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Pierre Guillaume: Offener Brief an Lionel Jospin

(Dieser Offene Brief an den französischen Premierminister erschien auf deutsch zuerst in Sleipnir. Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik 4 /1997)

Mein lieber Lionel,

Während des Präsidentschaftswahlkampfes im Jahre 1995 bin ich auf eine Deiner Wahlkampfveranstaltungen in die École Normale Supérieur gegangen, wo ich Dir inmitten eines mir hysterisch feindlich gesinnten Publikum folgende Frage gestellt habe: “Sie haben mir einst persönlich versprochen, daß es niemals in Frankreich in Frage käme, Bücher zu verbieten. Darf ich Sie danach fragen, was Sie heute von der Zensur halten und was Ihre Haltung in puncto Verbot bestimmter Bücher sein wird?”

Auf diese Frage hattest Du geantwortet: “Ich bin persönlich Gegner der Zensur. Ich setze mich selbstverständlich mit all meiner Kraft dafür ein, daß man entschlossen gegen absurde historische Thesen kämpft, die von den bedeutendsten Historikern zurückgewiesen und die von allen Zeugnissen widerlegt werden, aber ich bin gegen eine Zensur.”

So weit so gut. Aber die Meinung zur Zensur ist, in Deiner wie auch meiner Position, keine rein persönliche mehr. Da Du politisch mit Fabius (dem Premier, unter dem das Gesetz verabschiedet wurde, das die Zensur wieder einführte), mit Hue (dem Generalsekretär der FKP) und Gayssot (dem Autor jenes die Zensur über die Hintertür wieder einführenden Gesetzes) und ihresgleichen verbündet bist, Dich gleichzeitig aber als Gegner der Zensur erklärst, läufst Du Gefahr, gegen alles zu sein. Meine Frage ist also keine akademische.

Der französische Innenminister hat gerade die Verbreitung des Rudolf-Gutachtens, jener Studie eines Doktoranden der Chemie über “Reste von Blausäureverbindungen in [...] [jenen Objekten, deren Vorhandensein und Funktionsweise zu bestreiten in Deutschland derzeit strafrechtlich verfolgt wird]” unter dem surrealistischen Vorwand verboten, die Thesen dieses Gutachtens bedeuteten eine “Bedrohung des öffentlichen Friedens”.

Der Volksbildungsminister wiederum hat soeben einen pädagogisch untadeligen Mathematiklehrer entlassen, der bei seinen Schülern – denen er wieder die Lust zu lernen geweckt hatte – und deren Eltern beliebt war. Man legte ihm die Verfassung eines Buches zur Last, das zum Zeitpunkt noch nicht einmal erschienen war, in welchem er die gängige Geschichtsschreibung einiger Ereignisse des Zweiten Weltkrieges und insbesondere des Massakers von Oradour revidiert hatte.

Gerade zu der Zeit, da sich die Verurteilungen von Verlegern, die Beschlagnahme von Büchern, die durch Mißbrauch des Artikels 14 des Gesetzes über die Freiheit (sic!) der Presse erwirkten Beschlagnahmungen häufen, startet man im Milieu der “Linksintellektuellen” eine spektakuläre Agitation gegen die angebliche Bedrohung der Kultur und der Meinungsfreiheit durch die Front National. Unter diesen Umständen scheinen mir die Züge nach Chateauvallon, die Straßburger Kirmesse, ja diese ganze orchestrierte Kampagne gegen eine Bedrohung an Stellen, wo es sie nicht gibt, nur dazu zu dienen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von der realen Bedrohung abzulenken, von der Einführung einer totalitären, höchst wirksam funktionierenden Zensur in Frankreich.

Die “antifaschistische” Propaganda dient nur noch dazu, nicht erkennen zu lassen, daß jede antikapitalistische Kritik aufgegeben wurde. Sie ist heute das Alibi, das Feigenblatt des konzertierten Totalitarismus des Kapitals.

Als die Auseinandersetzungen um Robert Faurisson an Schärfe zunahmen und Versuche erkennbar wurden, mich als Verleger Faurissons indirekt in ein terroristisches Attentat zu verwickeln, mich auf diese Weise aus dem Verkehr zu ziehen, bestand die einzige Gegenmaßnahme, die Provokation ins Leere laufen zu lassen, darin, sie rechtzeitig vorher aufzudecken. Ich bin also zur DST (Direction de la Surveillance du Territoire – ein Inlandsgeheimdienst – d.Ü.) gegangen, um meinen Verdacht darzulegen; doch um noch sicherer zu gehen, hatte ich Dir sowohl von meinem Besuch bei der DST als auch den Inhalt meiner Erklärung mitgeteilt und Dich gebeten, für den Fall damit an die Öffentlichkeit zu gehen, daß es dennoch zu dieser Provokation kommen sollte. Und ich hatte gleichfalls die DST darauf hingewiesen, daß Du mir zugesagt hattest, in einem solchen Falle die Öffentlichkeit zu unterrichten.

Ich habe diese Angelegenheit in dem den Abonnenten der Vieille Taupe vorbehaltenen Mitteilungsblatt Nummer 5 zusammengefaßt dargestellt  und darauf verwiesen, daß ich seinerzeit eine hochrangige Persönlichkeit in der Politik davon in Kenntnis gesetzt hätte. Ich hatte mich an Dich gewandt, weil Du die einzige Person in meinem Umfeld warst, die seit der Wahl Mitterands und Deines Aufstieges in das Generalsekretariat der Sozialistischen Partei einen gewissen politisch-medialen Einfluß genoß. Obwohl wir nie auf derselben intellektuellen und politischen Wellenlänge gewesen waren, hatte ich ein gewisses Vertrauen in Deine Integrität.

Bei dieser Gelegenheit hatten wir die Affäre gründlich erörtert. Du kanntest Rassinier durch Deinen Vater, der ihn bei den Freidenkern kennengelernt hatte und ihn schätzte. Du hattest “Le mensonge d’Ulysse”, von dem ich Dir ein Exemplar gegeben hatte, nicht gelesen, doch seltsamerweise kanntest Du Rassiniers viel weniger bekanntes Werk  “Candasse ou le Huitième peché capital”, eine Art autobiographische Fabel. Aus seinen Positionen wurdest Du nicht schlau. Du machtest deutlich, Dich weder an diesem Streit beteiligen, noch der Sache auf den Grund gehen zu wollen, um nichts in der Welt. Allerdings zweifeltest Du weder meine Ehrlichkeit, noch die Aufrichtigkeit meiner Absichten an.

Ich hatte den Eindruck, Du sahest  mein Engagement aus der gleichen Distanz  wie meine seinerzeitige – von Dir nicht geteilte – Kritik der politischen und gewerkschaftlichen Bürokratie der sogenannten Arbeiterbewegung, einschließlich der Trotzkisten. Und so hatte unsere freundschaftliche Beziehung, die auf dem Zufall gegenseitiger familiärer Besuche basierte, nichts Politisches, auch wenn wir voneinander sehr genau Bescheid wußten. Wir lebten auf verschiedenen theoretischen Planeten, sprachen bei unseren Begegnungen nur wenig oder oberflächlich von Politik und beobachteten uns gegenseitig mit Neugierde. Nur einmal stelltest Du mir eine Frage nach der “Kommunistischen” Partei, die mir in unmittelbarem Zusammenhang mit strategischen Überlegungen Mitterands zu stehen schien. Denn obwohl Du meinen Standpunkt nicht teiltest, schätztest du durchaus den Realismus meiner Wahrnehmungen und die Stichhaltigkeit bestimmter Analysen. Ich hatte Dir geantwortet, daß eine beträchtliche Fraktion im Parteiapparat durch unverbrüchliche Bande aller Art – u.a. wirtschaftlicher – mit Moskau unwiderruflich kompromittiert sei, daß aber die Basis der politischen und gewerkschaftlichen Bürokratie ihre Wurzeln im französischen ökonomischen und sozialen Boden hat und daß diese Fraktion national, ja sogar nationalistisch sei. Auf jeden Fall hattest Du mir anläßlich einer unserer letzten Treffen versichert, daß es “in Frankreich nicht in Frage kommen werde, Diskussionen zu behindern oder Bücher zu verbieten”.

Neun Jahre später aber hast Du für das Gesetz Gayssot gestimmt!

Mir kommt ein Satz von Daniel Mothes, der bei Renault politisch aktiv war und der Gruppe ”Sozialismus oder Barbarei” angehörte, in den Sinn: “Das römische Reich hat Ruinen hinterlassen; die Arbeiterbewegung nur Müll.”

Heute leitest Du den Wahlkampf einer Koalition, die total und absolut der Logik des Kapitals unterworfen ist, die im “Antifaschismus” den größten Teil ihres Mülls wieder aufarbeitet.

Ich habe auf der Buchmesse einen Text der Librairie du Savoir, der antitotalitären rumänischen Buchhandlung in Paris, verteilt, die mutigerweise den Verkauf von Roger Garaudys Buches “Les Mythes fondateurs de la politique israélienne” übernommen hat und daraufhin mehrere Male überfallen wurde. Ich habe beobachtet, wie der Bücherstand des Front National von einer brüllenden Meute niedergerissen wurde, die den Front National beschuldigten, “Bücher vernichten zu wollen”. Hier ein Ausschnitt des Textes, den ich dort verteilt habe: “Der Antifaschismus hat für die schlimmsten Ungeheuerlichkeiten die Rechtfertigung abgegeben. Er stellt das Alibi des Totalitarismus dar. Er erlaubt, gegen jeden beliebigen Gegner, der als mehr oder weniger ‘faschistisch’ erklärt wird, Vorgehensweisen anzuwenden, die den ‘Faschisten’ zugeschrieben werden. Das heißt, der Antifaschismus ist der mentale Mechanismus, dank dessen alle moralischen Schranken und alle Zurückhaltung in der Ausübung von Gewalt gegenüber dem Gegner durchbrochen werden können. Der Antifaschismus wird darin nicht einmal von der Verpflichtung begrenzt, den Faschismus in seiner Ungeheuerlichkeit nicht übertreffen zu dürfen; besser gesagt, ist diese Begrenzung illusorisch, kann der Antifaschist sich doch frei die Ungeheuerlichkeiten seines Gegners zurechtphantasieren. Der Antifaschist hat also seinen Anteil daran, daß die Ungeheuerlichkeit, die er zu bekämpfen meint bzw. behauptet, Wirklichkeit wird.

Auf der anderen Seite erlaubt uns die Erfahrung des GULags die Feststellung, daß die Forderung ‘Meinungsfreiheit für alle!’ das beste und allein wirksame Bollwerk gegen jegliche Art von Totalitarismus darstellt. Heute bedrohen weder Le Pen, noch der Front National, sondern der Antifaschismus die Meinungsfreiheit. Die Zensur von Büchern seitens der Macht findet im Namen des Antifaschismus statt; und im Namen des Antifaschismus überbieten sich die bellenden Hunde von Ras l’Front. Der Antifaschismus ist zur herrschenden Ideologie der Epoche geworden, das heißt die Ideologie der herrschenden Klasse. Alles andere ist nur Theater.”

Soweit dieser Brief, der ein Offener Brief sein wird. Denn was zuviel ist, ist zuviel... Daß Du Dich dazu bereit fandest, vor laufenden Kameras die Wahlaufrufe aller Parteien zur Hand zu nehmen, nur nicht den des Front National, dieses Schauspiel war der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen gebracht hat. Denn diese Art, Le Pen als den hinzustellen, der für alle Probleme verantwortlich ist, stellt die zentrale Mystifizierung des Systems dar, an dem die Linke wie die Rechte teilhat.

Adveniat regnum tuum...

... und die Vieille Taupe wird da sein.

 

Anmerkungen:

 1 Vincent Reynouard – Anm. des nA-Seitenmeisters

2 Siehe zu den auch in der BRD beliebten Techniken der Verdrehung der Tatsachen zum Zwecke der Hetze ”Landschaft der Lüge” in Sleipnir 2/97. In Berlin tut sich insbesondere der Tagesspiegel mit gezielten Falschbehauptungen hervor, die zur mehrmonatigen ungerechtfertigten Untersuchungshaft Hans Christian Wendts und Lutz Gießens beigetragen haben dürften. Diese perfide Technik besteht darin, aus einem Buch ein Zitat zu zitieren und dann zu behaupten, das (z.B. ein Zitat aus ”Mein Kampf”, wenn es um eine Analyse dieses Werkes geht) stünde in diesem Buch – den Leser im Glauben lassend, die erwähnte Stelle spiegele des Autors Meinung. Die Angriffsobjekte dieser ”Antifaschisten” sind durchaus beliebig, wie u.a. der Kämpfer gegen die sogenannte Rechtsschreibreform, der Initiator der Frankfurter Erklärung, Friedrich Denk, erfahren mußte. Denk stellte richtig: ”Ich werde im Tagesspiegel auf neofaschistisch und militaristisch getrimmt. Jeder, der mich kennt, weiß, daß ich nichts dergleichen bin. Ich bin eher ein Anarchist. Ich habe nichts mit dem Nationalsozialismus am Hut. Und der Völkische Beobachter bleibt ganz gewiß eine häßliche Zeitung. Im Tagesspiegel werde ich mit einem Satz zitiert, der nicht von mir stammt. Der mir zugeschriebene Satz: ‘Von einer geistigen Einkerkerung durch das NS-Regime kann zumindest in den 30er Jahren keine Rede sein’ ist ein Zitat, das ich im Buch verwende.” (Zit. nach die tagesztg. vom 23. 10. 96) – Anm. der Sleipnir-Schriftleitung

 

Übersetzung: Peter Töpfer

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