsätzlich finde ich es äußerst störend, politisch kontraproduktiv und philosophisch verheerend, wenn Meinungsverschiedenheiten statt durch eine halbwegs nüchterne Erörterung durch Androhung oder gar Anwendung körperlicher Gewalt geregelt werden sollen. Leider sind unsere Demonstrationen insofern fast nie friedlich, weil es Außenstehende (= politische Gegner) gibt, die sie gewaltsam zu be- oder verhindern versuchen. Gerade aber das verpflichtet meiner Meinung nach die Demonstranten selbst, ungeachtet ihrer konkreten Ansichten, zu Friedlichkeit im Umgang miteinander.

Nun ist es bei Demonstrationen des Nationalen Widerstandes fast immer so, daß sie von der Struktur der Teilnehmer her in sich geschlossen sind: Fast ausschließlich “ingroups” und höchst selten einmal neutrale Außenstehende, die sich solidarisieren und mitmarschieren. Geschweige denn jemand, der sich (akut oder früher) in einer Weise geäußert hat, daß man ihn als feindlich verortet.

Das Lagerdenken, das daraus resultiert, ist natürlich vielfach hinderlich.

Wünschenswert wäre es, dieses zu überwinden. Das ist aber ein schwieriger Vorgang. Denn die meisten der Aktivisten sind dadurch geprägt, daß sie nicht allein bei solchen Demonstrationen, sondern oft auch in ihrem persönlichen Umfeld oder als Einzelne auf offener Straße von militanten, antifaschistischen Anarchisten attackiert werden.

Daher ist die Überwindung der Denk- und Komnunikationsbarrieren, die das Lagerdenken mit sich bringt, eine schwierige Angelegenheit. Wie bei vielen problematischen Erörterungen ist sie um so schwieriger, je direkter sie stattfindet. Der Gegenüber, der – gleich aus welchen Gründen – nicht den Stallgeruch hat, nicht als ,,ingroup”, als Kamerad verortet wird, erweckt gerade in der angespannten Situation einer Massendemonstration zunächst einmal ein Empfinden von Störung, möglicherweise sogar von Bedrohung. Du hast die umgekehrte Erfahrung gemacht, als Du in Berlin eine Versammlung von Antifaschisten besucht hast, um mit ihnen sprechen zu wollen und als man statt mit Argumenten Dir mit Tränengas entgegengetreten ist. Der Kommunikationsmangel ist also einer, der beiden Lagern anhaftet; darauf hat keines davon das Vorrecht gepachtet. Es ist auch ein Mangel, der nicht spezifisch ,,links” oder “rechts” ist (oder spezifisch christlich, jüdisch, moslemisch o.ä.), sondern einer, der jedem “Lager” anhaftet. Das Instrument der Selbst-ghettoisierung als Reaktion auf (meist feindliche) Versuche der fremdbestimmten (Zwangs- )Ghettoisierung.

Meiner Meinung nach ist es notwendig, daß das ,,nationale Lager” der BRD in seiner jetzigen Konstitution eben diese ,,Lagergrenzen” sprengt; und damit zugleich auch des erwähnte Lagerdenken ablegt. Einer der Gründe, warum ich persönlich es begrüße, daß statt des Begriffs des ,,nationalen Lagers” oder der ,,rechten Szene” sich allmählich der Begriff des ,,nationalen Widerstandes” durchsetzt. Der Widerstand an sich steckt – vom Kopf her gesehen – jedoch noch in den Kinderschuhen. Er schmückt sich mit einem Begriff, den er noch nicht auf breiterer Ebene verinnerlicht hat; um es brutal zu sagen:Er nimmt damit eine Auszeichnung für sich in Anspruch, auf die er genau betrachtet zur Zeit noch kein Recht hat. (Ich sehe ihm – dem Nationalen Widerstand – dies jedoch nach. Denn auch unsere Feinde nehmen sich vieles heraus, sehr viel mehr sogar, wozu sie keine moralische Berechtigung und meistenteils noch nicht einmal ein formales Recht haben.)

Notwendiges Ziel wird es sein, an diesem Bewußtsein zu arbeiten. Respektive Bewußtsein zunächst einmal zu schaffen und es dann zu schärfen, weiterzubilden.

Das aber wird leider ein langer und stellenweise wohl auch dornenreicher Weg.

Wenn Du mir sagen kannst, wer Dich in Rostock auf diese Weise angesprochen, verbal angegriffen und bedroht hat, werde ich gern einmal versuchen, mich mit den Leuten in Verbindung zu setzen und dort vielleicht auch zu helfen, diesen Prozeß in Gang zu setzen. (Oder dafür zu sorgen, daß sie sich beim nächsten Mal ein wenig mehr zurückhalten, wenn’s schon nicht gleich zur Erkenntnis reicht.)

Mit besten Grüßen

 

 

10.11.98

Lieber Christian,

vielen Dank für Deinen Brief, der sehr ausführlich war und den ich für sehr wichtig erachte. Vorab möchte ich sagen, daß ich mich gern einmal mit Dir unter vier Augen unterhalten würde. Ich glaube, die Dinge, die ich mit Dir besprechen möchte, sind sehr wichtig; und dazu bedarf es des persönlichen Kontaktes.

Dein Brief trifft mich in einer Phase ziemlich schlimmen Liebeskummers. Ich hoffe, daß ich trotzdem angemessen auf Deine Gedanken eingehen kann. Aber auch das wird jenes persönliche Gespräch nicht entbehrlich machen.

Nein, ich war durchaus und rundum zufrieden mit Deiner Reaktion. Diese war völlig ausreichend. Daß es über diesen Vorfall hinaus Diskussionsbedarf gibt – darin stimme ich Dir hundertprozentig zu. Ich fand Deine Reaktion völlig richtig und weise und möchte Dir dafür danken. Ich mußte hinterher eine Menge Spott dafür einstecken: “Haste den großen Bruder zu Hilfe gerufen?!”...

Ich halte die persönliche Auseinandersetzung mit denjenigen, die mich unter Gewaltandrohung der Demo verwiesen haben, wie Du sie bedauerst, nicht getan zu haben, nicht für primär wichtig. Dieses Verhalten steht für ein strukturelles Problem. Obgleich ich diese persönliche Auseinandersetzung in dem Moment dort in Rostock natürlich für das einzig Sinnvolle gehalten habe und dann entsprechend mehrmals auf diese Leute zugegangen bin, mit ihnen das Gespräch gesucht habe und mit zweien von ihnen schließlich ein großes Maß an Einvernehmen gefunden habe. Diese Bewußtseinsarbeit (wie Du sie ja ebenfalls für dringend nötig hältst) sollte über andere, viel breitere Kanäle erfolgen, wenngleich ich der Meinung bin, daß dann wiederum der persönliche, der gefühlsmäßige Aspekt im Vordergrund stehen sollte (Rückgriff auf die Volksgemeinschafts-Idee). Daß diese Kanäle noch nicht existieren, dafür muß auch ich persönlich die Verantwortung übernehmen. Ich denke hier an eine Revision, eine Umgestaltung im großen Stil, deren Hauptsäulen lauten: Freiheit, freie Diskussion, Lebendigkeit, Echtheit, Ehrlichkeit, Offenherzigkeit, Liebe, Gefühl statt Ideologie.

Sehr richtig finde ich, wenn Du schreibst, daß, wenn auch politische Gegner Gewalt anwenden, diese nie von uns ausgehen und daß sie selbstverständlich erst recht nicht in unseren eigenen Reihen vorkommen darf – wenn wir den Anspruch haben, Pioniere des zukünftigen Deutschlands zu sein. (Abgesehen davon, daß es m.E. durchaus einen propagandistisch günstigen Effekt hat, wenn bekannt würde, daß es harte Auseinandersetzungen – zumal zwischen meinetwegen nationalen Sozialisten und nationalen Anarchisten (einem Novum) – im nationalen Lager gibt. Das würde dieses um vieles interessanter und attraktiver machen.)

Was Du zum ingroup-Charakter von Demonstrationen des Nationalen Widerstandes schreibst, trifft – leider! – die Realität und somit das ganze Problem. Auf dieser Demo in Rostock wurde skandiert: “Deutsche laßt das glotzen sein! Kommt heraus und reiht Euch ein!” Die Absurdität dieses Spruches liegt doch auf der Hand; es kann doch nicht sein, daß ich der einzige bin, der bemerkt, daß hier etwas grundsätzlich nicht stimmt und falsch läuft: Es ist ausgeschlossen, daß sich Deutsche einem Demonstrationszug anschließen, solange dieser aussieht, wie er jetzt (noch) aussieht. Und wenn sie es in Zukunft doch tun sollten (bei einer rapiden Verelendung denkbar), dann hätte ich sehr große Sorge um diese dann erstarkte politische Kraft.

Christian, ich muß an dieser Stelle einmal etwas persönlich werden. Ich glaube Dich aus einigen Schriften etwas zu kennen und schätze Dich sehr. Ich bemerke eine große Kluft zwischen Dir und dem sonstigen nationalen Lager bzw. dessen radikalem Teil, wie er sich darstellt. Du wirst das bisher nicht als prioritär empfunden haben, aber Dein Brief scheint mir zu zeigen, daß Du Dir dieses Problems sehr wohl bewußt bist und daß Du Handlungsbedarf siehst.

Lagerdenken: Du hast natürlich recht, wenn Du schreibst, daß dieses Lagerdenken überall anzutreffen ist. Aber: Wenn wir die positive, die lebensbejahende Kraft sein wollen (im Gegensatz zu resignativ-destruktiven Kräften, die auch gar nicht diesen Anspruch haben, die eh z.B. die Balkanisierung Deutschlands wollen), dann bleibt uns nichts anderes übrig als mit gutem Beispiel voranzugehen. Dann müssen wir es eben sein, die nicht müde werden, das Gemeinsame an unseren Schicksalen (d.h. den Schicksalen aller Deutscher) hervorzuheben. Dann müssen wir immer wieder das Gespräch suchen und daran erinnern, was geschieht, wenn wir nicht wieder zu einem solidarischen Volk werden und zusammenhalten. Und dann darf es keine Ausrede sein, daß die anderen uns attackieren, auch wenn es hundert mal wahr ist. Die Frage ist bloß, ob nicht die Resignation und die Destruktion auch mitten unter uns ist. Und diese Frage muß leider bejaht werden. Es wäre zu schön und einfach, könnten wir sagen: Die Nationalen sind lebenspositiv, die Antinationalen lebensfeindlich (auch wenn ich diese Einteilung im wesentlichen durchaus für realistisch halte). Und insofern meine ich, daß wir – wenn wir tatsächlich jenen Anspruch haben – auch dann noch selbstkritisch sein müssen, wenn uns andere angreifen. Was ist unser Anteil, unsere Verantwortung daran, wenn man uns angreift. (Das läßt mich an “Victimologie” denken, ein Punkt in der Worch-Lummert-Korrespondenz...) Wir kommen an diesen Fragen nicht vorbei, wenn wir – ich wiederhole es – tatsächlich den Anspruch haben, Pioniere einer wahren, einer freien Volksgemeinschaft zu sein. Wenn wir das nicht können, sollten wir es sein lassen. Einer “Volksgemeinschaft” unter Führung von Haßerfüllten oder von Haßcharakter könnte ich mich jedenfalls nicht zugehörig fühlen. Wenn Du (entschuldigend?) schreibst, daß dieses Lagerdenken jedem Lager anfhaftet, dann bin ich der Meinung, daß wir das nicht so hinnehmen dürfen. Wir dürfen nicht so sein, ganz gleich, was auch immer uns in ein Lager, ein Ghetto getrieben hat. Wer sonst soll damit Schluß machen, wenn nicht wir?

Das wird Dir alles nicht neu sein. Und ich weiß mich eigentlich im wesentlichen darin einig mit Dir. Aber ich wollte Dir nur mitteilen, für wie dringlich und wichtig ich dieses Problem halte. Und nachdem wir beide uns darin einig sind (daß die Lagergrenzen gesprengt werden müssen und das Lagerdenken abgelegt werden muß), komme ich zum nächsten Schritt, den auch Du in Deinem Brief bereits gehst. Nämlich: das Wie.

Ich verstehe mich als Linksradikalen im Nationalen Lager und erlaube mir, gewisse Zustände dort von der äußersten Linken her zu kritisieren und zu beeinflussen.  Das N.L. als mögliche Vorhut einer zukünftigen Volksgemeinschaft ist zu sehr rechts. Hier muß ein Korrektiv her. Aber ich bin nicht wegen irgendeines Korrektivs Anarchist, sondern ich bin es schlicht und einfach wirklich, ohne Hintergedanken oder strategische Überlegungen. Wenn es Linke oder Linksradikale in der N.L. nicht gäbe, müßte man sie aber erfinden. Denn ein erster Schritt weg aus diesem erstarrten Lager ist das Willkommenheißen von Nicht-Rechten im N.L., wie überhaupt das Willkommenheißen aller möglichen Leute, die sich nicht unbedingt als rechts, oder als Sozialisten o. drgl. verstehen. Ich habe mich selber willkommen geheißen, aber wie viele können dies nicht, bringen nicht die Kraft oder die Phantasie oder was auch immer auf? Wir können das nicht dem Schicksal überlassen; wir müssen diesen Leuten aktiv einen Ort geben, Angebote machen. Ich spreche jetzt nicht als Lobbyist von Linksnationalen, sondern als jemand, der an einer Gemeinschaft aller Strömungen, Flügel, an einem friedlichen Miteinander aller, der verschiedenen Schichten als auch der verschiedenen Träger von Temperamenten und Anschauungen interessiert ist.

Das wäre aber nur ein, wenn auch bestimmt relativ wirksamer und einfacher, pragmatischer wie auch programmatischer Schritt. Viel wichtiger ist der bewußtseinsmäßige Aspekt, den Du hervorhebst. Das Bewußtsein wandelt sich aber wiederum relativ schnell mit solch einer Maßnahme, wenn beispielsweise die Gefolgschaft vor die vollendete Tatsache gestellt wird, daß sie gefälligst die Anwesenheit auch von Anarchisten auf einer nationalen Demo hinzunehmen hat. Hier müssen Zeichen von oben erfolgen. Insofern begrüße ich Deine Initiative, mit jenen Leuten (die ich namentlich auch gar nicht kenne) reden zu wollen. Aber wir müssen hier in größeren Dimensionen denken und agieren (Kanäle...) Die nationale Publizistik muß hier die Vorreiterrolle spielen. Ein weiteres Zeichen könnte z.B. sein, daß – wie es oft bei linken Demos zu beobachten ist – die Ausrichter und Teilnehmer an Demos oder Initiativen ausdrücklich genannt werden – in der Einheit ihre Eigenheit bewahren. Glauben die Nationalen ohne Bündnisse auskommen zu können? Wenn nein: Wie gestalten sich konkret solche Bündnisse? Welches Verhältnis habe ich zu meinem Bündnispartner? Akzeptieren wir uns als Teile eines Ganzen, oder haben wir nichts anderes im Sinn als uns an die Stelle des Ganzen zu setzen und uns gegenseitig unterzubuttern?

“Notwendiges Ziel wird es sein, an diesem Bewußtsein zu arbeiten. Respektive Bewußtsein zunächst einmal zu schaffen und es dann zu schärfen, auszubilden, weiterzubilden. / Das aber wird leider ein langer und stellenweise wohl auch dorniger Weg”, schreibst Du. Ich möchte mich an dieser Arbeit gern beteiligen. Ich halte ihn nicht unbedingt für so schwierig. Es ist ein Umdenken gefragt/angesagt. Wir müssen nur wir selbst sein, uns so ausdrücken, wie uns der Schnabel gewachsen ist, uns menschlich zeigen, naiv. Ich muß Dir hier auch widersprechen: nicht so viel bilden, sondern sein, wie wir sind, unverbildet. Also mit dem Fluß (wir selbst, unsere Natur) schwimmen, nicht gegen ihn. Welche Vorschläge ich hier zu machen hätte (also weiter auf das konkrete Wie eingehen), darauf möchte ich beim nächsten Mal eingehen – möglicherweise sogar in einem persönlichen Gespräch. Ist Deinerseits zufällig ein Aufenthalt in Berlin geplant? Vielleicht kannst Du Termine verbinden: ? Ich komme sehr selten nach Hamburg, habe allerdings Familie auf halbem Weg dahin.

Bei der Gelegenheit lege ich Dir einen Artikel bei, der u.a. unsere Problematik tangiert, den ich Dir aber sowieso zur Kenntnis geben wollte, weil ich nicht sicher bin, ob Andreas ihn überhaupt noch verwenden will. Er liegt schon zwei Jahre oder noch länger auf Halde. Reiche ihn aber bitte vorerst nicht weiter, denn Andreas, falls er sich doch noch entschließen sollte, ihn zu bringen, legt Wert auf Exklusivität...

Ein kleines Beispiel dafür, was für mich Bewußtseinsguerilla im besprochenen Sinne bedeutet, findest Du unter http://www.vorplatz.ch/ (Diskussion).

Ich lege Dir auch einen Aufkleber und ein Plakat von Berliner Kameraden bei (“Nieder mit Faschismus und Antifa! Kameradschaft Kaulsdorf”). Find ich bemerkenswert.

 

 

Hamburg, den 1. Dezember 1998

Lieber Peter!

Vielen Dank für Deinen Brief, den Berliner Kameraden mir anläßlich der Demo am 28. November in Hannover übergeben haben.

Zunächst einmal stehe ich unter dem Eindruck, daß ein paar wünschenswerte Entwicklungen sich beinahe wie von selbst ergeben. Ganz “wie von selbst” ist insofern natürlich nicht richtig; es gibt schon Anstöße. Aber es sind Anstöße von außerhalb. Ich meine damit, daß Teile der ,,Szene” anläßlich der (zunehmenden) gegen uns gerichteten Verfolgung zumindest partiell zu reflektieren beginnen. Eine kleine Anekdote in diesem Zusammenhang. Drei Wochen vorher (am 7. November) hatten wir in Hannover eine Demonstration wegen der Tochter von Tanja Bayen, die wegen der Aktivitäten ihrer Mutter von der Waldorf-Schule verwiesen worden ist. Wie Du auch den beiliegenden Artikeln aus der örtlichen Presse entnehmen kannst, lautete eine Transparent-Aufschrift respektive ein Sprechchor ,,Sippenhaft ist abgeschafft”.

Auf dem Rückweg kamen nun einige Teilnehmer auf die nicht besonders geistreiche Idee, den Sprechchor zu variieren, indem sie forderten:

,,Sippenhaft für Waldorf-Lehrer”. Es ließ sich jedoch erfreulicherweise feststellen, daß es eine Minderheit von Teilnehmern war; die Mehrheit begriff von sich aus, daß so etwas ja nun nicht angehen kann: Auf der einen Seite Sippenhaft zu verurteilen, wenn sie sich gegen uns bzw. gegen die Tochter von einer von uns richtet, und auf der anderen Seite Sippenhaft gegen die Sippen derer zu fordern, die sich an der Sippenhaft beteiligt haben. Wir kämen mit so etwas in die schizophrene Situation derer, die fordern ,,Keine Freiheit den Feinden der Freiheit” und dabei mißachten, daß das spätestens dann willkürlich wird, wenn eine Instanz, eine gesellschaftliche Gruppe oder von mir aus sogar die absolute Mehrheit strenge Grenzen von dem definieren können, was in diesem Zusammenhang ,,Freiheit” sein soll.

Dir als einem, der sich als Anarchist definiert, werden diese Gedanken naturgemäß näher sein als Leuten, die Anarchie auf jeder Denkebene grundsätzlich ablehnen. Was insofern irgendwie befremdlich ist, als es schwierig ist, etwas nachvollziehbar abzulehnen, von dem man keine Vorstellung hat. Wir bemerken dies ebenso an unseren Gegnern als auch an vielen Äußerungen aus den eigenen Reihen.

Indes sind einige Fronten im Umbruch begriffen. Ich erinnere mich an einen Artikel über die Veranstaltung am 1. Mai in Leipzig, wo der Autor (berechtigterweise) darauf abhob und sich mit mildem Spott darüber ausließ, wie multikulturell teilweise die entschiedenen Gegner einer multikulturellen Gesellschaft daherkommen: Mit Tattoos (in englischer Sprache), mit amerikanischen Bomber-Jacken (Grüße an Bomber-Harris und seine Kollegen von jenseits des Teichs; namentlich die ,,Enola-Gay-Besatzung”), und dazu mit Frisuren, die der Nicht-Kenner einer solchen ,,Szene” eher bei Lagerinsassen erwartet hätte denn bei den Leuten, die als geistige Nachgeburten derer betrachtet werden, die die Lager begründet und betrieben haben...

Aber auch von der anderen Seite her sind Fronten im Umbruch begriffen. Da stellt sich ein Ex-RAF-Anwalt, Ex-Grüner und jetzt-SPDler, ein Neo-Innenminister Schily hin und erklärt, bezüglich der Zuwanderung sei ,,die Grenze der Zumutbarkeit überschritten”. Womit er sich noch radikaler ,,fremdenfeindlich” äußert als die als extrem verschrienen Republikaner; die sagen nur, ,,das Boot sei voll”, während Schily deutlich macht, daß es bereits übervoll ist... Und auch in diesem Zusammenhang von ,,Zumutbarkeit” zu sprechen, impliziert, daß Zuwanderung in dem zur Zeit erlebten Maße mit negativen Empfindungen verbunden wird, mit ablehnenden, ja, mit beinahe feindlichen... (Konsequenterweise müßte Schily das von ihm geleitete Innenministerium und den Inlands-Geheimdienst Verfassungsschutz jetzt anweisen, ihn, den Minister, zu beobachten...) – Oder wir erleben einen Ignaz Bubis, der Martin Walser (gestern in der WELT gelesen) mit Dr. Gerhard Frey oder Günter Deckert vergleicht. Nicht, daß das den Martin Walser jetzt in eine Front mit uns treibt. Das mag noch viele Jahre dauern; möglicherweise länger als seine natürliche Lebensspanne. – Aber es ist eben eine Tendenz, und ich registriere sie sowohl mit Interesse als auch – da bin ich Mensch, da darf ich’s sein! – mit einem gewissen Maß an klammheimlicher Schadenfreude. (Grüße von Mescalero und so...)

Nicht viel anders steht es ,,im eigenen Lager” mit einem, ich möchte es mal locker ausdrücken: Anbändeln an Nordkorea und die VR China.

Nun bergen solche Dinge natürlich die Gefahr in sich, daß Menschen, die sich nach einfachen Lösungen und Schwarz-weiß-Malerei sehnen, davon irritiert, vielleicht sogar desorientiert werden. – Auf der anderen Seite sehe ich das nicht als so dramatisch an. Denn die diversen Gegner sind meiner Meinung nach viel eher irritiert und orientierungslos. Denn sie müssen ja die ,,Faschismus-Keule” schwingen, um sich einer Erörterung zu entziehen und diese von vornherein abzublocken, in der sie wohl schlechtere Karten hätten als wir. – Was nicht heißt, daß die unseren unbedingt gut sind; Du erkennst den Unterschied zwischen absolut und relativ. Aber wenn ich nicht (absolut) gute Karten haben kann, dann ist es für den Anfang auch schon mal wertvoll, zumindest (relativ) bessere zu haben als die Gegenseite. Zumindest ausbaufähig; oder, wie man es modernistisch gern nennt: innovativ.

Indes ist, wenn man unter Druck steht, die Perspektive meist etwas verkürzt. Der Nationale Widerstand ist in einem interessanten Prozeß begriffen. Im umgekehrten Sinne könnte man dazu Nietzsche zitieren, mit seinen Worten vom freien Tod: von den wenigen, die zu früh sterben, und den vielen, die zu spät sterben; und noch fremd klingt die Kunde: Stirb zur rechten Zeit! – Viele dieser Entwicklungen kommen zu früh, noch mehr zu spät, und selten eine zur rechten Zeit. Die rechte Zeit ist, wenn der Druck von außen und die Expansion von innen her ein solches Spannungsfeld erzeugen, daß ähnlich wie in der Astronomie oder in der Kernphysik die üblichen Regeln (zeitweilig) nicht mehr gelten. Es ist schwer, für etwas den richtigen Zeitpunkt abzupassen. Oder, auf einer einfacheren Ebene, auch nur das Gespür dafür zu haben. (Im operativen Bereich predige ich seit beinahe zwei Jahrzehnten, daß der Zeitstrahl bei jedem Plan das entscheidende Moment ist. Und trotzdem wird er immer wieder vernachlässigt, auf eine teilweise sogar sträfliche Weise vernachlässigt.)

Hinzu kommt: Je schwächer (oder non-existenter) eine Organisation ist, desto mehr treten menschliche Schwächen und negative Eigenheiten zutage: Egoismen, Eifersüchteleien. Ich glaube, ein russischer Revolutionär sagte einmal: Sich einer in Bewegung geratenen Masse entgegenzustellen, ist unmöglich. Man kann sich höchstens an ihre Spitze stellen und dann versuchen, sie in die richtige Richtung zu lenken. (Primitiver ausgedrückt: Ideen oder auch Kritiken, die ,,von ingroups” kommen, werden ganz anders wahrgenommen als solche ,,von outgroups”.)

Ob die Publizistik daran etwas ändern wird? – Obwohl ich ein großer Freund der Print-Medien bin (allein schon aus Gründen des Alters, der Generation), glaube ich, daß diese dazu zu wenig flexibel sind. Mehr wird wohl über die elektronischen Verbindungen laufen – die Mailbox-Netzwerke und die Web-Seiten des Internets. (Wobei die Mailbox-Netzwerke zwar die ältere und weniger massenverbreitungsgeeignete Technik sind, aber von ihrer Struktur her kommunikativer.) Und natürlich auch über kleinere Gesprächskreise. Wobei letztere indes den Nachteil haben, daß man selten die richtigen Leute (numerisch und qualitativ; also eine kommunikativ interaktive Gruppe) auf einem Fleck beisammen hat. Und wenn sie von weiter her zusammenkommen, ist das wieder eine Frage von Zeitaufwand und Fahrtkosten. – Aber, da wir, der ,,Nationale Widerstand” in toto, in die Breite kommen, wird auch das wachsen.

Zunehmend natürlich mit Einflüssen die – traditioneller Denkweise folgend –,,von außen” kommen. Denk mal bitte an Horst Mahler, Ex-RAF-Anwalt, Ex-RAF-Aktivist – was der in der SÜDDEUTSCHEN von sich gegeben hat. (Und wie er kurz darauf im SPIEGEL verrissen worden ist. Wobei ich zugebe, daß ich nur den Verriß gelesen habe und nicht das Original, bzw. das Original nur in einem auszugsweisen Zitat. Aber da die SÜDDEUTSCHE im Gegensatz zum SPIEGEL nicht zu meiner regelmäßigen Lektüre gehört, ist klar, daß ich auf solche Dinge nur aus zweiter Hand stoße oder eben durch den SPIEGEL.) Oder an den allmählichen Trend von Klaus Rainer Röhl in Richtung zum ,,rechten” Protagonisten – richtiger wäre zum pro-nationalen Protagonisten zu sagen, denn der Begriff ,,rechts” ist ein bestenfalls einäugiger, schlimmstenfalls halbblinder. Auch Leute wie Dr. Oberlercher sind dazuzuzählen, der sich ja weiterhin als Marxist definiert, ohne daß dies auf nennenswerte Irritationen stößt. Oder, intellektuell eher durchschnittlich, aber persönlich sehr bemüht, der Michael Koth.

Das sind – noch – Randerscheinungen. Genauso, wie zur Zeit noch jemand eine Randerscheinung ist, der sich als Nationaler Anarchist bezeichnet, überhaupt irgendeine Art von Links-Nationalismus (ob nun im Sinne von National-Bolschewismus, National-Syndikalismus oder oder oder). Je mehr diese Tendenzen aber von der derzeitigen Randerscheinung zur – sagen wir mal: – ,,qualifizierten Minderheit” (qualifiziert hauptsächlich auch im quantitativen) Sinne wird, desto mehr wird das Phänomen bzw. seine Vertreter die Diskussion sowohl vorantreiben als auch herausfordern.

Es ist doch immer so, daß die Avantgarde (teils unter beträchtlichen persönlichen Verlusten) eine Bresche schlägt, der dann eine (zahlenmäßig schon breitere) Elite folgt, der wiederum dann im Optimalfall eine absolute oder zumindest relative Masse folgt.

Mein nächster Berlin-Aufenthalt ist am kommenden Sonnabend (5.12.) wegen der Freiheit-für-Schwerdt-Demo; danach habe ich eine Verabredung mit Andreas, von der aus ich dann Richtung Hamburg zurückfahre. Wann ich fahre, ist mir eigentlich egal, sollte aber noch am selben Abend sein, da ich am 6. wieder einen Termin in Hamburg habe. Insofern also fraglich, ob wir am 5. Gelegenheit zu einem Gespräch haben, wenn Du nicht ohnehin mit Andreas zusammen bist bzw. parallel zu meiner Verabredung eine mit ihm hast. –Wann ich danach das nächste Mal in Berlin bin, steht in den Sternen. Ansonsten können wir uns gern auch mal auf halber Strecke treffen, wenn Du dort einen Verwandtenbesuch machst. Vorlaufzeit von einer Woche reicht mir im Regelfall für eine Verabredung, die nicht weiter als etwa 150 Kilometer von Hamburg ist; außer wenn es an einem Wochenende ist, die sind meistens etwas länger im Voraus ausgebucht.

 

Mit besten Grüßen

 

 

5.12.98

Lieber Christian,

Ich danke Dir für Deinen Brief vom 1.12.

Ja, Du hast recht: Eine gewisse Entwicklung findet wie von selbst statt. Auch ich habe das bemerkt und bin davon begeistert. Dinge geraten in Bewegung, und es tut gut, es fasziniert. Und die Hektik, die ich manchmal entwickle, ist völlig fehl am Platz. Insofern eilt es – wie ich Dir bereits persönlich in Berlin sagte – nicht mehr so mit dem Vieraugengespräch. Wahrscheinlich erübrigt es sich gänzlich. Manchmal will ich einfach zu viel tun. Die Diskrepanz zwischen Dir und der Szene ist vielleicht doch nicht so groß, bzw. scheinst Du das – etwas weiser als ich – zu akzeptieren. Andererseits denke ich natürlich auch, daß die “Anstöße”, von denen Du sprichst, nötig sind. Und diese erwarte ich auch von den bewußteren Kameraden, von den führenden Kameraden. Anders geht es nun mal nicht. Und darum ging und geht es mir im Gedankenaustausch mit Dir. Das können durchaus sehr kleine, unscheinbare Anstöße sein. Ich denke sogar, daß sie um so effektiver, nachhaltiger sind, je persönlicher, unideologischer sie sind. Sie müssen aber Multiplikationen zur Folge haben (Publizistik). Es geht darum, die Leute zu ermutigen, selbst zu denken, selbst Verantwortung zu übernehmen. Die große Masse in der Szene folgt doch blind und selbstlos (: im schlechten Sinne des Wortes) der Führung. Viele gute Ideen und Initiativen blieben in der Vergangenheit sicherlich unverwirklicht, weil die betreffenden nicht genug Selbstbewußtsein hatten, bzw. weil sie dachten, das sei so nicht recht(s) so, nicht im Interesse der Sache, das könnte der Führung mißfallen o.drgl. Möglicherweise sehe ich das zu schwarz, habe ich auch zu wenig Einblick in die Szene. Mit der Szene bin ich erst seit ungefähr der mitteldeutschen Revolution in Kontakt. Ich kann mich täuschen, aber es ist mein Eindruck. Ich habe inzwischen einige Leute kennengelernt, die diesem etwas desolaten Bild nicht entsprechen. Aber diese Leute bzw. manche Bewegung in den Köpfen und Herzen kommen nicht durch wie es sein sollte. Die Führung sollte, wie bereits gesagt, mehr Ermutigung zu selbständigem Denken und Handeln geben. Das sollte im alltäglichen Leben stattfinden, wo man auch Zeit und Raum zur Korrektur hat. Denn selbständig und frei hat der schwarze Block z.B. am Sonnabend bei der Demo durchaus gehandelt, das kann man nicht anders sagen, und das ist auch das Sympathische an der Sache gewesen. Aber nichtsdestotrotz glaube ich, daß ihre Art Demo (ich meine das Kay-Diesner-Transparent) kontraproduktiv gewesen ist. Ich fand Deinen Umgang damit in Deiner Rede übrigens richtig. Man sollte hier (noch) nicht autoritär einschreiten, sondern stets das Gemeinsame herausstreichen und den anderen im Guten versuchen zu überzeugen. Dieses Transparent war m.E. ein Fehler; aber der Fehler, so groß er im Moment erscheint, mag auf längere Sicht einer von vielen sein, aus denen wir lernen bzw. gelernt haben werden. Dort, wo die Kameraden frei handeln (wenn es im genannten Fall keine Provokation war), werden oftmals Fehler gemacht. Deshalb meine ich: Diese (Expermintier-)Räume nach vorn, d.h. zurück in das Alltagsleben schieben, wo Fehler nicht verheerend sind.

Du schreibst zur “Sippenhaft für Waldorf-Lehrer”-Forderung, daß es erfreulicherweise eine Minderheit von Demoteilnehmern war, die diese stellten, und daß die Mehrheit von sich aus begriff, daß das wohl nicht angeht. Im konkreten mag das so gewesen sein. Aber im großen und ganzen bin ich mir nicht sicher, ob Sippenhaft nicht doch populär wäre bei gewissen Leuten. Du siehst: einmal habe ich Vertrauen in die Szene, einmal nicht. Und das Verrückte ist: Die glauben, damit ganz auf der Linie der Sache und im Einklang mit der Führung zu sein. Oft habe ich den Eindruck, wenn ich mit, zumal jüngeren, Kameraden rede, daß diese wie in einem Zwang glauben, einem gewissen Bild entsprechen zu müssen (was eher von den Systemmedien gezeichnet ist als von irgendjemand internem), um gute Kameraden zu sein, und daß sie oft genau das Gegenteil von dem von sich geben, was sie innerlich denken. Das ist natürlich kein Zustand. Oft gipfelt dies in einem gegenseitigen Bestätigen von Verhaltensmustern, Ideologemen usw., wo die Kreativität, die Effektivität und logischerweise der Erfolg auf der Strecke bleiben. Du wirst es vielleicht nicht für möglich halten, es abstreiten oder zumindest relativieren, aber das sind meine Erfahrungen.

Das Problem ist wieder einmal ein strukturelles: Wenn nämlich Kameraden Sippenhaft für Waldorf-Lehrer fordern, dann weil sie das – wenn auch nicht in tieferen Bewußtseinsschichten – tatsächlich so für richtig halten. Es ist also keine Frage der Taktik oder der Propaganda, sondern ein tiefer liegendes. Bei insbesondere NSlern hat man in der Tat eine etwas – für mein Gefühl – komische Vorstellung von Volksgemeinschaft, sprich: Man glaubt, sich an die Stelle des Ganzen setzen zu dürfen, müssen, sollen – wie auch immer. Und mein “Vorwurf”, d.h. mein Kritikpunkt zielt hier auf die Führung, die m.E. in der Vergangenheit nicht genug dafür getan hat, daß die entsprechenden Kameraden bzw. deren volksfeindlichen Haltungen kritisiert worden sind, bzw. daß die Führungskameraden mit ihrer Meinung, die von der Gefolgschaft abweicht, hinterm Berg gehalten haben. Möglicherweise überschätze, idealisiere ich hier die Führung bzw. setze sie mit Deiner Person in eins, was sicherlich völlig falsch und unrealistisch ist (ich erinnere mich an das, was Du Lummert über ein gewisses Führerthing berichtet hast, auf dem Du nicht vorgelassen wurdest). Dann wäre die Lage noch kritischer. Wahrscheinlich ist es sogar so. Ich muß sogar ehrlicherweise sagen, daß ich nur in Dich Vertrauen habe. Vielleicht liegt dies auch daran, daß ich die anderen nicht genügend kenne. Aber schon darin liegt ihr Versagen. Warum hast nur Du Dich so darstellen können, wie Du es getan hast? Wer sonst würde mit einem Lummert korrespondieren, wer einen Artikel über Asyl-Neger schreiben, wie Du’s getan hast. Vielleicht bin ich auch nicht genug machiavellistisch, d.h für mich: zynisch. Ich bin der Meinung, daß alles, was an den Menschen vorbeigeht, im Endeffekt daneben geht bzw. schlechte Ergebnisse erzielt. Ein wirklich souveränes, freies und glückliches deutsches Volk setzt Echtheit, Ehrlichkeit, Freimütigkeit, Kreativität jedes einzelnen Volksgenossen voraus. Du magst das als maximalistisch und unrealistisch kritisieren. Da könntest Du recht haben. Es wird wohl auf einen Kompromiß hinauslaufen müssen. Aber das Ziel sollte man nie aus den Augen verlieren. 

Ich habe übrigens das Gespräch mit Leuten vom schwarzen Block gesucht, und man hat mir auch zugehört. In der Hitze und Kürze des Augenblicks konnte mir natürlich nichts gelingen, aber zum Nachdenken angeregt habe ich sie schon (wie es hoffentlich auch Deine Rede getan hat). Und zwar bin ich ehrlich und von meinem Gefühl ausgehend auf sie zugegangen und habe Verständnis gezeigt, daß sie aus Freundschaft und Treue zu ihrem Kameraden Diesner heraus handeln. Das ehre sie. Ähnlich hast Du es ja getan. Es ist mir ehrlich gesagt nicht richtig gelungen, darzustellen, inwiefern hier von den Kameraden in schwarz zwei Dinge durcheinandergebracht werden, die miteinander erst einmal nichts miteinander zu tun haben, nämlich Diesner und Schwerdt. Und daß die Sache Schwerdt, also die Sache, um die es ja auf der Demo eigentlich ging, Schaden nimmt. Möglicherweise muß hier die NPD dafür sorgen (notfalls auch mit Gewalt), daß ihre Demo und ihre Sache nicht Schaden nimmt. Daß die NPD dazu momentan nicht in der Lage ist – ist das Problem: Sie lebt ja von den freien Strukturen. Bei aller Sympathie und Mitgefühl für die “sozialistischen Zellen” sollte ihnen vielleicht gesagt werden, daß sie bitteschön selbst eine (Diesner-)Demo machen sollen.

Daß Kameraden multikulturell gefärbt auftreten, stört mich persönlich nicht besonders. Einflüsse aus anderen Kulturen sind etwas völlig normales. Ich habe nicht nur nichts dagegen, wie sich wer auch immer kleidet und gibt, sondern ich finde es schlecht, wenn irgend jemandem irgend etwas vorgeschrieben wird (auch mittels “mildem Spott”) – was natürlich wieder nur dessen eigenes Problem wäre. Natürlich würde ich es sehr gern sehen, wenn unsere deutsche Kultur wieder lebendig würde. Wo ich aber das Problem sehe, ist hier: Es ist verheerend und schlimm und unakzeptabel, wenn gewisse Leute (egal, wer das konkret ist) das Monopol auf den Nationalen Widerstand und diesen gepachtet zu haben glauben. Auch das Argument, diese Kameraden seien am längsten dabei und hätten sich diese Rolle erkämpft und verdient, zählt für mich nicht. Denn Gutes für Deutschland haben nicht nur die getan, die politisch aktiv waren (wenn auch an vorderster Front und mit Opfern; ich stehe jeder Politik skeptisch gegenüber), sondern Millionen, die einfach rechtschaffen und in Liebe zu Familie und Volk gelebt haben. Und wenn sich jetzt oder in Zukunft Leute politisieren und dem Widerstand zugesellen wollen und dies ihnen aber vergällt wird, weil sie nicht einem gewissen Bild entsprechen, dann handelt diese bisherige Avantgarde volksfeindlich. Kurze Rede überhaupt kein‘ Sinn: Skinheads: ja. Aber Nichtskinheads: selbstverständlich auch ja. Die Typen, die sich pikiert von Skinheads abwenden, sind sowieso Scheißer, denen ich wiederum keinerlei Macht wünschen kann.

Auch das Thema SPD/Schily/Mahler wird hiervon tangiert. M.E. gehören diese Leute zum N.W. Was soll dieses eifersüchtige Ghetto-Denken?! Ich habe keinerlei Schwierigkeit damit, Schily als Kameraden im N.W. zu betrachten. Parteimitgliedschaft oder sonst etwas interessiert mich überhaupt nicht. Schily hatte sich für mich schon vor etwa zwei Jahren als echter Patriot geoutet, und zwar in einer Rede im Bundestag, als es – wenn ich mich recht entsinne – um Wehrmacht, Vergangenheit usw. ging. Da hat er eine bedeutende und beeindruckende Rede gehalten, ganz persönlich, über seine Familie usw. Weiß Du, welche ich meine? Was Du in Deiner Rede zu Mahler gesagt hast, stimmt so auch nicht. Mahler ist im Widerstand, auch wenn er für meine Begriffe noch nicht genug in die Offensive geht, feige ist. Was war und gewesen ist, ob er bei der RAF gewesen ist, spielt überhaupt keine Rolle. Ob er in Zukunft eine größere Rolle in diesem Widerstand spielen wird, ist allein seine Entscheidung. Aber daß er bereits im Widerstand ist, ist fraglos. Du schreibst: “Nicht, daß das den Martin Walser jetzt in eine Front mit uns treibt.” Doch!, erwidere ich. Ich zumindest sehe mich in einer Front mit ihm. Warum denn nicht? Was motiviert Dich, so etwas zu schreiben? Worüber empfindest Du Schadenfreude? (Ganz unabhängig davon ist Walser auch überhaupt kein Schaden entstanden. Im Gegenteil: Er genießt Ehrungen und Anerkennung. Und das ist ja das eigentlich Erstaunliche an der Sache: daß der überhaupt so einen Preis bekommt! Das zeigt doch, wie weit wir schon sind. Denn schon lange vorher war Walser ein echter Deutscher und Patriot.)

Die ganze Sache mit Nordkorea, China usw. halte ich für nicht so wichtig. Wichtiger ist, was bei uns, von uns aus, aus der Mitte des Volkes heraus geschieht. Natürlich sind das die Vorläufer einer souveränen Außenpolitik. Aber auch das alles geschieht “wie von selbst”. Sieh Dir nur Außenminister Fischer an zur Zeit! Es ist völlig gleich, was einer für eine “Weltanschauung”, was für eine Vergangenheit, was für ein Parteibuch usw. hat. Völlig unwichtig! Das Entscheidende wirkt in der Tiefe. Die Sache mit Nordkorea und China war einen Augenblick lang lustig, originell. Aber man sollte wieder schnell davon loskommen. Denn es wäre schlimm, würden wir mit Kommunismus in Verbindung gebracht werden – was die Systemmedien prompt auch tun.

Daß die diversen Gegner viel eher irritiert und orientierungslos sind als die eigenen Leute, ist nur bedingt richtig. Die sind es m.E. noch längst nicht. Freuen sich eher, wenn sie Nachrichten von rot-braunen Bündnissen bringen können. Ich gebe Dir natürlich prinzipiell recht. Aber leider sind wir längst noch nicht so weit, daß das System ernsthaft in Bedrängnis gerät. Das würde es erst, wenn z.B. meine Idee aufgegriffen würde und eine AG Antifaschismus im N.W. Wirklichkeit würde. Aber dazu fehlt es – leider! – an echtem Willen. Erst dann, wenn wir wirklich so freiheitlich rüberkämen (“frei, sozial und national!”), würde es den Leuten schwer fallen, die Fascho-Keule zu schwingen. Ich will damit nicht den Eindruck erwecken, wir sollten dies aus taktischen Gründen tun, zur Irritierung des Gegners usw. Ich bin der Meinung, daß wir tatsächlich gegen alles Faschistische ankämpfen sollten (mit den “Waffen” der Liebe). Natürlich alles Faschistische: Und darin läge der Hase im Pfeffer! Die würden sich umkucken! Christian Worch mit 5 ½ Jahren Knast als Opfer des Faschismus! Ich bin der Meinung, daß das deutsche Volk berechtigterweise antifaschistisch ist, daß die antifaschistische Erpressung zurecht funktioniert, wenn es auch nicht die wahren Gründe für diesen offiziellen Pseudo-Antifaschismus sehen kann. Der Begriff “Faschismus” ist m.E. wichtig. Die Keule muß mit doppelter Kraft zurücksausen!

Die Zeit ist immer dann recht, wenn der Instinkt da ist. Alles andere sind hybride Berechnungen, die eh – und gottlob! – nicht funktionieren. Was Du schreibst, ist zwar richtig, aber Du kannst den Zeitpunkt nicht kognitiv ermitteln. Man muß mitgehen, fließen, sich vom Instinkt leiten lassen. Natürlich die Signale des Intellekts nicht überhören; das ist klar. Ich muß hier aber zugeben, daß ich mich zu wenig auskenne, daß ich hier zu wenig Ahnung habe. Noch dazu bin ich in Politik völlig unerfahren. (Ich habe auch keine politischen Ambitionen.) Ich kann Deinem Gedanken über den Zeitstrahl auch nicht recht folgen. Aber daß Du vergebens predigst, daß wundert mich nicht... Was kann man da tun? Ich weiß es nicht. Weiß, wie gesagt, auch nicht recht, worum es Dir dabei geht.

“Je schwächer eine Organisation ist, desto mehr treten menschliche Schwächen und negative Eigenheiten zutage”, schreibst Du. Richtig. Deshalb muß die Organisation (die Bewegung) eben unbedingt größer, breiter werden! Aber wem sage ich das? Dich trifft am wenigsten der Vorwurf, denn Du tust das Deine. Aber vielleicht noch nicht genügend nach außen.

Was die “ingroups” anbelangt, so bin ich grundsätzlich kritisch und mißtrauisch diesen gegenüber. Ich glaube, diese haben den Kontakt zur Wirklichkeit verloren. Ich gehöre jedenfalls keiner “ingroup” an und möchte dies auch nicht. Es ist mir ganz einfach zu armselig. Die Welt ist viel weiter, breiter, bunter, offener. Ich kann doch davor nicht die Augen schließen.

Mit Publizistik meine ich natürlich alle Arten der Öffentlichkeitsarbeit, inklusive selbstredend auch und für uns von besonderem Interesse das Internet. Was ich meinte, war, daß überhaupt mehr Öffentlichkeit hergestellt werden sollte, daß bestimmte persönliche Diskussionen in unseren Kreisen in die Öffentlichkeit getragen werden sollten. Ich bin mit der nationalen Publizistik sehr unzufrieden. Ich gehe davon aus, daß das Zentralorgan von Kameraden Deines Umfeldes gemacht wird. (Der Ironie des Titels folgt leider nicht viel Geistreiches. (: Das klingt vielleicht polemisch, ist es aber wirklich nicht. Mit “Geist” meine ich vor allem Witz, Sprunghaftigkeit, “Verrücktheit”.) Auch hier sehe ich wieder diese Riesendiskrepanz im Bewußtsein. Ich finde, die Organe des Widerstandes sollten sich einmal eine Scheibe abschneiden von den diversen Zines. Es mangelt m.E. an Freimütigkeit, Offenheit, Kreativität. Es sollte mehr ein Stil “frei-von-der Schauze-weg” gepflegt werden. Es gibt viel zu viel Ideologie. Ich glaube Dich als Nicht-Ideologen zu kennen, und deshalb schätze und anerkenne ich Dich auch. Kannst Du nicht mal Deinen Einfluß geltend machen?

Die Mailbox-Netzwerke sind doch so betrachtet im Internet (als Newsgroups) vorhanden! Das Netz enthält das doch alles. Seit Monaten will ich meine Seite aufmachen... Da wird es natürlich auch ein Diskussions-Forum in der Form einer Newsgroup geben. Ich hoffe, daß ich es nun doch demnächst mal schaffe!...

Röhl gefällt mir nicht so gut wie beispielsweise Mahler. Aber das ist völlig wurscht. Der einzige aus dieser Generation, der das ganze Affentheater nicht mitmacht, ist Oberlercher. Alle anderen sind doch letztlich Weicheier.

Der Begriff “rechts” sei “bestenfalls einäugig, schlimmstenfalls halbblinder”, schreibst Du. Aber auch Du hast ihn in Deiner Rede verwendet, wenn auch mit dem Zusatz “national”. Aber national ist eben nicht rechts. Es gibt Rechte, und es gibt Linke. Das ist eine Tatsache. Eine anthropologische. Die Menschen sind in ihrem Temperament unterschiedlich. Aber jetzt müßte ich zu meiner Definition von rechts und links kommen... Ich hab aber nicht einmal Bock, diese Definition auch noch beizusteuern. Wir müssen es einfach so akzeptieren. Alle gehören einfach dazu, egal, als was.

Ich habe nicht vor, den Nationalanarchismus zu quantitativer Bedeutung gelangen zu lassen. (Obwohl ich natürlich doch davon träume, im Fahnenmeer einer nationalen Demo auch die schwarz-rote Fahne der Anarchie flattern zu sehen!...) Wenn ich mich als Anarchist bezeichne, dann, weil ich nicht lügen will, weil es die Wahrheit ist. Es ist eine Grundhaltung, auf der ich durchaus auch punktuell zum Etatisten werden kann. (Dahingehende Vorwürfe muß sich ja neuerdings auch der bisherige große Held des Anarchismus, Noam Chomsky, von Möchtegernanarchisten gefallen lassen.) Ich will niemanden überzeugen, überreden, übergehen; wenngleich ich meinen Beitrag leisten will. Anarchismus heißt vor allem auch Pluralismus. Mein Beitrag könnte einer in Richtung Pluralismus sein. Ich verfolge keine Ziele. Bin eher pragmatisch orientiert, an Lösungen (das ist übrigens ein weiterer Punkt, den ich an Dir so schätze; ich hoffe, Dir da ebenbürtig zu sein). Die könnten mitunter durchaus sehr konservativ, autoritär aussehen. Anarchie ist für mich nicht “machbar (Herr Nachbar!)”, sondern sie ist, oder sie ist nicht. Im übrigen ist sie in hohem Maße immer vorhanden. Die Wirklichkeit ist doch erheblich anarchischer und unbeeinflußbarer, als man gemeinhin, insbesondere bei Etatisten, annimmt. Naja, das spielt jetzt alles keine Rolle.

Entschuldige, daß es ein so lange Brief geworden ist. Du brauchst nicht so ausführlich antworten. Alles fließt, tut sich “von selbst”, ist schon in Ordnung.

Gruß!

 

 

Hamburg, den 10.12.1998

Lieber Peter, vielen Dank für Deinen Brief vom 5., den ich gestern erhalten habe.

Sicher war das Diesner-Transparent in gewissem Sinne eher kontraproduktiv.

Auf der anderen Seite sind vielfältige Aspekte zu berücksichtigen. Da ist einerseits das Recht der Minderheit, nötigenfalls auch gegen die Vorstellungen oder Interessen der Mehrheit ihre Meinung zu äußern. Und andererseits kann nicht zugelassen werden, daß die NPD aus ihren eigenen parteiischen Gründen heraus bestimmt, was auf Demonstrationen gezeigt werden darf oder was nicht. Immerhin handelte es sich hierbei um eine Solidaritätskundgebung des ganzen Nationalen Widerstandes, zu der auf Bitten der JN-Bundesführung ausdrücklich auch die Berliner Kameradschaften, das Norddeutsche Aktionsbündnis, der Thüringer Heimatschutz, die freie Kameradschaft Gera und andere aufgerufen haben. ,,Die Federführung haben” heißt für mich noch lange nicht, ,,alles bestimmen dürfen”. Die NPD hat teilweise noch nicht gelernt, mit Bündnissen umzugehen. Es gibt so etwas nicht zum Nulltarif. Genau, wie die freien Kräfte gewissermaßen von der NPD ,,benutzt” werden, ,,benutzen” diese umgekehrt auch die NPD. Das könnte im Idealfall den Charakter einer Symbiose haben. Der Idealfall, das richtige Gleichgewicht, ist jedoch immer schwer zu finden.

Es ist zur Zeit noch nicht bekannt, ob oder wie die NPD auf diesen Vorgang zu reagieren gedenkt. Am nächsten Wochenende ist eine Parteivorstandssitzung, wo das Thema sicherlich aufkommen wird. Wir sehen dem mit Gelassenheit entgegen. Denn selbst wenn die NPD durch diesen Vorfall ihren bisherigen Kurs den freien Kräften gegenüber zu ändern gedenkt, dann wäre das in erster Linie der Schaden der NPD und nicht der freien Kräfte. Wie Du richtig gesagt hast, lebt die NPD von diesen freien Kräften. Ohne diese Unterstützung wird es für die NPD sehr schwer, sich gegen ihre größeren parteipolitischen Konkurrenten DVU und REPs auch nur halbwegs zu behaupten. – Im Grunde genommen sind wir also sogar noch in einer stärkeren Position als die NPD. Das aber wird von vielen meiner Kameraden so nicht gesehen; da herrscht eher ein wenig die Angst vor, instrumentalisiert zu werden und hinterher als der Mohr dazustehen, der seine Schuldigkeit getan hat und gehen darf. – Ich finde es immer wieder lustig, wie viele Leute diesen Mohren (genauer: den Fiesco) zitieren, ohne Schillers Drama wirklich gelesen zu haben. Dann wüßten sie nämlich, was der Mohr tat, nachdem er ,,gegangen wurde”, und ebenso wüßten sie, welche Folgen des Fiescos Selbstherrlichkeit für ihn gehabt hat – ,,Was, der Mantel fällt?! Nun, so mag der Fürst ihm folgen...”

Die Vorstellung, daß die Jungs mehr im alltäglichen Leben selbständig denken und handeln sollten als auf Demos, ist natürlich schwer realisierbar. Auch die Anregung, warum hätten die Jungs von der ,,Transparent-AG”, wenn ich es mal so nennen darf, nicht eine eigenständige Kay-Diesner-Demo angemeldet, ist leider etwas realitätsfern. Zum einen wäre zu befürchten gewesen, daß sie ein Verbot kassiert hätten. Und für eine kleine Gruppe ist es sehr schwer, sich dagegen zu wehren. Und zum anderen wäre eine Klein-Demo in Berlin allein aus Gründen eventueller feindlicher Aktivitäten nicht gerade zu empfehlen. Da war es für die Jungs aus ihrer Sicht bzw. aus objektiven Gründen schon sinnvoller, sich innerhalb einer größeren Demo als Minorität zu präsentieren und ihr Anliegen öffentlich zu machen.

Daß das bei Funktionären der NPD auf dermaßen große Erregung stoßen würde, haben sie sich vorher sicherlich nicht vorgestellt. Wahrscheinlich sind auch sie (wieder einmal; will sagen: wie so viele von uns so oft) einem Irrglauben über die NPD unterlegen. Dem beispielsweise, daß die NPD die politische, vor allem aber auch innere und mentale Stärke hat, so etwas souverän zu handhaben. Die NPD indes weiß noch gar nicht, was sie will. Das aber manchmal mit aller Kraft...

Und verheerende Fehler?! Das ist teils subjektiv, teils situativ. Wenn es keine Auseinandersetzung um dieses Transparent gegeben hätte, hätten die Medien möglicherweise darüber gar nicht berichtet. Der ,,Tagesspiegel” tat es wohl hauptsächlich deswegen, weil er süffisant darauf hinweisen konnte, ,,da hätten sich die Kameraden in die kurzen Haare gekriegt”. – Wenn ein NPD-Funktionär den Vorgang ,,katastrophal” nennt, kann es sein, daß er allein deshalb eine ,,Katastrophe” heraufbeschwört, weil er es so nennt. Das wäre dann richtig hausgemacht.

Führung: Hilfreicher wäre vielleicht, wenn wir statt des Begriffes (An-)Führerschaft von Meinungs-Führerschaft sprechen würden. Denn wo es keine organisatorischen Zusammenhänge gibt, sieht es mit Führerschaft im klassischen Sinne schlecht aus. Kaum möglich. Und nach der Verbotswelle der Jahre 1992 bis 1995 gibt es ja auch einen guten Grund, warum die Leute es vorgezogen haben, nicht neue Vereine oder Miniatur-Parteien aufzumachen.

Meinungs-Führerschaft ist etwas, das sich kommunikativ durchsetzt, szenisch, interaktiv (und nicht so sehr gruppendynamisch; weil eine Meinung immer relativ engen Grenzen einer meist lokalen oder Gruppe).

Da habe ich insofern eine gewissermaßen führende Rolle, weil aufgrund meines Bekanntheitsgrades (der nicht zwangsläufig ein Beliebtheitsgrad ist; auch nicht innerhalb der Szene) meine Meinung eher wahrgenommen wird als die vieler anderer. Oder, wenn die Meinung(en) der anderen auch wahrgenommen wird (werden), dann wird meine bisweilen anders gewichtet. – Tatsächlich ist es wohl so, daß ich unter denen, die man in den Medien gemeinhin Neo-Nazis nennt, der einflußreichste sein dürfte. Aber dieser Einfluß ist trotzdem ein sehr, sehr relativer. Es gibt ein paar Dutzend Männer, deren Einfluß – jeder für sich – kaum geringer ist als der meine. Und schon zwei oder drei von ihnen könnten gemeinsam wahrscheinlich einen größeren Einfluß mobilisieren als ich allein. Wenn ich mir allerdings auch wieder zwei, drei Männer von einem gewissen Einfluß suche, mein Anliegen zu unterstützen, dann könnte unsere ,,Fraktion” wahrscheinlich wieder die stärkere sein... – Und es sind nicht immer die selben, die meine Meinung unterstützen (oder ablehnen). Das hängt von dem jeweiligen Thema ab. Innerhalb dieser – sagen wir ruhig einmal: – ,,Oligarchie des Einflusses” gibt es sehr häufig wechselnde ,,Fronten”, wechselnde Mehrheiten im einflußmäßigen, nicht unbedingt immer im zahlenmäßigen Sinne.

Ich habe mich so darstellen können, wie ich es getan habe, weil meine Möglichkeiten in manchen Bereichen über die anderer hinausgehen. Ich brauche nicht zu arbeiten, um ein auskömmliches Leben zu führen – das ist der Vorteil, wenn man die Kleinigkeit von rund anderthalb Millionen Deutschmark geerbt hat. Ich kann es mir ebenso von der zeitlichen wie von der finanziellen Seite her leisten, bei vielen Gelegenheiten aufzutauchen und ,,mitzumischen”. Oder einfach nur präsent zu sein. – Hinzu kommt der technische Vorteil, daß ich beinahe schneller schreibe, als andere denken können. (Ich hab’s schließlich mal regulär gelernt, als gewesener Notargehilfe. In meinen Glanzzeiten lag meine Schreibgeschwindigkeit ähnlich hoch wie die der altgedienten Chefsekretärin, abgesehen davon, daß ihre Tippfehlerquote geringer war als meine.)

Neben solchen Äußerlichkeiten ist das aber auch eine Frage des kommunikativen Potentials und der Charakterstruktur. Aus Betrachtungen der jüngeren Geschichte wissen wir, daß in relativ offenen Gesellschaften die Kommunikatoren die waren, die am ehesten Einfluß hatten. Das entspricht auch der amerikanischen Militärdoktrin von ,,triple c”, den drei großen C, die wir im Deutschen als K’s schreiben müßten: Kommunikation, Kooperation, Koordination. – Ich bin Sophist. Das heißt, daß ich zu jedem und allem einen Standpunkt vertreten kann, wenn ich will. Und genauso den Gegenstandpunkt vertreten kann. Die Methodik des dialektischen Materialismus ist mir nicht fern; Du würdest möglicherweise Mühe finden, einen marxistischen Kader zu finden, der das besser kann als ich... – Dazu kommt, daß ich bemüht bin, ganzheitlich und angstfrei zu leben. Wenn ich etwas für richtig halte, stehe ich dazu und spreche es aus, ungeachtet der Frage, wie viele sich da gegen mich stellen mögen. Ich habe keine Angst vor den Widersprüchlichkeiten, Grundzüge einer mehr als ein Menschenalter alten Ideologie mit den Bedingungen und Erfordernissen der Jetztzeit und den Herausforderungen der Zukunft in Einklang zu bringen (oder es zu versuchen).

Du erwähnst, daß viele Kameraden (möglicherweise sogar gegen ihre Überzeugung, mindestens aber gegen ihren Instinkt) das zu sein versuchen, was ihnen durch die Medien suggeriert wird das sie zu sein hätten. Da liegt der wunde Punkt. Wir erhalten ein einseitiges Bild des Nationalsozialismus. Das führt dazu, daß die, die sich zu dieser Weltanschauung (emotional) hingezogen fühlen, nicht weniger einseitig nur die von ihnen als gut angesehenen Seiten heraussuchen, propagieren, sich daran hochziehen. Kaum einer, der mit Recht oder Unrecht ,,Neo-Nazi” genannt wird, kritisiert Adolf Hitler: Da alle (anderen) Adolf Hitler kritisieren, nein, dämonisieren, wird er verherrlicht. Und wird übersehen, daß er – wie jeder Mensch – auch seine eigenen Widersprüche hatte, Schwächen, Ungereimtheiten. Im Prinzip ist es eine ,,faschistische” Methode, mit der gegen den ,,Faschismus” vorgegangen wird. Wobei wir hier ,,faschistische Methode” definieren als die schwarz-weiß-Malerei und ,,Faschismus” definieren als die Ideologie, die auf einer schwarz-weiß-Malerei aufbaut. (Wobei ,,weiß” dabei für die weiße Rasse, im engeren Sinne für die germanische Völkerfamilie, im allerengsten Sinne für die Deutschen steht.) – Und die Verwendung einer ,,faschistischen Methode” gegen alles auch nur ansatzweise Aufkommen von dem, was man ,,Faschismus” zu nennen beliebt, zeugt logischerweise  von– ,,Faschismus”...

Sich aus dieser Spirale zu befreien, ist immer nur einer kleinen Minderheit möglich. Der Fehler und zugleich die Stärke der großen Mehrheit ist, daß sie einfache Lösungen bevorzugt. – Und warum sollte unsere Szene, die ihrerseits eine Minderheit ist, anders strukturiert sein als die Gesamtgesellschaft? Auch innerhalb der Minderheit gibt es wieder eine Minderheit und eine Mehrheit...

Du siehst, daß ich hier ansatzweise den Faschismus-Begriff in einem Sinne benutzt habe, wie er Dir wohl auch vorschwebt. Ungeachtet dessen halte ich unsere kulturelle Dominanz für im Augenblick noch nicht gegeben. Damit können wir Begriffe nicht umwerten, nicht neu belegen. Wir können kurzfristig für Irritationen sorgen, ja, aber die medienmäßige Überlegenheit der Gegenseite wird uns einstweilen noch untergehen lassen. – Was wir tun können, ist immer wieder von ,,sogenannten Antifaschisten” sprechen, wenn es sich um politische Gegner handelt, die unsere öffentlichen Aktivitäten mit den Mitteln der Gewalt zu behindern versuchen. Oder meinethalben von ,,selbsternannten Antifaschisten”. – Von denen einige der intelligenteren übrigens begriffen haben, wie schwierig es ist, mit dem Faschismus-Begriff umzugehen. Der von ihnen so verstandene Faschismus kann sich heutzutage nicht selbst definieren. Dagegen gibt es Gesetze. Wenn aber nicht einmal die (vermeintlichen) Faschisten selbst definieren können, weil sie nicht definieren dürfen, was Faschismus ist, wie will sich dann ein ,,Anti-Faschismus” definieren, der ja, um überzeugend anti zu sein, auf der gegnerischen Definition aufbauen muß?!

Indes ist der sogenannte ,,Antifaschismus” mehr geprägt von Aktionismus denn von theoretischer Untermauerung oder Standortbestimmung. Was ihn lustigerweise uns auch relativ ähnlich macht... Denn schätzungsweise neun Zehntel der Teilnehmer vom letzten Sonnabend würden sich wohl höflich gelangweilt abwenden, wenn man sie zwecks theoretischer Untermauerung oder Standortbestimmung mal zusammenrufen wollte...

Zu Schily: Die Rede von Schily zur Anti-Wehrmachtsausstellung kenne ich nicht. Aber mal unabhängig davon: Ich traue seinen Motiven nicht. Eine Schwalbe macht noch lange keinen Frühling. Warten wir mal ab, ob da noch was kommt, und wenn ja, was da noch kommt. – Wenn ich rechtzeitig dazu komme, es zu kopieren, füge ich Dir einmal meine Gedanken zu dem Mann und seiner Äußerung bei.*

Als ein Mann der ,,primea linea” habe ich Bedenken bei denen, die bisher noch nicht aktiv für das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes eingetreten sind. Die vor allem ihres Eintretens wegen nicht leiden, nicht opfern mußten. Die von den bequemen Sesseln, gar den Sesseln der Macht aus, sich ein kleines Stück vorwagen, ohne daß man (noch) genau weiß, ob das nun ein taktisches Manöver ist oder ehrlich gemeint. – Ich habe das gesehen am Beispiel des Mauerfalls. Plötzlich, schlagartig nach dem 9. November 1989, waren alle politisch bedeutenden Kräfte der Alt-BRD für die möglichst baldige Wiedervereinigung. Aber ungefähr zur gleichen Zeit mußte jemand wie Volker Heidel noch einen Strafbefehl abbezahlen, weil er wenige Jahre vorher am 17. Juni gegen die deutsche Teilung demonstriert hatte und sich in dem sicheren Wissen, daß sie dann verboten werden würde, nicht die Mühe gemacht hatte, die Demo anzumelden... – Und was haben Leute wie Helmut Kohl, selbsternannter ,,Kanzler der Einheit”, vorher für den Mauerfall getan?! Nichts. Schlimmer noch als nichts; sie haben das SED-Regime sogar wirtschaftlich unterstützt und damit seinen Zerfall herausgezögert. Aber dann auf die fahrenden Züge aufspringen!

Sowas kann uns auch sehr gut (bzw. schlecht...) passieren.

Aus Gründen von deren juristischer Sicherheit ziehe ich es vor, nicht zu wissen, wer hinter dem ,,Zentralorgan” steckt. Denn ich gehe davon aus, daß das Projekt früher oder später heftig kriminalisiert wird und daß dagegen das, was der Verlag der Freunde erlebt hat, sich noch relativ harmlos ausnehmen wird. – Aber logischerweise habe ich zumindest eine ungefähre Vorstellung über den Personenkreis, auch über die Denkungsart, die dahinter steht. Es gibt für mich nicht allein den juristischen Grund, aus dem heraus ich eine Mitarbeit am ,,Zentralorgan” abgelehnt habe. Es sind auch konzeptionelle Gründe.

In der Zeit der Existenz der NATIONALEN LISTE, von 1989 bis 1995, brahten wir sechs Jahre lang den INDEX heraus. Obwohl laut Titelblatt ,,parteiisch” (klar, war ja auch eine Partei-Zeitung...), wurde er laut Medien sehr schnell zum ,,zentralen Organ der deutschen Neo-Nazi-Szene”. (Ich vermute, daß die ,,Macher” des ,,Zentralorgans” mit ihrem Namen an diesen Erfolg anknüpfen wollten.) Der INDEX war kreativ. Wir haben uns schon mit der Namensgebung selbst indiziert, wir haben Rudolf Hess auf den Index gesetzt, wir haben geworben mit Postkarten sinngemäß folgenden Inhaltes: ,,Jossif W. Stalin ist tot. Roosevelt ist tot. Joseph Goebbels ist tot. Einstein ist tot. In einer Zeit ohne herausragende Männer bedarf es – wenigstens! – eines herausragenden Magazins!” – Eine Sonderausgabe des INDEX (im Sommer 1992) reichte, die ,,Anti-Antifa-Kampagne” loszutreten, die inzwischen zu einem tausendfach multiplizierten Selbstgänger geworden ist. (Dabei haben wir den Namen ,,Anti-Antifa” noch nicht einmal selbst erfunden. Wir haben ihn von Hans-Georg Fiedler geklaut, der daraufhin seine bisherige Rubrik ,,Anti-Antifa” in ,,demokratischer Diskurs” umbenannt hat, weil er nicht gern mit uns in einem Topf landen wollte. Was uns ganz recht war; wir haben unseren Topf immer als viel größer angesehen...) Der INDEX war das meistzitierte Blatt des ,,rechten Lagers” in den bürgerlichen Medien. (Der SPIEGEL hatte gleich zwei Abonnements bestellt, eines für seine Hamburger Redaktion und eines für die Berliner.) – So mancher Journalist, dem ich erzählte, unsere Auflage betrage 1.000 (eintausend) Stück, wollte mir das nicht glauben. Und so mancher Publizist im nationalen Lager, der mit Auflagen von mehreren tausend Exemplaren nicht einmal einen Bruchteil von dem bewegt hat, was wir mit dem INDEX bewegt haben, hat neidisch in diese Richtung geschielt. (Leider gibt es keine Statistik, wie viele Augenärzte der INDEX reich und glücklich gemacht hat, indem sie die durch dieses Schielen hervorgerufenen Sehfehler gegen teures Honorar korrigieren konnten.) Der INDEX kam acht mal jährlich heraus. (Wir wollten immer monatlich erscheinen, aber wegen Arbeitsüberlastung und auch aus finanziellen Gründen haben wir das nie auf die Reihe bekommen.) Dafür hatte er auch nur zwölf Seiten. Er war so konzipiert, daß selbst ein junger Mensch, der selten und ungern liest, ein Angehöriger der Computerspiel-Generation, ihn mühelos in einem Rutsch durchlesen konnte. (Obwohl es uns Platz gekostet hat, haben wir dann auch einen 12-Punkt-Drucksatz verwendet statt des üblichen lo-Punkt.) Daß wir im Zeitalter des Vollfarb-Drucks und der vollfarbigen Computer-Ausdrucke mit schwarz-weiß gearbeitet haben (und sehr gern mit inverser Schrift, weiß auf schwarzem Untergrund), war Programm, nicht allein durch Kostenfragen diktiert. Anfänglich konnten wir auf die Mithilfe eines professionellen Werbegraphikers zurückgreifen, der u.a. für LANGNESE die ,,Ed-von-Schleck”-Kampagne erdacht, konzipiert und durchgeführt hat. (Er ist dann später verstorben, leider. Der Mann hatte was drauf.) – Der INDEX hatte gewissermaßen Kult-Status. Und zwar nicht, weil er von vornherein als Kult-Objekt konzipiert worden ist, sondern weil er dazu geworden ist, weil er die Resonanz gefunden hat, den Anklang, weil er sich einfach auf eine sehr natürliche, eine sehr ungezwungene Art durchgesetzt hat. Somit wurde er zu dem, was das ,,Zentralorgan” mit seinem Namen zu sein suggeriert, aber erstens noch lange nicht erreicht hat und zweitens meiner Meinung nach auch gar nicht erreichen kann. Die Mischung aus Minimalismus und Selbstironie bei durchaus nicht unernst gemeinten Inhalten kam einfach an.

Das ,,Zentralorgan” hingegen strömt soviel Witz aus wie ein dienstalter Justizhauptsekretär während einer mündlichen Verhandlung der Großen Strafkammer des Landgerichts Kleinbüdelsdorp...

Aber, wie gesagt: Aus verschiedenen Gründen lehne ich eine Mitarbeit am ,,Zentralorgan” ab und habe deshalb auch weder die Absicht noch die Möglichkeiten, auf seine Gestaltung irgendeinen Einfluß zu nehmen.

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Vorgestern ging mir ein Auszug aus den Internet-Seiten des Widerstandes zu, von dem ich Dir mal für den Fall, daß Du ihn nicht kennen solltest, eine Kopie beifüge. Erstens hat der Mann rein sachlich recht. (Es ist jemand aus Hamburg bzw. aus der näheren Umgebung von Hamburg, der diese Initiative jedoch gänzlich unabhängig von mir und ohne mein Wissen gestartet hat.) Ein weiterer Gradmesser zur Beurteilung des ,,Zentralorgans” wird die Frage sein, ob dieser Artikel in der nächsten Ausgabe des ,,Zentralorgans” zu finden sein wird oder nicht. (Ich werde darauf jedoch in keiner Weise hinwirken oder Einfluß zu nehmen versuchen. Ich werde die Leute, die meiner Meinung nach mit dem ,,Zentralorgan” zu tun haben könnten, noch nicht einmal wissen lassen, daß ich einen Abdruck dieser Initiative im ,,Zentralorgan” für einen in mehrfacher Hinsicht richtigen Schritt halte.) – Dann stößt das ,,Zentralorgan” nach über einjährigem Bestehen vielleicht auch mal etwas an, was ja wohl die eigentliche Aufgabe eines Blattes mit diesem anspruchsvollen Namen=Ziel sein dürfte.

Gut, auch dieser Brief ist lang genug geworden.

Mit besten Grußen

PS: (Machen wir’s noch mal ein paar Zeilen länger...) Nationalsozialismus war in seinen Anfangsgründen eine Mischung der beiden vorherrschenden Weltanschauungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts, des (speziell deutschen) Nationalismus und des Sozialismus (der wiederum auf einen deutschen Juden zurückgeht). Von daher war – ideell gesehen –Nationalsozialismus eine Synthese (förmlich im marx’schen Sinne...) der beiden – und jeweils für sich auch durchaus berechtigten – Extreme; also weder spezifisch links noch spezifisch rechts.

Bedingt durch den verlorenen Ersten Weltkrieg und bedingt durch die Knebelung und Ausbeutung Deutschlands durch die Sieger gewann der Nationalismus in dieser (dann nur noch vermeintlichen) Synthese sehr schnell die Oberhand.

Endgültig nach ,,rechts” rutschte der Nationalsozialismus im Sommer 1934 durch die Ausschaltung des ,,linken” Flügels, wie er zu dem Zeitpunkt innerhalb der Partei hauptsächlich durch Röhm repräsentiert worden ist, außerhalb durch die Brüder Strasser eher unter- als repräsentiert worden ist. Von da ab war der Nationalsozialismus im Grunde genommen nur noch ein sozialer Nationalismus; etwas, das auch der ,,real existente Sozialismus” der Ex-DDR für sich hätte in Anspruch nehmen können... (Überhaupt gibt es eine Menge interessanter Parallelen zwischen NSDAP und SED und den jeweils von ihnen beherrschten Gesellschaften.)

Es gibt sowohl juristische als auch politische Gründe, die es mir nahelegen, mich heutzutage im Gegensatz zu jüngeren Jahren nicht mehr als ,,Nationalsozialist” zu bezeichnen. (Indes pflege ich einer solchen Bezeichnung durch Massenmedien auch nicht zu widersprechen. Warum ich nicht widerspreche, ob deshalb, weil’s ohnehin sinnlos wäre, oder ob deshalb, weil ich nichts dagegen habe, so bezeichnet zu werden, lasse ich gleichfalls mal offen.)

Solange ich mich selbst aber noch als Nationalsozialist bezeichnet habe, habe ich immer Wert darauf gelegt, dies im Sinne des vormals ,,linken” Flügels des Nationalsozialismus verstanden zu wissen, also im Sinne der Röhm, Strasser (Otto und Gregor) oder auch des ,,frühen” Dr. Goebbels, bevor Hitler ihn auf die Seite des ,,rechten” Flügels zog. (Bei einer Gauleitertagung 1925 in Nordrhein-Westfalen soll Dr. Goebbels sogar gesagt haben: ,,Im übrigen beantrage ich, den kleinen Bourgeois Adolf Hitler aus der nationalsozialistischen Partei auszuschließen.” – Ich kann Dir aber nicht dafür garantieren, daß das Zitat historisch ist.)

So konnte es mir dann 1978 beispielsweise passieren, daß einer von der strikt dogmatischen Seite her mir gegenüber offen bekundete: ,,Wenn wir an der Macht sind, werden Männer wie Michael Kühnen und Du natürlich erschossen; Kühnen wegen unsittlichen Lebenswandels und Du wegen ideologischer Abweichung.” Nicht aus diesem Grunde, sondern wegen eines anderen Charaktermangel seinerseits hat ihm meine inzwischen Ex-Frau Uschi vor einem Dutzend Jahren mal halb das Ohr abgeschossen; hätte sie nicht nur eine Gaspistole dabei gehabt, sondern ein illegales Schießgerät, wäre dieser Karsten Trede möglicherweise inzwischen Geschichte. Politisch war er allerdings auch damals schon Geschichte. Oder eine Fußnote der Geschichte, wenn wir ganz genau sein wollen.

Woraus Du erkennen kannst, daß ich einerseits sehr wohl Ideologe bin, andererseits aber ebenso Abweichler – stellt ein Abweichler einfach nur eine Ideologie infrage oder schafft er damit durch Modifizierung eine neue Ideologie? Das ist eine philosophische Frage, würde ich meinen. Aber die Tatsache, daß ich gleichermaßen Ideologe wie Abweichler bin, wird Deinen Sinn für Anarchismen sicherlich befriedigen.

    Nochmals: Mit besten Grüßen

*Manfrotto Schilkanth

oder: Macht macht nicht moralisch...

Der Mann hat einen weiten Weg hinter sich. Erstmals richtig wahrgenommen wurde er als Anwalt von RAF-Terroristen. Dann ging’s zu den GRÜNEN. Mit zunehmendem Lebensalter kam zunehmende Verbürgerlichung: Der Wechsel zu den Sozis. Jetzt ist er da, wo zu landen er sich vor zwanzig Jahren kaum vorgestellt haben dürfte: Auf dem Stuhl des Innenministeriums, Leiter eines Schlüsselressorts, das vor zwei Jahrzehnten in einem tödlichen Kampf mit seinen damaligen Mandanten lag... – Und noch einen Schritt weiter: Nach seinen letzten Äußerungen würde Schily, wäre er denn Bayer, locker in die CSU passen. Ja, fast noch mehr als das: Beinahe könnte man als Nationalist denken, der Mann sei einer von uns.

Daß er über ein Ende der Beobachtung der PDS durch den Verfassungsschutz nachdenkt – ... Daß er vor weiterem Erstarken des Rechtsradikalismus warnt – vielleicht nur Kosmetik, leere Worthülsen als Tribut an die politische Korrektheit?! Verdienst hat er sich erworben mit ehrlichen Worten zur Ausländerfrage.

Bisher ist mir nicht bekannt, daß die REPUBLIKANER dem Mann die Ehrenmitgliedschaft angeboten hätten. Können sie ja auch gar nicht, die REPs, die immer nach demokratischer Anerkennung gieren. Denn ihre Parole lautet: ,,Das Boot ist voll!” Otto Kanther, nein, pardon, Manfred Schily, nein, verdammt, Otto Schily hat es noch deutlicher gesagt. Für ihn ist die Grenze der ,,Belastbarkeit” nicht nur erreicht, sondern sogar ,,überschritten”. Im Klartext: Das Boot ist nicht voll, das Boot ist nicht rand-voll, es ist über-voll! Aus der Sicht der REPs mag das der Extremismus sein, der ihnen zu ihrem Leidwesen immer (fälschlich?) unterstellt wird... – Und dann auch noch von ,,Belastbarkeit” zu sprechen. Also das ehrliche Zugeständnis, daß Zuwanderung für unser Volk Belastung darstellt, nicht multikulturelle Bereicherung...

Da ist der Vergleich mit seinem Amtsvorgänger Kanther schon beinahe böswillig. Denn Helmut Kohls nunmehr abgehalfterter ,,Schwarzer Sheriff” hat es nie so deutlich gesagt wie Schily. Der Rote Schily ist damit schon so schwarz geworden, daß sich eine interessante, eine gefährliche Farbmischung ergeben kann. (Spektral gesehen ergibt die Mischung von schwarz und rot braun. Es muß allerdings deutlich darauf hingewiesen werden, daß Farblehre und Politik nicht immer übereinstimmen. Ein Spektroskop kann nicht lügen; ein Politiker kann es sehr wohl...)

Wie ist diese unglaubliche Wandlung zu erklären? – Ist dem Mann ein Geist erschienen, ein Alptraum oder eine gute Fee, je nachdem, von welchem Standpunkt aus wir es sehen wollen? – Oder ist er gar einmal in Berlin mit der U-Bahn gefahren, dort im Volksmund als ,,Türken-Express” bezeichnet, und hat ihm das die Augen geöffnet? – Oder ist die Erklärung viel simpler? Stört ihn vielleicht, daß in meinem VOLKSBROCKHAUS von 1994 Gerhard Schröder (noch als Ministerpräsident von Niedersachsen) und Joseph (Joschka) Fischer (noch als Landesminister in Hessen) erwähnt sind, aber nicht Otto Schily? Oder folgt er nur dem Leitbild so vieler Politiker, kurz nach einer gewonnenen Wahl schon an die nächste zu denken? Will er für sein rot-grünes Bündnis die CDU-CSU aushebeln, indem er sie rechts überholt? Damit im Jahre 2002 die Wiederwahl sichern und vielleicht, vielleicht auch irgendwann als Nachfolger Schröders der achte Kanzler der Nachkriegsrepublik werden? – Womit der eingangs beschriebene Weg noch um einen gewaltigen Schritt länger werden würde.

Oder hat im Bundesdorf Bonn, dessen ministerieller Teil demnächst (nach zehn Jahren!!!) mal nach Berlin verziehen will, endlich mal ein Großkopfete den Mut gefunden, die Wahrheit zu sagen? Vor allem einer, bei dem nicht gleich die ganze politische Kaste zu schreien beginnen kann: ,,Das ist ein Faschist, das ist ein Rassist!”

Wir wissen es nicht. Manfred Schily, pardon, Otto Kanther, pardon, also: der aktuelle Bundesinnenminister wird es uns nicht sagen. (Oder wenn er es uns sagt, wissen wir nicht, ob seine Wahrheitsliebe sich mit der eines Spektroskops messen kann...) Also bleiben wir lieber bei unseren Schlußfolgerungen. Die müssen nicht immer richtig sein; dafür sind sie ehrlich gemeint.

Wir können uns diese Ehrlichkeit leisten: Denn wir sind ja nicht an der Macht. Wer nicht an der Macht ist, hat es immer viel leichter mit der Ehrlichkeit.

Und das könnte die Erklärung für die erstaunliche Mutation von Otto Schily sein. Er sagt die Wahrheit, daran gibt es keinen Zweifel. Wir, die nationale Opposition, wissen das mehr als alle anderen im Land, denn wir predigen und prophezeien das seit Jahrzehnten. (Und werden dafür nicht mit Ministersesseln belohnt, sondern allenfalls mit harten Pritschen in den Polizeistationen oder Gefängnissen...) Aber nicht jeder, der die Wahrheit sagt, meint es ehrlich. Seine Motive können wichtiger sein als das, was er denn nun konkret sagt.

Macht wäre ein solches Motiv.

Moral als Motiv ist ungleich viel schwächer.

Trotzdem ist dies alles für uns ein Grund, danke zu sagen. Danke, Otto, und weiter so! Wir freuen uns, von Dir mehr zu hören, wenn es denn solche Töne sind!

Hamburg, im November 1999

 

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