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Peter Töpfer: Die Lust an der Wiederentdeckung des Eigenen

(erschien zuerst in Staatsbriefe 4/97  im Aufsatzverbund “Auferstehung im Tanz”)

1.

Hat der junge deutsche Nationalist es mit Kunst und Kultur zu tun, kommt Unsicherheit auf Er fühlt sich verpflichtet, zu Volk und Heimat zu stehen und das Traditionelle hochzuhalten. Er hat Angst, beim Pfeifen von britischen Liedern und beim Gang in einen amerikanischen Kinofilm ertappt zu werden. Vorbeugend sagt er: ,,Ist Ami-Mist, aber echt gut gemacht!” Er legt beim Gebrauch vom Anglizismen die Stirn in Falten, zeigt aber gern, daß er sie versteht. Auch t-shirts mit Mickey-Mouse-Emblem oder California-Dream-Motiv sind immer wieder beliebt. Befund: Schizo.

Wie da herauskommen? Was hat das für den kulturpolitisch Interessierten zu bedeuten? Von welchen Kriterien soll er sich leiten lassen? Gibt es Linien, an denen sich die Kulturarbeit im sog. nationalen Lager auszurichten habe? Kaum. Die Antwort liegt zum einen schlicht und einfach in der Praxis. Es wird der Künstler und der Kulturschaffende sein, der in schöpferischer Arbeit Werke schafft, die in Bereichen seines Selbstes entstehen, in die diese Art Diskussion sowieso nicht vordringt. Das Material drängt sich in ihm zusammen, und woher die Einflüsse stammen, denen er unterliegt, spielt keine Rolle. Aber durchsetzen wird sich letztlich er, weil er Ausfüllung, Präsenz und Ausstrahlung mit sich bringt.

Zum anderen muß die Antwort darin liegen, daß aufgehört wird, gegen Spaß und Freude anzugehen und daß vielmehr dort, bei der Lust, die Wiederentdeckung des Eigenen zu beginnen hat. So wie wir gewisse angebliche BRD-Verfassungspatrioten immer wieder als Verfassungsfeinde entlarven müssen, wenn sie im Namen von Freiheit, Demokratie und Pluralismus Andersdenkende vernichten wollen, und immer ein Mehr an Freiheit fordern müssen bzw. wirkliche Freiheit vorleben müssen, so kann auch im Bereich der Alltagskultur und Freizeitgestaltung nur ein Mehr an Spaß bzw. echte Lebensfreude unser Ziel sein. Einer Lebensfreude, die gleichwohl bei aller Intensität ihren Platz im Gesamtleben hat und diesem immer wieder neue Energien mitgibt. (Tekkno-Tänzer wandeln oft wie Mumien daher und sind nach einem durchraveten Wochenende für mindestens die erste Wochenhälfte außer Gefecht.) Was uns die Jugendbewegung in der ersten Hälfte des Jahrhunderts vorgemacht hat, ist unvergleichlich schöner als verqualmte und verdröhnte Diskotheken, wo nur Flucht vor sich selber stattfindet. Im übrigen stehen vermeintlich gegen-hedonistische Werte wie z.B. Pflichterfüllung und Treue nur für eine tiefere Befriedigung von Bedürflüssen und sind nur als eine solche zu vermitteln. Es ist schön, an etwas Großem mitzuarbeiten und seinen Teil dazu beizutragen.

Wir müssen Verständnis aufbringen für die Jugend, die – wie man das vom Verhalten eines jeden unterworfenen Volkes her kennt – bereitwillig und freiwillig den modernen Dreck konsumiert. In allem aber ist es etwas Positives, sonst würde keiner aufspringen. Dieses Positive muß gewürdigt werden. Die nationale Rechte, die überheblich von ,,Nationalmasochismus” spricht, verachtet das Volk, versucht nicht, das Volk zu verstehen, für das es normal und notwendig ist, in einer Niederlage sich selbst zu verleugnen, sich aufzugeben, dem Selbsthaß zu verfallen und sich mit dem Stärkeren, dem Sieger zu identifizieren. Sie hat den Krieg noch immer nicht verloren. Das sich aus der Niederlage ergebende macht unsere derzeitige Identität aus; gerade hierin liegt die Deutschheit unseres Volkes, das ist das momentan Konstituierende unserer Gemeinschaft, einer zwangsläufig schwachen Gemeinschaft. Wer nicht so ist oder nie so gewesen ist, ist gewissermaßen gar kein richtiger Deutscher. Nicht umsonst engagieren sich die Verleugner des eigenen Volkes so vehement für die Verteidigung anderer Völker. Und genau daran arbeiten derzeit die Zionisten: an der endgültigen Zerstörung des ethnischen Denkens – gleichgültig, um welches Volk es geht –, dieses Überbleibsels gesunder Selbstbetrachtung. Um wieder in den Vollbesitz unserer Kräfte zu gelangen, müssen wir durch den Schmerz des Nachkrieges und der daraus in den nächsten Generationen folgenden seelischen Verstümmelungen gehen. Das Volk muß erkennen, daß es nicht es selbst, sondern fremdbestimmt ist und daß es so seine Probleme nie wird lösen können. Die da spotten, wissen nicht, was sie verloren haben. Wie kommen sie dazu, ihre Volksgenossen so zu verachten?

Die Deutschen sind verhärtet, unfähig zu trauern. Wir müssen aber, wenn wir wieder wir selbst, souverän werden wollen, diese Lage – daß wir überrumpelt und beschissen, daß uns alles weggenommen worden ist und wir nur noch im Ersatz leben; alles was uns angetan worden ist – anerkennen und beklagen – ,,Trauerarbeit leisten” –; dann werden wir die Verbindung wieder herstellen, anknüpfen können an bessere Tage.

Den Moralisten und völkisch Korrekten, die von der Sache eh nichts verstehen und in Ermangelung von Gespür den anderen die Stimmung vermießen und ihren schlechten Geschmack aufdrängen wollen, muß widersprochen werden. Da werden langweilige Museumsbesuche zur Pflichtveranstaltung, nur weil man glaubt, etwas für die ,,Kultur” tun zu müssen. Irgend etwas sittlich Reines wird zum Ideal, doch die Doppelmoral laßt grüßen.

Von oben kann es also kein Rezept für eine Kulturarbeit im nationalen Lager geben. Alles muß sich neu entwickeln, im Wilden, aus dem Chaos heraus. Und hier ist der Künstler, der Kulturarbeiter die Vorhut des Volkes. Doch auch er unterliegt bestimmten Einflüssen, empfindet diffus ein Fehlen, ein gewisses Unbehagen, ist möglicherweise selber verunsichert und in seiner Schaffenskraft gebremst. In der Tat haben wir es mit einer Zeit zu tun, in der schlecht schöpferisch sein ist. Alles ist dem Flachsinn und der Hektik unterlegen und die Ragnarök werfen Schatten voraus, verdirbt einem die Lust, macht alles so unerheblich. Gern denkt man an die Zeiten in der DDR zurück, in der es die sog. Nische gab, wo es lustig zuging. Diese Zeiten sind vorbei; die Eindimensionalität hat uns alle erwischt. Und der große Boss paßt auf daß es dabei bleibt und daß wir alle schön doof bleiben und sein Gift schlucken: Alle Ecken läßt er sorgfältig mit dunklem Gesöff ausspülen; übrig bleibt süßes, zähes Gelumpe, auf dem wir alle kleben bleiben. Jeden Hoffnungsschimmer kauft er zunichte. Eine talentierte junge deutsche Sängerin bekommt einen Vertrag und verschwindet im Einheitsbrei, der alles überwälzt.

Aber verdammt, damit muß doch einmal Schluß sein!

Was sollen wir tun, fragt der Kulturarbeiter ratlos und stochert im Müll herum, sucht nach neuen Konstellationen, Reizen, cross overs. Das gibt alles nichts mehr her. Da heißt es sich besinnen, vielleicht den Rückzug in die Stille antreten oder im Gegenteil sich Wutanfällen hingeben. Oder vielleicht mal einen Blick zurückzuwerfen und sich in der indigenen Geschichte umschauen.

Versuchs doch mal mit den Altvorderen!

2.

Und damit betreten wir eine andere Welt. Plötzlich empfinden wir etwas ganz anderes. Irgend etwas naives, lächerliches. Wir lachen mit einem Male, noch etwas verlegen. Doch dann sagen wir: Daß der Gebirgsfluß so rein ist, das ist doch sehr schön so. Was sollen wir dagegen haben? Und daß die Luft atembar ist, auch das ist eigentlich eher ein Vorteil. Die Lautstärke ist so wie sie sein muß und hämmert uns nicht zu. Wir sind mit einem Male selber aktiv und stehen nicht in einer Masse von Konzertbesuchern, die einem star zujubelt.

Und das alles haben wir dem einfachen Entschlusse zu verdanken, einmal zum Volkstanz zu gehen. Da wo man Mensch ist und sein darf.

,,Daß ich so was noch erleben durfte!”... Tanzen wollte man ja schon immer, aber ach, irgendwie war man abgestoßen von den Höhlen, wo man sich trotz Massenandrangs so verloren vorkam. Was für ein Unterschied hier nun unter diesen Menschen, die es gar nicht mehr geben dürfte, die entspannt und anmutig geerdet, gemittet sind (und was sonst noch der Attribute des mental Suchenden der Moderne waren). Hier sind sie es wirklich. Ganz weit weg von Tai Ji Quan und Bio-Feedback: hier bei uns in Deutschland. Ohne Theorien. War ich glücklich! Es war wieder etwas mehr zusammengewachsen, was zusammengehört. Schon war ich euphorisch gewesen, als ich beim nationalen Liederabend erfuhr, daß es in unserer Stadt eine Volkstanzgruppe gibt. Bald hatte ich die Grundelemente erlernt und nun war ich mit meinen Kameraden hier in diesem Heidelager: ein ganzes Wochenende nur Tanz Tanz Tanz. Unter Jungs und Mädels, jüngeren, älteren, aber alle von unserer Art, so wie du und ich: deutsch. Es durchdrang mich so tief: Hier bist du, wo du hingehörst, wonach du dich immer gesehnt hast. Wo du endlich mal nicht mit der ,,Gesellschaft” kollidierst. Aus all den frohen Gesichtern und wie sich die Menschen bewegten, strahlte ihre Art heraus, ihr wahres Temperament. Hier sind wir so, wie wir sind und feiern das Leben auf unsere Art: als Deutsche unter Deutschen. Welch Glück; schnell ließ die Wut von mir ab. Weit weg vom Moloch der Megamaschine, der sog. Multikultur, des ganzen irrsinnigen sinnlosen Krampfes, von all den Kranken, den armen Kerlen mit den bunten Haaren, die nicht in sich ruhen, die nicht selbstbewußt auf ihre Weise leben können, die, eingeschüchtert, nicht so sein können, wie sie sind; den albernen Zwang haben, alle möglichen Moden mitmachen zu müssen. Die Tag für Tag und immer wieder vor sich hinfremdeln, sich allen möglichen Stuß einreden lassen. Nein, hier standen Leute, die ganz einfach so waren, wie es ihr Blut und jahrhundertelange Bildung wollten: Wolfgang, ein deutscher Bursche, den die Eindringlinge so gern hätten ausrotten wollen, bei dessen Anblick sie Gift und Galle spucken würden – doch nein, hier stand er in der Mitte des Tanzkreises mit seinem Akkordeon, real existierend!, und all die Burschen und Mädels auch, die er sparsam, geradezu leise und dann doch wieder mit Betonung in Schwingung versetzte, antrieb. Das war mein Volk, und ich war Teil von ihm. Hier wurde gemeinsam getanzt, gesungen, gegessen, miteinander geredet, zwei Tage lang. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, mit anderen Menschen wirklich einem Volke anzugehören. In jedem Volksgenossen aus den verschiedensten Gauen erkannte ich, daß er – wie ich – Deutscher war. Ohne viel Worte. Wären wir doch immer Deutsche unter Deutschen gewesen, bei unseresgleichen. Wieviel Irrung, wieviel Elend wäre uns erspart geblieben; kein ,,hier ich, dort die Gesellschaft”. Welche Talente hätten sich entfalten können. Hier würden Zwiste einvernehmlich gelöst werden; hier gäbe es kein Draufhauen, keine KZs... Oh die Zerrissenheit unseres Volkes!

Es mag rassistisch klingen, aber es gibt so etwas wie musikalische Archetypen, und die Musik, die heute am meisten verpönt ist, ist unsere Musik. Da, wo die Nase gerümpft wird, dort kannst du gewiß sein, daß es unsere eigentliche Musik ist. Das ist in uns drin.

Wir Deutschen wollen eine Wiedergeburt des Gesunden, wollen wie Phönix aus der Asche steigen. Das findet statt in der Verzückung, im Wirbeln, der Ekstase im Reigen. Das ganze verkrustete, verlogene System muß von unseren Gefühlen weggeschmolzen werden; wir müssen triefen und zur neuen Gemeinschaft zusammenschweißen. Unsere Kulte und Riten müssen mit Lebendigkeit erfüllt werden. Es gilt Feste zu feiern. Nicht nach vermeintlich alten Sitten wie sie im Buche stehen, sondern zunächst aus unserem Drange heraus. Danach suchen wir die Formen in unserer Geschichte und nehmen dort das passende. Oder kucken ab, lassen uns von anderen Völkern inspirieren oder entwickeln neues.

Warum mußten wir so lange darauf warten? Daß die Sieger es uns weggenommen haben! Es brauchte ein halbes Leben, daß ein Angehöriger eines unterdrückten Volkes dorthin kam, wo er sich ganz der Musik hingeben konnte. Hat man eine Vorstellung, wie Fremdherrschaft abläuft und wie zerstörerisch sie ist? Jede wirklich spontane, selbstbewußte, artgerechte Äußerung, Bewegung fiel der ,,Kritik” zum Opfer: alles im Namen von Befreiung und Spontaneität. Da stehen sie, die kleinen Idioten, die so viel erzählt haben von Ungezwungenheit und Lockerheit, mit ihren Drogen, ihrem Gehabe, ihren sinnlosen Witzen. Oh Gott, ich habe einen Haß auf sie. Es ist vorbei, Ihr könnt abtreten, Eure Zeit ist um. Euren Quatsch braucht keiner mehr. Eure Sprüche, Eure ganze Volksfeindlichkeit, Eure Rücksichtnahme auf die Nachbarn, Eure deutsche Neurose. Geht mit Joe Cocker mit den Armen rudern, aber geht! Wir möchten Freude empfinden, unsere Sehnsucht ausdrücken.

Da hatten wir mit ,,Third World” gesungen: ,,Now that we found love, what are we gonna do?”, und kannten unser Volkslied nicht:

Ach du klarblauer Himmel,
und wie schön bist du heut,
möcht ans Herz dich gleich drücken
vor Jubel und Freud.

Aber's geht doch nicht an,
denn du bist mir zu weit,
und mit all meiner Freud,
was fang ich da an?

Was haben wir die blues der Schwarzen bewundert, diesen so unmittelbaren Ausdruck von Gefühl und Lebenslage, und den tollen christlich-heidnischen Gospel – und haben unsere Volkslieder nicht gekannt, die schön und wahr die elementarsten Lebensregungen auf den Punkt bringen. Und ob wir allen Grund zur Hochschätzung der schwarzen Kultur gehabt haben!, die uns jetzt sogar Vorbild sein muß, wie jene der Jamaikaner, wo Mythos (Kaiser Heile Selassi), Musik (Reggae), Kultur (zurück zu den afrikanischen Wurzeln), Politik (antikolonialistischer Befreiungskampf) und Bewußtseinserweiterung (Dope) eine Einheit bildeten. (Spaß beiseite.) Der Weg dahin, wir selbst zu werden, kann nur über die Anerkennung und die Liebe führen. Liebe ist gewissermaßen unteilbar; niemand weiß, wohin sie fällt. Die arischen Anti-Afrikaner, diese armen Rassisten, merken doch gar nicht, wovon sie reden. Sie sehen doch gar nicht, was die Schwarzen uns voraus haben. Man sehe sich einmal das Leben während eines afro-amerikanischen Gottesdienstes an. Das ist Kultur! Mir wird schlecht bei dem Gedanken, wie fertig wir sind, daß es bei uns nichts mehr gibt. Eine Million tief vom Glauben durchdrungener schwarzer Männer auf dem Marsch der Nation of Islam. Wie weit sind wir davon entfernt! Aber Geduld! Laßt uns erst mal richtig auf den Hund kommen. Laßt noch einige unserer Kinder in Keller-Käfigen die Hölle von durch Bonzen aus Justiz und Politik gedeckten Porno-Sklavenhändlern erleben. Dann wachen diese dämlichen Europäer vielleicht auf

3.

Worum geht es also? Der nationale Kulturarbeiter sollte nicht vornehmlich Quoten erstellen, sollte nicht dogmatisch Orientierungen vorschreiben, sondern zur schöpferischen Tat ermutigen. Laßt uns Täter sein! Experimentieren wir! Warum hat denn noch niemand in einer Disko die Macht an sich gerissen und die Kinder zur genialen Blümchen (,,Biep biep kleiner Satellit...”), zu Captain Jack oder anderen Volks-Techno-Schlagern, die sich hervorragend eignen würden, Kreistänze angeleitet? Die Kinder wären begeistert. Sicher ist es wichtig für das Seelenheil junger Männer, zu elektrisch verstärkten Schlaglauten ihre Verzweiflung auszudrücken. Doch ist nicht die Zeit gekommen, das Haar aus dem Gesicht zu streichen und sich zu Kriegertänzen einzufinden, ,,Ja!” zu sagen, anstatt nur stumpfsinnig-resignativ die Köpfe zu schütteln oder sich allemal in den Pogo zu stürzen?

Es geht nicht darum, die Musik der Amerikaner oder neuenglischer Affen zu verpönen oder gar zu verbieten. Bob Dylan und Leonard Cohen, beides amerikanische Juden, große Künstler. Woran wir aber denken müssen, ist, daß der Weg zu uns selbst viel kürzer ist, nämlich zum Überlieferten unserer Ahnen. Das, was uns entspricht und gefällt, liegt oft schon fertig vor, muß nur vom Schutt der Zeit befreit werden, wie Frank Rennicke singt. Man muß einen kleinen Schritt gehen und sich dann hingeben.

Was von den kulturellen Einrichtungen verlangt werden muß, ist, daß das aus unserer eigenen Geschichte Überlieferte auch angeboten werde, und das zuerst. Es darf doch nicht wahr sein, was in der sogenannten Volkshochschule in Berlin-Friedrichshain beispielsweise an Tanzkursen angeboten wird: Modern Jazz, einen Hip Hop Workshop, Flamenco, Step by Step, New African Dance, drei verschiedene African Drums Workshops (davon einer speziell für Frauen), History of Rock & Pop (Teil 1: Die Stars, Teil 2: Die Bands) drei Kurse Orientalischer Tanz, vier verschiedene Jazz-Dance-Kurse. In den anderen Sparten kommen dann noch die asiatischen Gurus dazu mit Wu-Hsing, Aiki-Do, Kung-Fu, Yo-Ga, Shiat-Su, Feng-Shui, und wie zum Hohn gibt es darauf noch einen Schauspielkurs unter dem Motto ,,Wie komisch sind die Deutschen?” Ja, wollen die uns denn alle verklapsen?! Verantwortlich: ,,Volkshochschul”-Direktor Bernd O. Hölters und Fachbereichsleiter Dr. Friedrich-W. Müller. Wer noch nicht genug hat, dem sei gesagt: ,,Geh‘ doch rüber!”, in den Westen nach Cross Mountain (Kreuzberg). Dort kann er dann zusätzlich, nach einem warm-up mit Release-Techniken, Kurse in New Dance, Contact Improvisation und Authentic Movement belegen. Doch halt! Es gibt noch mehr!: Da werden, unter der Verantwortlichkeit von Herrn Peter Held, Xote, Baiáo, Samba, Trote, Malambo, Chula und andere, diesmal südamerikanische Tänze suggeriert. Na klar: multi. Auch daß man mit Qi Gong ,,in die Mitte kommen kann” – jeder nach seiner Fasson. Aber wieso gibt es keinen Lehrgang für wenn nicht deutsche, dann wenigstens ,,europäische Volkstänze”?! Eine Folk-Musikerin vertraute mir an, daß ihre Gruppe früher in der DDR fast ausschließlich deutsche Musik gespielt habe, daß aber nach der Wende, quasi als Alibi, weiter deutsche Tänze spielen zu dürfen, israelische Tänze ins Programm aufgenommen werden mußten. Eine etwas skurille Blüte treibt in einer Folk Band, die ausgerechnet den Namen ,,Folkinger” trägt, deren Repertoire aber zur Hälfte aus Jüdischem, und zur anderen aus Zigeuner-Musik besteht, wozu sich dann brave Deutsche abstrampeln. Darüber schütteln dann schon wieder die Juden wie der Deutschland-Korrespondent von Ha‘aretz, Tsafrir Cohen, verständnislos den Kopf ,,Jiddel-Middel-Fiddel (...) Klezmer ist nur in Deutschland populär. In Israel sind diese Gruppen völlig unbekannt.”

Nach der Quote in Frankreich für chansons ist jetzt in Argentinien das ,,Tango-Gesetz” verabschiedet worden. Alle Aktivitäten zur Förderung und Verbreitung des Tanzes sind zum ,,nationalen Interesse” erklärt worden und dürfen nicht mehr besteuert werden. Na bitte, es geht doch.

Der nationale Kulturarbeiter muß es lernen, sich mit seinen neuen Ideen durchzusetzen. Er muß aber auch ermutigt werden. Warum gibt es keine nationalen Schneiderwerkstätten, die passende Kleidung entwerfen und herstellen? Wir sollten uns schämen, daß wir alle in diesen jeans stecken. Aber gibt es eine Alternative? Ja, ganz bestimmt, es muß nur begonnen werden.

Die Kurden machen es uns vor. Michael Girkens schreibt im Neuen Deutschland über das ,,9. Kurdische Festival für Musik und Tanz” in Bielefeld unter der Überschrift ,,Kurden aller Länder, tanzt miteinander!”: ,,So haben fast alle Festivalteilnehmer ihre Kultur erst im Exil kennengelernt, mitten in einer eher auf Popart ausgerichteten Kultur. Um so erstaunlicher, welche Begeisterung zu spüren ist.” Auch wir Deutsche befinden uns, zwar im eigenen Land, im Exil. Doch überall in Deutschland gibt es noch Tanz- und Singekreise, auch wenn davon nichts in den Massen-Medien zu hören ist. Es gibt auch noch so viel Alte, die wir befragen können. Es gibt eine riesige Lied- und Tanzliteratur. Es schlummert in manchem von uns ein Tanzgruppen-Leiter. Wir müssen anfangen! In kleinen Kreisen. Es wird sich entwickeln.

Auch gibt es schon viel mehr als gemeinhin angenommen: Die Folk-Szene allein ist überraschend groß. Es ist an uns, aus dem F ein V zu machen. Stört es etwa, daß es Linke sind? Schöne Volksgemeinschaft! Wir sollten uns zu ihnen gesellen, wenn sie wie beispielsweise am 7. September 1996 in Lychow-Dannenberg unter den Losungen ,,Wir tanzen quer!” und ,,Lebensfreude contra atomaren Wahnsinn!” bei Folk-Musik protestieren.

Der Rechte kommt mit dem Zeigefinger daher: Wie müssen unsere Traditionen bewahren. Nicht verkehrt, aber ein Linker sieht das so: Wir dürfen das Überlieferte leben; wir haben unseren Ahnen dankbar zu sein, dieser Kultur angehören zu dürfen. Nichts ist falscher als jene Lust- und Lebensfeindlichkeit, mit der über die ,,hedonistische” Jugend hergezogen wird, die ,,nur Spaß” haben will. Nein, auch gerade im Namen des Spaßes und der Freude wollen wir wieder unsere alten Tänze aufleben lassen. Eben weil sie mehr Freude bereiten als alles, was die ,,reale Welt” in ihren dekadenten Tempeln zu bieten hat und mehr als flacher fun sind, sondern transzendentales Erleben, am Leibe und in der Gruppe erfahrene pulsierende kosmische Ordnung. Ein frischer, lebensbejahender Wind muß einziehen. Auf allen Ebenen muß der Aspekt des Schöpferischen, Freudvollen, Lustigen ins Zentrum gerückt werden. Freude am Lernen, Spaß an der Arbeit, der Herzschlag im Denken – das, was Germar Rudolf den ,,Eros der Erkenntnis” nennt: ,,Wer sich Wissenschaftler nennt und nicht weiß, was das ist, der ist in meinen Augen kein richtiger Wissenschaftler. Die Aufregung, bei entscheidenden wissenschaftlichen Forschungen und Entdeckungen dabei zu sein; der Ansporn, Dinge voranzutreiben, von denen man weiß, daß sie neuartig und auf ihre Weise revolutionär sind; das Bewußtsein, an vorderster Front zu stehen und mitzubestimmen, wo das Schiff der Erkenntnis hinfährt; das sind Dinge, die muß man gefühlt haben, um nachvollziehen zu können, was das heißt: Eros der Erkenntnis.”

Im August fand in Lorient (Südbretagne) das diesjährige ,,Interkeltische Festival” statt. Es entstand vor 26 Jahren als ,,nur regional bedeutsames Dudelsackfest”; jetzt strömen in zehn Tagen 300 000 Leute hin. (Gleich wieder diese Massen... – macht doch eins, zwei, drei, vier, viele Lo-Ri-Ents!) Die taz titelt: ,,Herausforderung des Techno-Rave: tranceartige bretonische Kettentänze!” Da soll u.a. ein bretonischer Sänger Yann-Fanch Kemener sog. gwerze gesungen haben, bretonische Klagelieder, vom Jazz-Pianisten Didier Squiban einfühlsam begleitet. Allein die Vorstellung davon läßt schaudern; Europa erwacht. Die Lichtscheibe ,,L‘Héritage des Celtes” (,,Das Erbe der Kelten”) des bretonischen Musikers Dan ar Braz verkaufte sich bisher 300 000 Mal. Eine Kultur lebt auf Die major companies kriegen Angst, Sony nimmt Dan ar Braz unter Vertrag. Der Kapitalismus schaufelt sein Grab. Noch schreibt die taz: ,,Solange allerdings ein Fest Noz Vraz (großes Tanzfest) bereits um drei Uhr morgens endet, wird man den Techno-Raves wohl kaum ernsthaft Konkurrenz machen können.” – Ph! Die wissen halt, wann Schlafenszeit ist...

 

Anmerkungen:

 Auf Gegensätzlichkeit und Einheit von Lust, Bedürfnis, Recht und Pflicht Bedürfnisentsagung, Dispziplin und den darin liegenden Sprengstoff (wenn man es kapiert hat) wies bereits Hans-Dietrich Sander hin: ,,Sie [die Disziplin] muß auf einem Grundvertrauen beruhen, das intakte Führung voraussetzt. Eine Führung, die kein Vertrauen ausstrahlt, ist ein Popanz. [Es gibt noch keine solche Führung im ,,nationalen Lager” – P.T.] Die Dialektik der Disziplin ist zu einer Lust auszubilden, die sich über alle Schmähungen Preußens mit einem schallenden Gelächter hinwegsetzt.” (“Die Aufgaben einer nationalen Jugend in Deutschland”, Staatsbriefe 1/95)

2 Siehe hierzu den Artikel ,,Und grüß mir den Baß!” von Detlef Kuhlbrodt in der taz vom 30./31.12.95

3 ,,Sowohl in psychotherapeutischer Behandlung als auch in sozialen Reformbestrebungen enthüllt sich immer wieder die traurige Wahrheit, daß in jedem auf Unterdrückung, Ausstoßung und Ausbeutung beruhenden System der Unterdrückte, Ausgestoßene und Ausgebeutete unbewußt an das negative Leitbild glaubt, das zu verkörpern er von der herrschenden Gruppe gezwungen wird.” E. H. Erikson: Identität und Lebenszyklus, Frankfurt am Main 1966, S.29

4 Siehe die Studien Frantz Fanons über den afrikanischen Befreiungskampf (,,Die Verdammten dieser Erde”, Frankfurt am Main 1981) ,,Fanon hat herausgefunden, daß nicht nur diejenigen, die mit der Kolonialmacht zusammenarbeiten, darauf verzichten, ein Bewußtsein der eigenen nationalen Identität herauszubilden. Sondern auch diejenigen, die Widerstand leisten, waren dazu außerstande. Ihr Aufruhr reproduzierte zugleich die Muster der Herrschenden. So zog sich z.B. der frühere Präsident des Senegal, Senghor (Begründer des schwarzafrikanisch-nationalistischen Negertums (négritude)), später auf ein französisches Schloß zurück.” (Henning Eichberg, Die Geschichte macht Sprünge, Verlag Siegfried Bublies 1996)

5 ,,Wir beschrieben, wie in einem Sektor der ,Umerziehung‘ der amerikanischen Indianer die historische Identität des Sioux-Stammes, nämlich die des – längst ausgestorbenen – Büffeljägers der beruflichen und Klassen-Identität seines Umerziehers, des amerikanischen Staatsbeamten, direkt entgegengesetzt ist. (...) In den Resten der alten Sioux-Identität war die vorgeschichtliche Vergangenheit immer noch eine ganz reale macht. Der besiegte Stamm verhielt sich so, als folgte er einem Lebensplan, in dem sich passiver Widerstand gegen eine die Identitätsreste ihrer vergangenen Lebensweise nicht integrierenden Gegenwart mit Träumen von der Wiederkehr des alten Zustandes verband; die Zukunft sollte also in die Vergangenheit zurückführen, die Zeit wieder geschichtslos, der Raum grenzenlos und die Büffelherden unerschöpflich werden.” E. H. Erikson: a.a.O., S 15/16

6 Diesen Mitscherlich‘schen Gedanken, der in der Erniedrigungs- und Seelenzerstörungsarbeit der Sieger völlig pervertiert worden ist und in dieser Perspektive immer völlig unverständlich und absurd scheinen mußte, wieder zugänglich, auf seine eigentliche Bedeutung aufmerksam gemacht zu haben, verdanken wir Michael Rutschky und seinem lesenswerten Aufsatz ,,Trauerarbeit” in der taz vom 19.2.94

6 Reinhold Oberlercher dazu, in Staatsbriefe 4/94, S. 28:,,Denn es erscheinen doch in den Ausbrüchen der Jugend nicht nur die Prägungen der Kindheit im allgemeinen und die Merkmale des geschichtlichen Zustandes im besonderen, sondern auch die Knoten, die uns die Nornen geknüpft; sie zeigen die unlösbaren Verstrickungen des Einzelnen mit seinem Volk. (...) Das Politische und das Persönliche sind untrennbar. (...)Die 68er Wortergreifung hatte keine gewöhnlichen sozialen Ursachen, sondern existenzielle Gründe, d.h. aber: nationale Ursachen.” Und Henning Eichberg, a.a.O., S.79: ,,Nationale Entfremdung und Identität sind subjektive Betroffenheit und konstituieren sich in der individualpsychologischen Erfahrung.”

6 Heinz-Rudolf hat‘s ihnen gezeigt: ,,Ich kann es gar nicht fassen, daß die simple Tatsache, daß jemand auf deutsch singt, manchen so merkwürdig aufstößt. Es fragt doch auch niemand Bob Dylan, warum er englisch singt.” taz vom16.8.1996

9 taz vom 4./5.11.1995

10 Neues Deutschland vom 2.11.95

11 Eine Ausnahme bildet da das polnische Fernsehen, das in Brandenburg zu empfangen ist, wo polnische Volkskunst gebracht wird.

12 Stiftung Vrij Historisch Onderzoek (Hrsg.): Kardinalfragen zur Zeitgeschichte. Eine Sammlung kontroverser Stellungnahmen von Germar Rudolf alias Ernst Gauss zum herrschenden Zeitgeist in Wissenschaft, Politik, Jusitz undMedien, Berchem (Flandern) 1996

13 taz vom 19.8.1996

14 Der Autor hat – altersbedingt – auf dem letzten Volkstanzfest, das am Sonntagmorgen gegen 7.00 endete, bereits gegen 4.00 Uhr aufgeben und vom Parkett schleichen müssen...