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Auseinander- und Zusammensetzung
mit Nationalsozialisten [zurück zur diesbezüglichen Übersicht]
Peter Töpfer: Es lebe die deutsche Freiheit! (Dieser Aufsatz erschien in Staatsbriefe 2-3/99)
“Frage: Wer ist der Herr der Deutschen? Antwort: Die Deutschen, hast Du mich gelehrt, haben keinen Herrn...” Kleist
Die Debatte “Der Kampf der Teile” zeichnet sich durch Ideologielastigkeit aus. Es wird um einen Begriff (“Sozialismus”) gestritten, wobei insbesondere die rechten Teilnehmer – wie nicht
anders zu erwarten – Rigidität und Sturheit an den Tag legen. Man ist meilenweit davon entfernt, den Geist Hans-Dietrich Sanders zu atmen, der in den Staatsbriefen 7-8/98 schrieb: “Die Deutschen,
die unter dem Zwang leiden, sich zu hassen und zu bekämpfen, können nur erlöst werden, wenn sie sich wieder lieben, wenn sie verspüren, wie interessanter es ist, miteinander zu sprechen, als sich (...) immer nur
anzuschreien. Es bedarf dazu nur einiger Initialzündungen von erweckender Gewalt.” Wenn der Rechte das Wort “Liebe” hört, denkt er wahrscheinlich: “Die sind bestimmt homoerotisch.”
Vielleicht kann aber ein richtiges Anschreien einen solchen Funken erzeugen. Es ist wie in einer Ehe, wie in der Liebe, wo es ab und zu auch richtig krachen und fetzen muß, wenn die Vitalität nicht über den Jordan
gehen soll. Und deshalb soll hiermit noch ein Beitrag zur Debatte nachgeliefert werden, auch wenn Hans-Dietrich Sander sie beendet sehen möchte (“Es ist genug”, SB 11/98). Es muß doch noch ein Versuch unternommen werden. Es steht nämlich zu befürchten, daß bislang nichts an die Herzen der Rechten gedrungen ist, daß sie überhaupt nicht zuhören, nicht lesen können und wollen, daß sie sich in ihrem Ghetto verschanzen und hochmütig darin gefallen. Und daß sie dort an uns allen vorbei ihren blutigen Bürgerkrieg vorbereiten. Wir brauchen aber die Rechten, d.h. wir brauchen sie für unsere gemeinsame Sache. Weil sie wichtige Beiträge leisten können, weil sie vieles, was die Linke verdrängt hat, bei Bewußtsein gehalten haben, weil sie als Korrektiv wichtig sind, so wie die Linke der Korrektiv der Rechten sein soll. Weil wir alle voneinander zu unserem Wohl und Heil lernen können. Und wir brauchen das Verständnis mit den Rechten aus dem ganz einfachen Grunde: weil sie da sind, weil sie mit uns und neben uns in diesem Land leben. Wir wollen Frieden. Alles, was wir von ihnen erwarten, ist, daß sie auch uns wahrnehmen, uns akzeptieren als Teil des deutschen Volkes. Mir ist bewußt, wie schwierig dies ist, denn ich weiß, daß viele Rechte leider kaum friedenswillig und -fähig sind und über eine gefestigte Bürgerkriegsmentalität verfügen: Auch ich habe erfahren müssen, daß “nicht wenige Rechte alle Linke am liebsten in Konzentrationslager sperren würden” (Hans-Dietrich Sander, SB 11/98). (Gleichwohl habe ich echte, sehr menschliche Kameraden unter Rechten und Nationalsozialisten kennengelernt und bin stolz darauf, die Kameradschaft im Nationalen Widerstand mit ihnen zu teilen.) Dies mag auch daran liegen, daß die Linke sich in der Vergangenheit in großen Zügen antinational gebärdet hat. Aber die Rechte muß jetzt aus ihrer Verschanzung kommen, sie muß ihren Trotz verlieren, wenn ihr Friedenswillen, den sie ganz sicher in sich hat, Früchte tragen soll. Ich bin ein Linker, und ich werde mich höchstwahrscheinlich nicht mehr ändern. Es geht mir auch nicht darum, aus Rechten Linke zu machen. Es ist nämlich Teil meines Selbstverständnisses als Anarchist, die Menschen so zu nehmen und zu achten, wie sie nun einmal sind. Hans-Dietrich Sander schreibt: “Es geht bei den Diskussionen zwischen Rechten und Linken gar nicht um die Findung einer gemeinsamen Plattform, sondern darum, daß sie sich als Rechte und Linke, die sie sind und bleiben sollen, für ihr bedrohtes Volk einsetzen.” Vielleicht brauchen wir aber doch eine Art Plattform, mindestens aber eine Verständigung, denn der Einsatz für unser bedrohtes Volk setzt voraus, daß wir uns als Teile eines Volkes begreifen und anerkennen. Anders können wir nicht in Frieden miteinander in diesem Land leben. Die Rechte denkt aber noch immer, sie könne die Menschen ändern, austauschen, umerziehen, internieren. Die Frage ist allein: Wollen wir den Frieden? Oder sind wir so verhärtet, verschanzt, so enttäuscht, von bösen Erfahrungen gezeichnet, resigniert, daß wir den Krieg in Kauf nehmen? Ist unser Friedenswille nur noch eine kleines Flämmchen? Haben wir keinen Lebenswillen mehr? Denn Leben setzt Frieden voraus. Ist der Lebenswille eigentlich nicht ureigenstes rechtes Thema? Wie steht es aber mit dem Leben als konkrete Wirklichkeit jenseits eines Willen-zu? Oder sagen sie?: Das Leben, der Frieden lohnt sich nicht. Ich befürchte, daß dies auf viele von uns – auf beide Seiten – zutrifft.
Die Linke wird stärker werden; die derzeitigen und zukünftigen Änderungen gehen von links aus. Sie sind in vollem Gange. Neidisch schaut die Rechte der Regierung Schröder zu. Der Rechten geht es nicht um
die Sache, ihr geht es um Personal, Macht und die Begriffe, unter denen sich diese Änderungen abspielen. Und wenn es auch für linke Politiker zutrifft: na und? Dann braucht es längst noch nicht auf uns Nationale zutreffen!
Lächerlich und läppisch! Und das von Leuten, auf deren Seite solch großartige, in die Tiefe gehenden Theorien wie die Geopolitik entstanden ist! Warum bloß ist davon bei den Rechten nie etwas zu merken, nichts übrig
geblieben?
Die Rechte hat all ihre Chancen verschlafen. Hans-Dietrich Sander hat auf all dies hingewiesen. Ich sage – mit Wolfgang Strauss –: Zum Glück hat die Rechte nicht gewonnen. Denn ich möchte in keinem
rechten Deutschland leben. Ich möchte in einer freien Volksgemeinschaft leben. Ich möchte die Rechte mit im Boot haben. Die Rechte führt das Wort der Volksgemeinschaft ständig im Munde, aber sie hört nicht auf,
dieses Wort zu verhöhnen, als pures Ideologem zu verhohnepiepeln. Sie merkt einfach nicht, daß sie sich mit einer abenteuerlichen, grotesken Arroganz an die Stelle des Ganzen setzen will. Alle diesbezügliche Kritik
von Sander und anderen hat sie einfach übergangen; sie ist dermaßen wahnhaft eingebildet, daß sie glaubt, sich mit dieser Kritik nicht auseinandersetzen zu müssen. Und deshalb ist sie stets gescheitert. Zum Glück,
wie ich sagte. Aber wir Linken, die wir keine linken Bürgerkrieger sind (welche sagen: “Umso besser, wenn die Rechte so borniert ist!”), sondern nationale Linke, wir haben kein Interesse daran, daß die
Rechte in ihrer Verschanzung bleibt. Ich möchte meine bescheidenen Versuche beisteuern, ich möchte aus den genannten Gründen einen kleinen Hebel ansetzen zur Öffnung dieser Rechten. Denn sie ist gefährlich in ihrem
Ghetto. Sie soll sich öffnen und auf die anderen zugehen. Ich habe dies – im Unterschied zu den Bürgerkriegslinken – für mich getan und darf dies nun auch von den Rechten erwarten. Wenn sie sich öffnet,
ändert, wird die Rechte Erfolg haben – mit uns gemeinsam für unser gemeinsames Haus. Der Erfolg, das Ergebnis wird freilich nicht mehr so aussehen, wie sie sich das anfangs ausgedacht hat. Aber wenn die Rechte
ihr Herz öffnet, dann wird auch sie zufrieden sein. Es wird zu unser aller Heil gut sein. Wenn sie es nicht tut – dann gute Nacht, dann sehe ich großes Unheil auf uns zukommen. Vieles, eigentlich alles spricht
dafür. Die Verstocktheit der Menschen war und ist unheilbar. Jedoch: “Bei der Zerrissenheit, in der das deutsche Volk am Boden liegt, ist das fast nicht mehr vorstellbar. Aber mit dem Kampfgeist, der immer
noch im Volksboden rumort, ist es durchaus zu realisieren”, schreibt Sander. Auch ich glaube an das Unmögliche. Die Linke macht es im Moment vor: Sie ändert sich. Ob sie es muß (aus Sachzwängen heraus, wie
Sander schreibt) oder ob sie es will, ist völlig gleichgültig. Was einzig zählt, ist das Ergebnis, ist die Wirklichkeit. Auch der Rechten wird, wenn sie ernsthaft mitgestalten will, wenn sie sich nicht im Irrealen
verirren und verlieren, wenn sie nicht das autistische Kind bleiben will, nichts anderes übrig bleiben, als die Veränderungen links anzuerkennen: auch ein Sachzwang. Und auch dieser Sachzwang wird in eine neue
Wirklichkeit führen und die alten Konstellationen einfach vergessen lassen. Um aber sowohl anerkennen als auch vergessen zu können, Schlußstriche ziehen zu können, bedarf es der Bewegung des Herzens. Die Veränderung
erfolgt synchron durch Sachzwang und durch Herzöffnung; beides geht miteinander her.
Die Veränderungen links liegen auf der Hand: Wenn Hertha Däubler-Gmelin sagt, Deutschland sei kein Einwanderungsland, ist daran nicht mehr zu zweifeln. Was Frau Däubler-Gmelin gestern gesagt hat – und ich hatte
weißgott für diese Frau wie überhaupt für keinen antideutschen Systemlinken etwas übrig –, interessiert überhaupt nicht mehr. Ich kenne keine Parteien und keine Vergangenheit mehr. Die Personalfrage ist völlig
sekundär. Einzig die Wirklichkeit zählt. Wollt Ihr, daß es funktioniert, oder seid Ihr voller Ressentiments und Neid, und wollt Ihr Posten, geht es Euch nur um die Macht? Einzig daß es funktioniert, interessiert.
Aber falls es doch Eurer Wille sein sollte, daß es funktioniert, dann müßt Ihr auf die anderen zugehen, müßt Ihr das Gute bei den anderen unterstützen. Christian Worch schrieb einst sinngemäß in Sleipnir, daß
er sich durchaus eine bessere Verfassung vorstellen könne als das BRD-Grundgesetz, daß er aber mit diesem leben kann bzw. könnte, wenn es denn nur zur Anwendung käme (und Verfassungspatrioten und -schützer ihn für nichts und wieder nichts nicht bereits für 5 ½ Jahre in den Knast gebracht hätten)... Das ist eine vorbildliche Haltung. Schneidet Euch davon eine Scheibe ab!
Wenn Ihr es nicht tut, seid Ihr Bürgerkrieger. Viele Rechte haben sich damit abgefunden, sagen: “Na und? Das Leben ist Kampf!” Habt Ihr Euch überhaupt nur ein einziges Mal gefragt, was das wirklich und
konkret bedeutet, “Bürgerkrieg”? Ihr müßt Euch – wenn Ihr den Anspruch habt, die nationale Avantgarde zu sein – verändern und Euch mit Euren Veränderungen zeigen; Ihr müßt Euch als Partner
anbieten. Erst dann werdet Ihr auch als Partner angenommen. Aber ich vergaß: Ihr von der “Volksgemeinschaft”, Ihr wollt keine Partner sein. Wenn wir wollen, daß die Fronten bröckeln, müssen wir selbst
damit anfangen. Wenn die Rechte das nicht tut (weil sie es auch gar nicht will, weil sie beLEIDigt und verletzt in ihrem Ghetto sitzt), bleibt sie politikunfähig und erfolglos. Dann bleibt sie aber auch eine Quelle
des Unheils, das sie am Ende selbst verschlingen wird, wie es bereits einmal geschehen ist. Die Rechte ist lebensmüde. Aber gleichzeitig tobt in ihr ein verzweifelter Überlebenswille, der gefährlich ist. Ich
appelliere an alle Etablierten, an das System: Öffnet auch Ihr Euch, verändert auch Ihr Euch endlich! Schluß mit dieser kindischen, affigen, unwürdigen Verteufelung der Rechten! Seid Männer! Seid souverän und etwas
gelassener! Nehmt Euch ein Beispiel an Martin Walser, Horst Mahler, Otto Schily, Klaus von Donahnyi, Gerhard Schröder. Ihr müßt es tun! Wenn Ihr es nicht könnt, wenn Ihr zu feige seid, zu dumm, zu tief verstrickt in
Korruption, zu sehr mit schnöden Privilegien verwöhnt, zu fett und verkommen wie diese eklige Medienkröte Erich B., dann tretet still und unbemerkt ab! Trefft einmal in Eurem Leben eine mutige, weise, heroische
Entscheidung! Meldet Euch krank! Ihr seid es ja auch.
Der Rechten geht es nicht um die Sache, um die Wirklichkeit. Ihr geht es immer nur um Ideen, Ideale, Ideologien, Vorstellungen, die sie realisiert sehen will. Die Wirklichkeit hat sich stets nach ihren Ideen zu
richten. Wenn die Schröder-Regierung sagt, keine Einwanderung mehr!, ist sie vor den Kopf gestoßen: Wie können die nur? Das sind doch Linke! Das geht doch gar nicht! Das verträgt sich doch nicht mit unserer
Vorstellung von links! Das wollten wir doch machen! Das ist unfair! Sie verschläft mit ihrer Wirklichkeitsfremdheit, Wirklichkeitsfeindlichkeit die Entwicklung. Das alles könnte uns so recht sein, wenn wir sie nicht mit im Boot haben wollten. Nehmen wir beispielsweise den Beitrag Jean Paul Strohners in den SB 11/98: Er sagt es ganz unverblümt: die Wirklichkeit müsse “zielgerichtet geändert und der Idee angepaßt werden”. Die marxistische Ideologie widerspreche – nicht etwa der Wirklichkeit, sondern: – “einer nationalistischen Weltanschauung”. Ja, und? “Weltanschauung”!
Auch hält er eisern an seinem Bild, das er von Linken, insbesondere von Marxisten hat, fest, auch wenn es in seiner Falschheit und tausendfachen Wiederholung vor langer Weile schon stinkt: An zwei Stellen wird wieder
die Mühle geleiert, die Linke strebe die “völlige Gleichheit” an. Überhaupt: “die” Linke, “der” Marxismus... Er will partout nicht sehen, daß es ganz verschiedene Linke und
Marxisten gibt. Und dort, wo er sie zur Kenntnis nehmen muß, weil sie dem nationalen Lager angehören, da werden sie als quantité négligeable abgeschrieben: Sie fänden eh kein Gehör, seien vereinzelt. Liegt darin etwa des rechten Strohners Wertschätzung der Persönlichkeit (die “der Marxismus” natürlich “leugnet”)? Gibt es bei den heute Rechten eine annähernd originelle und starke Persönlichkeit
,
wie der Marxist Oberlecher es ist? Aus der Reihe tanzen, seinen eigenen Weg gehen: Das kommt für Rechte nicht in Frage, da fehlt es ihnen an – Persönlichkeit. Will er ernsthaft behaupten, Oberlercher beispielsweise “widerstrebe dem germanischen Freiheitsideal”? Es wird wieder die ganze Sülze über den Marxismus heruntergebetet, die man schon tausend mal so von Rechten gehört und gelesen hat, daß es schon eine Zumutung ist. Ja, es ist eine Unverschämtheit, so etwas intelligenten Lesern vorzulegen. Dafür müßte sich Strohner “bei den ernsten Lesern der Staatsbriefe entschuldigen”, und nicht für seinen humoroiden Ausflug zu “Schwabismus” und Dschudsche-Ideologie. Für wie bekloppt hält dieser Schnösel denn die Leser, daß er denkt, sie würden ihm ausgerechnet seinen Humor, nicht aber sein Geseiere verübeln? Ich meine, daß vieles von dem stimmt, was Strohner sagt, und ich bin selbst alles andere als Marxist oder Kommunist. Aber wen interessiert das noch, wo wir es schon bis zur Vergasung gelesen haben? Wo ist das Konstruktive? Es sind nichts als Abwehrkämpfe, Verschanzungsbauten. Es ist öde. Strohner sucht mit keinem Wort das Substantielle in den Aussagen von Andersdenkenden und den schöpferischen Austausch mit diesen. Alles spielt sich in Phrasen, Oberflächlichkeiten, im Ideologischen ab. Emanzipation ist für ihn “Verselbständigung der Teile” und lediglich “linkes Modewort”. Auf die Idee, daß damit eine Befreiung, eine Freiheit und in der Folge Freiwilligkeit gemeint sein kann, kommt er nicht. Wie weit ist es mit dem “organischen Zusammenhalt” her, wenn die Teile sich etwa nicht frei, d.h. gemäß ihrer Natur vergemeinschaften? Auf die Idee, daß es seinem Kameraden und Kontrahenten Jürgen Schwab um etwas Substantielles gehen könnte, nämlich um ein Leben in Freiheit, und nicht darum, nur “linke Modewörter zu benutzen”, kommt Strohner nicht und gibt ihm den Ratschlag, sich über “die Ursprungsbedeutung des Begriffes zu informieren”. Alles bleibt nur Ideologie. Was ist überhaupt eine “Ursprungsbedeutung”, und wozu soll sie hier von Belang sein? Wenn es ihm so wichtig ist, dann sollte Strohner einmal unter “Emanzipation” in einem etymologischen Wörterbuch nachschlagen. Es ist eine Frechheit, Schwab zu unterstellen, er rede der “Verselbständigung” von Teilen der Gemeinschaft (etwa der Frauen) das Wort. Was bezweckt Strohner mit einer solchen Unfairneß? Was geht nur in ihm vor, wenn er dergleichen schreibt? Wozu braucht er dieses Schreckgespenst, diese Feindbilder “Marxismus”, “links”? Hält er die Marxisten wirklich für so bescheuert, sich ihnen mit diesem geistigen Dünnschiß zu nähern? Glaubt er, marxistische als auch nicht-marxistische Staatsbriefe-Leser
hätten diese “Ideen”, “Argumente” nicht bereits hunderte von Malen gehört und gelesen, würden dafür auf Jean Paul Strohner warten? Und glaubt er, ausgerechnet mit seinen Kommentaren würde er
einen Marxisten irgendwie zum Nachdenken bringen? Hält er seine Ergüsse für irgend eine Art der Kommunikation geeignet? An welchen Wert außer dem der Kommunikation beim Verfassen eines Beitrages für eine solch
niveauvolle Zeitschrift, wie es die Staatsbriefe sind, glaubt aber Strohner? Will er sich etwas vormachen? Und hier spricht er es wieder offen aus: daß er Ideologe ist: “Eine nationalistische Bewegung kann niemals wirklich irgendwelche ‚national‘-marxistischen, kommunistischen und bolschewistischen Ideologien in sich aufnehmen.” Welche Ideologien aber dann? Braucht die Bewegung Ideologien? Besteht sie aus diesen? Nein, ich werde Paul Strohner jetzt einmal sagen, woraus unsere deutsche Nationalbewegung besteht (möge er zuhören): Aus Geist! Aus Freude, Liebe, Kameradschaft und einem unbändigen Willen, zu leben!
Die nationalistische Bewegung ist also für Strohner zu allererst keine Willens- und Tatgemeinschaft, Blutsbrüder- und -schwesternschaft, geschweige denn eine Bewegung zur Emanzipation von der Fremdherrschaft, sondern ein ideologisches Unternehmen. “Es kann keine wirklichen Kompromisse zwischen dem Marxismus, mit seinen verschiedenen Spielarten [: immerhin!], und der nationalen Bewegung geben.” Ob er es will oder nicht: Marxisten sind Teil der Bewegung, der Avantgarde der Nation. Und andere Marxisten gehören zur Nation. Will er sie etwa auf diese Art gewinnen? Aber was mute ich ihm zu, was unterstelle ich ihm?! Hat er überhaupt den Willen, kennt er überhaupt das Gefühl der Liebe, das Gemeinsame in den verschiedenen Sprachen herauszufiltern, sich darum zu bemühen? Was verbindet uns Deutsche denn? Es sind Sprache, Kultur, Abstammung, Schicksal, gemeinsames Territorium und unser aller Wille, uns zu entfalten, wozu innerer und äußerer Frieden nötig ist. Erst dann kommen wir zu den verschiedenen Interessen und Ideologien. Wenn er das nicht einsieht, kann er nicht den Anspruch erheben, einer nationalen Bewegung anzugehören. Dann ist er höchstens Repräsentant eines Teils der Nation (was keine Schande wäre) und, wenn er es mit seiner Ausschließlichkeit weiterhin so ernst meint, Angehöriger einer Bürgerkriegspartei, also ein Volksfeind. Die gleichen Vorwürfe gehen natürlich auch an Marxisten, aber die – außer den Nationalmarxisten – erheben auch nicht den Anspruch, nationalbewegt zu sein. Die Nationalmarxisten, die ich kenne (Oberlercher, Nier, Koth), entwerfen das Bild einer Volksgemeinschaft in ihrer ganzen Tiefe und Dialektik, bei dem es, ohne Leugnung des Gesellschaftlichen, an oberster Stelle um das Gemeinschaftliche geht. An keiner Stelle geraten sie in Versuchung, einen Teil des Ganzen zu favorisieren. Aber bei ihnen geht es eher um Theorie als um Ideologie. Damit hat Strohner nicht so viel am Hut. Für ihn gilt: “keine wirklichen Kompromisse”! Aber mit diesem kleinen Wörtchen “wirklichen” gibt er uns Anlaß zur Hoffnung, daß es mit seiner Kompromißfähigkeit, mit etwas mehr Gelassenheit doch noch etwas wird. Es kann ja mit Strohners geistiger Freiheit, mit der Emanzipation vom Ideologischen auch nicht weit her sein, wenn wir bei ihm lesen: “Der wirklichkeitsbezogene nationale Sozialismus [: unter diesem Begriff ist offenbar die ideologische Entsprechung für Volksgemeinschaft zu verstehen] gibt dem Einzelnen das geistige und seelische Rüstzeug für dessen Selbstbewußtsein”. Mit einem solcherart gespeisten Selbstbewußtsein ist es in der Tat kein Wunder, wenn Strohner mit Clichés um sich schlägt und mit Popanzen ideologische Scharmützel führt. “Er [der WNS] läßt niemand in die Ausgrenzung fallen”. Zu gütig. Welchen Namen gibt er aber seinem Umgang mit Marxisten? Gottseidank hat er (noch) nicht die Macht, auszugrenzen: Das wiederum wird vom Ausgrenzungsverhalten und der Kompromißfähigkeit der momentan an der Macht befindlichen Linken abhängen. Seine Raserei gegen die Wirklichkeit wird auch in diesem Satz erkenntlich: “Er [immer noch der WNS] (...) erzieht den Einzelnen zur Wahrung der ewigen Werte (Liebe zum Volk, zur Heimat, Anständigkeit, Ehre, Treue...).” Wie und wo soll denn diese “Erziehung” stattfinden? Etwa im Umerziehungslager? Mit Strohner in der Rolle als Schuldirektor Dr. Prügelpeitsch? Der “Einzelne” wird sich bedanken und ganz bestimmt gute Zensuren in den in Klammern aufgeführten Fächern zu erlangen bestrebt sein. Schöne neue Welt! Aber ich vergaß: Strohner ist Rechter. Und bei denen muß man ja zu dem “erzogen” werden, was die unter Liebe verstehen. Putzig wird’s, wenn Strohner zum WNS und dessem “aristokratischen Prinzip der Natur durch seine Führerauslese” kommt. In diesem Satz kommt das ganze Elend des WNS zum Ausdruck. Wer liest denn nun aus?: Die Natur? Oder muß der vom WNS etwas nachgeholfen werden, muß korrigierend eingegriffen werden? An dieser Stelle wird es ja immer am lustigsten: wenn neonationale Sozialisten mit ihrer “naturwissenschaftlichen Weltanschuung” sich nicht nur an die Stelle des Volksganzen setzen, sondern gleich noch auch an die Stelle der Natur! Der Nazi quasi als Gott! Und wenn Gott nicht so will wie unsere schlauen Naturwissenschaftler (wie etwa in der Frage der Homosexualität), dann müssen da eben Besserungen vorgenommen werden. Aber alles natürlich im Namen der Natur! Und das nennt sich dann “wirklichkeitsbezogen”! Strohner müßte die Masche doch noch aus der DDR bekannt sein; er kritisiert doch selbst die “objektiven Gesetze” der Marxisten. Fällt ihm wirklich nichts auf? “Der nationale Sozialismus unterdrückt nicht die Tüchtigkeit durch Gleichmacherei”, schreibt Strohner. Will er uns damit sagen, man müsse erst NSler werden und in den Genuß dieser genialen Weltanschauung kommen, um sich fleißig Erarbeitetes nicht von Faulen wegnehmen zu lassen? Hält er uns denn alle für total gaga? Ich habe in verschiedenen Berliner Taxikollektiven etliche linke Kollegen kennengelernt. Die würden über so viel Schwachsinn nicht einmal den Kopf schütteln. Aber ganz sicher fehlt diesen Egalitaristen und Nivellierern der Bezug zur Wirklichkeit... Den hat ja unser Student Strohner gepachtet. Schön wär’s. Ein gegen die Wirklichkeit, die wirklichen Menschen ankämpfender Ideologe ist er.
Anders der linke Jürgen Schwab. Der merkt wenigstens noch etwas; man fühlt, wie er leidet unter den Gegebenheiten; er gibt sich Mühe, unter das Ideologische, unter all die Begriffsgitter zu kommen, spricht wenigstens
bedauernd von “Begriffswirrwarr” – was dem Tatmenschen Strohner nie einfallen würde –, der ihn leiden läßt, weil er den Begriff “Volksgemeinschaft” fühlt, weil dieser mehr
als Begriff ist, sondern Wirklichkeit, menschliche Wirklichkeit, weil er “Bürgerkrieg” fühlt, weil er weiß, was dieser bedeutet. Er bleibt dem Wirrwarr freilich noch verhaftet. Aber er gibt
sich nicht damit zufrieden, eine Unruhe treibt ihn, er ist bereit, den entscheidenden Schritt zu gehen: eine intellektuell-begriffliche Entwirrung bleiben zu lassen und dafür den ganzen ideellen Kram, nachdem er es
noch einmal vorbildlich versucht, einfach über Bord zu schmeißen, da, wo dieser nichts mehr ausrichten kann, sich davon zu emanzipieren, zur Liebe, zum Kern vorzustoßen und sich dem Geist anzuempfehlen, der
bedingungs- und grenzenlosen Liebe. “Dezisionistisch”! Zweimal nennt er seinen Gegner “lieber Paul”. Wahrscheinlich fühlt sich dieser davon nur angeschwult. Aber ich befürchte, lieber Jürgen,
es ist verlorene Liebesmüh, wenn Du NSlern mit Argumenten kommst; sie begreifen es nicht, wenn Du ihnen auch nur einen ihrer eklatanstesten Widersprüche darlegst, etwa daß nämlich auch Kommunisten “Träger
deutschen Blutes” sind und nichts hinter Stacheldraht zu suchen haben. Das begreifen sie nicht; Augen zu und durch! “Die wenigen konstruktiven Kräfte der nationalen Rechten” – ja, Du sagst
es... Die NSler sind Bürgerkrieger und wollen KZs. Rechte wissen nicht, was Liebe ist. Sie haben Herzen aus Stein. Und wenn wir Linken nicht in die Offensive gehen, werden wir im KZ landen, wir, die wir dies keinem
Rechten wünschen und antun würden.
Und er geht mutig seine Meister Sander und Oberlercher an, die “sich gegenseitig vorwerfen, die politischen Begriffe falsch zu definieren”, läßt sich von ihnen nicht mehr verwirren, geht seinen Weg, geht unter die ideellen Debatten. Ja, einen Weg, der ihn zum “Schwabismus” führt: seinen eigenen Weg. Jeder Deutsche sein eigener -ismus! So ist’s richtig! Was für Strohner Grund zu Hohn und Spott ist, das war dem rechten Guru Carl Schmitt noch Grund zu größtem Entzücken: Wer von den Rechten weiß überhaupt, in welchen Tönen Carl Schmitt von Max Stirners “Der Einzige und sein Eigentum” gesprochen hat?: “So hat er den schönsten, jedenfalls deutschesten Buchtitel der ganzen deutschen Literatur gefunden”, schreibt Schmitt in der “Weisheit der Zelle”, und “die Vermutung liegt nahe, daß es in Wahrheit nicht der Buchtitel ist, dessentwegen Schmitt Stirner mit einem Superlativ belegen will”, wie Bernd A. Laska dazu schreibt. Wahrscheinlich denken die Rechten, Schmitt sei in der Zelle, dort, wo er an die tiefsten Tiefen seiner Existenz gelangte, durchgedreht. Jedoch: “Ex Captivitate Salus”! Schmitt war ein echter Kerl, ein Denker,
und kein Ideologe; seine Epigonen und Anbeter sind Jammerlappen. “Wie soll der ‚Lehrling‘ durchblicken, wenn sich die ‚Lehrmeister‘ untereinander uneinig sind?”, fragt Schwab mit Blick auf
Sander und Oberlercher. Die Höhenluft ist noch zu dünn; im nächsten Satz kommt erst einmal der Rückzieher: “Schluß mit dem Sarkasmus!” Was soll hier sarkastisch gewesen sein? Nein, er hat nur die
Wahrheit gesagt. Doch geht Schwab – noch zögerlich – den Weg der Emanzipation weiter, läßt jeden Meister hinter sich, wird sein eigener Meister, tut es seinen Meistern gleich, entwickelt, was für
Strohner nur Phrase ist – “Persönlichkeit”. Dazu fehlt Strohnern der Mut. Deshalb die Hänselei. (Oder er hält absichtlich hinterm Berg, was schändlich wäre. Will er gar keinen echten
Gedankenaustausch? Sind wir für ihn alle schon im KZ?) Was wären Sander und Oberlercher heute, wenn sie selbst nicht radikal, konsequent und kompromißlos ihrem Herzen gefolgt und ihren Weg gegangen wären, diese
beiden der deutschesten und freiesten Intellektuellen der Nachkriegszeit? So wie ich stolz bin auf Sander und Oberlercher, so bin ich stolz auf meinen linken Kameraden Schwab. Töpferist grüßt Schwabist!
Weder Gott, noch Meister! Hoch die nationale Anarchie!
Anmerkungen:
Wer Schilys beeindruckende Bundestagsrede vor einiger Zeit bei der Debatte um die deutsche Vergangenheit, besonders um die Wehrmacht, gehört hat, dem war spätestens damals schon klar, daß dieser
Mann ein guter, vorbildlicher Deutscher, ein wahrhafter Patriot ist. Ähnlich verhält es sich für viele andere. Es sind nicht allein die Sachzwänge.
2 Der Große Führer Kim Jong Il schreibt in “Durch den großen Zusammenschluß der ganzen Nation die selbständige und friedliche Vereinigung des Vaterlands erreichen” (Pyongyang Juche 87 (1998)) u.a.: “Alle Koreaner, ob sie im Norden, im Süden oder im Ausland leben, gehören zu einer homogenen Rasse mit dem Blut und Geist der koreanischen Nation und sind in den gemeinsamen nationalen Interessen, Seelen und Gefühlen miteinander unzertrennlich verbunden. Keine Kraft vermag die durch eine lange Geschichte entstandene und entwickelte einheitliche Nation Koreas für immer in zwei Teile zu trennen und unsere Nation und unseren Nationalchrakter zu erdrosseln.” Wenn das nicht WNS pur ist. Nicht daß Strohner am Ende die Lacher gegen sich hat, oder gar selbst noch zum Dschudschisten wird!
3 Es gab ja vor einiger Zeit eine gelungene Satire in einer linken Zeitschrift, wo sich einige linke Promis in einem KZ nebeneinander auf der Latrine wiederfinden. Ich bin geneigt, denen zu sagen: “Würde Euch recht geschehen, bei Eurer Feigheit!” Noch ist Zeit, die Sache im Guten zu regeln. Aber da müßten sie langsam damit anfangen, ihren lächerlichen Teufelsglauben zu exorzieren.
4 Bernd A. Laska, “Katechon” und “Anarch”. Carl Schmitts und Ernst Jüngers Reaktionen auf Max Stirner, LSR-Verlag, Nürnberg 1997, S. 29
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