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Amt für Arbeit, Soziales und Finanzen
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Manifest der Gluecklichen Arbeitslosen aus Berlin
"Das Geld ist nichts als ein kleines Stueck Faulheit. Je mehr man davon hat, desto ausgiebiger wird man die Glueckseligkeit
der Faulheit kennenlernen. (...) Im Kapitalismus ist die Arbeit auf eine Weise organisiert, die
den Zugang zur Faulheit nicht allen Menschen gleichermassen ermoeglicht: Geniessen kann die Faulheit nur, wer
durch Kapital abgesichert ist. So hat sich die Klasse der Kapitalisten von dieser Arbeit befreit, von der sich die gesamte
Menschheit befreien muss."
Kasimir Malewitsch,
"Faulheit - eigentliche
Wahrheit der Menschen" , 1921
Die Automatisation ist immer ein Traum der Menschheit gewesen. Nun
hat sich dieser Traum verwirklicht, und alle empfinden es als einen Alptraum, da sich die sozialen Bedingungen nicht so rasch wie
die Technik gewandelt haben. Dieser Prozess ist unumkehrbar, denn Roboter und Automaten werden
nicht wieder von Arbeitern abgeloest. Niemand glaubt doch noch ernsthaft an die Wiederkehr der Vollbeschaeftigung. Wir wissen alle,
dass Arbeitslosigkeit nicht mehr abgeschafft werden kann:Laeuft der Betrieb schlecht, dann wird
entlassen, laeuft er gut, dann wird in Automatisation investiert und
auch entlassen. In frueheren Zeiten wurden Arbeitskraefte
gefordert,
weil es Arbeit gab. Nun wird verzweifelt Arbeit gefordert, weil es Arbeitskraefte gibt, und keiner weiss, wohin mit
ihnen, denn Maschinen arbeiten schneller, besser und billiger. Was tun? Offiziell herrscht der
"Kampf gegen die Arbeitslosigkeit", eigentlich ein Kampf gegen die Arbeitslosen: Zu diesem Zweck werden
Statistiken
verfaelscht, Pseudoarbeitsplaetze beschafft und schikanoese Kontrollen
durchgefuehrt. Da solche Massnahmen immer unzureichend sind und nie zu dem propagierten Ziel fuehren, wird herummoralisiert und
behauptet, der Arbeitslose habe seine Situation selbst verschuldet.Der Begriff der
"Arbeitslosigkeit" ist dabei ein hilfreiches Instrument, weil er Menschen, die nicht lohnabhaengig beschaeftigt sind, im
oeffentlichen Bewusstsein entwertet und reduziert. "Arbeitslosigkeit" ist ein schlechtes Wort, ein negativ besetzter Begriff,
die Kehrseite der Medaille der Arbeit. Ein Arbeitsloser ist bloss ein Arbeiter ohne Arbeit. Dabei wird ueber den Menschen als Poet, als
Reisender, als Suchender, als Atmer nichts gesagt. In der Oeffentlichkeit darf nur von
Arbeitsmangel die Rede sein, erst in privaten Sphaeren, abseits von Journalisten, Soziologen und anderen Schnuefflern, wagt man,
aufrichtig zu sein. "Ich wurde entlassen, geil! Endlich habe ich Zeit, jeden Tag auf
Parties zu gehen, brauch nicht mehr aus der Mikrowelle zu essen und kann ausgiebig voegeln." Soll diese Trennung zwischen privater
Weisheit und oeffentlicher Luege aufgehoben werden? Heute muessen diejenigen, die noch Arbeit haben, Zufriedenheit heucheln, und die
Arbeitslosen muessen, nur weil sie keine Arbeit haben, Unzufriedenheit heucheln. Geblieben ist die Angst vor der Arbeitslosigkeit,
die beste Peitsche zur Steigerung des Kriechertums. Immer wieder wird das Recht auf Arbeit
eingefordert, als ein Urbeduerfnis des Menschen. Doch welchen Wert hat Arbeit heutzutage? Alleiniges Ziel jeder einzelnen Arbeit ist
doch, den Gewinn des Unternehmens zu steigern, und ebenso ist auch die alleinige Beziehung des
Arbeiters zu seiner Arbeit sein Gehalt. Gerade deshalb, weil Geld das Ziel ist und nicht gesellschaftlicher Nutzen,
existiert Arbeitslosigkeit. Vollbeschaeftigung bedeutet oekonomische Krise, Arbeitslosigkeit bedeutet gesunder Markt. Was passiert,
wenn ein Konzern ankuendigt, dass er so und so viele Arbeitsplaetze vernichtet? Alle
Boersenspekulanten loben seine Sanierungsstrategie, die Aktien steigen, und bald darauf wird die Bilanz die entsprechenden Gewinne
aufweisen. Auf diese Weise schaffen die Arbeitslosen mehr Profit als
ihre Ex-Kollegen. Logischerweise muesste man also dem
Arbeitslosen dafuer danken, dass er wie kein anderer das Wachstum foerdert. Statt dessen
kriegt er nicht einen Furz des Gewinns ab, den er selber schafft. Der Glueckliche Arbeitslose ist der Meinung, dass er fuer
seine Nicht-Arbeit entlohnt werden muss.Wenn der Arbeitslose ungluecklich ist, so liegt
das nicht daran, dass er keine Arbeit hat, sondern dass er kein Geld hat. Also sollten wir
nicht mehr von "arbeitslos", sondern von "geldlos",
nicht mehr von "Arbeitsuchenden", sondern von "Geldsuchenden"
reden,
um die Dinge klarer zu stellen. Wo koennen wir unser Geld herholen? Nun, man rechne einmal
nach, wieviel Geld insgesamt von den Steuerzahlern und Betrieben "fuer Arbeitslosigkeit" offiziell ausgegeben wird, und
dividiere durch die
Zahl der Arbeitslosen: Na, da sind eindeutig mehr Nullen dran, als wir
auf unseren Konten finden, nicht wahr? Ausgegeben wird nicht hauptsaechlich fuer den Wohlstand der Arbeitslosen, sondern fuer
seine schikanoese Kontrolle, durch zwecklose Termine, sogenannte "Um-, Aus-,
Fortbildungsprogramme", die nirgendwoher kommen und nirgendwohin fuehren, Scheinbeschaeftigungen fuer einen Scheinlohn - nur um
die Statistiken kuenstlich herunterzudruecken. Also nur, um ein wirtschaftliches Trugbild aufrecht zu erhalten. Unser
erster konkreter Vorschlag ist sofort umsetzbar:Die Beendigung aller
Kontrollmassnahmen gegen Arbeitslose, Schliessung saemtlicher Statistik- und Propagandabueros (das waere unser Beitrag zum Sparpaket)
und automatische, unbefristete Zahlung der Unterstuetzung inklusive der gesparten Summen.Die herrschende Politik sagt, die
Arbeitslosen laegen Vater Staat auf der Tasche, seien unfaehig, auf eigenen Fuessen zu stehen,
und so weiter und so fort. Nun, soweit wir wissen, existiert
der Staat immer noch, und kassiert auch Steuern ein. Deshalb sehen
wir keinen Grund, weshalb wir auf seine Unterstuetzung verzichten sollten. Aber staatsfixiert
sind wir nicht. Unseretwegen mag das Einkommen der Gluecklichen Arbeitslosigkeit sehr wohl vom privaten
Sektor finanziert werden, sei es durch Sponsoring, extra Kapitalertragssteuer oder
"Erpressung". Wir sind nicht waehlerisch.Wenn der Arbeitslose ungluecklich ist, dann liegt das auch daran, dass der einzige
gesellschaftliche Wert, den er kennt, die Arbeit ist. Er hat nichts mehr zu tun, er langweilt sich, er hat keine Kontakte mehr, da ja
die Arbeit oft auch einzige Kontaktmoeglichkeit ist, das gleiche gilt uebrigens auch fuer Rentner. Der Grund dieser existentiellen
Misere ist natuerlich die Arbeit, und nicht die Arbeitslosigkeit. Der
glueckliche Arbeitslose weiht neue gesellschaftliche Werte ein, auch wenn er nichts anderes schafft. Er entwickelt die Kontakte mit
einem Haufen sympathischer Menschen. Er ist sogar bereit, Resozialisierungskurse fuer gekuendigte Arbeitnehmer zu geben. Immerhin
verfuegen alle Arbeitslose ueber eine preiswerte Sache: Zeit. Das koennte ein historisches Glueck sein, die Moeglichkeit, ein
vernuenftiges, sinn- und freudevolles Leben zu fuehren. Man kann unser Ziel als eine
Zurueckeroberung der Zeit kennzeichnen.Und Zeit brauchen wir, um mit
neuen sozialen und wirtschaftlichen Raeumen zu experimentieren,
in deren Mittelpunkt nicht der Erwerb von Geld, sondern die Befriedigung und Entwicklung
unserer Beduerfnisse stehen. Dafuer brauchen wir nicht nur konkrete Orte, sondern auch eine materielle Basis. Hier
kommt uns das Effektivitaetsdenken des Kapitalismus zugute, der zunehmend Ressourcen (Fabriken,
Gebaeude, Maschinen, Investmentruinen, Grund und Boden usw.) fuer ueberfluessig erklaert, brach liegen
laesst. Diese Ressourcen gilt es zu entdecken, einzufordern und anzueignen.
Kontakt: Die gluecklichen Arbeitslosen von der
Kooperative Haina,Burgmuehle, D-99869 Haina, Tel.: 036254 / 71 300
Quelle: trend Interimausgabe für März & April 1998; Geliehene, ueberarbeitete und gekuerzte Fassung von: Manifest der Gluecklichen Arbeitslosen aus Berlin. Selbstdruck 1996
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