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Ingrid Müller-Münch (Köln): Von "Schindlers Liste" wollten Eltern nichts wissen.
Nach dem Streit über den Unterricht zur Pogromnacht schaltet sich die Schulaufsicht ein

An der Bochumer Heinrich-Böll-Gesamtschule ist der vorweihnachtliche
Frieden gestört. Und zwar so massiv, dass der Regierungspräsident sich
jetzt von Arnsberg aus einschalten musste. 13 Eltern überbrachte der
Postbote am Freitag die Ankündigung eines Bußgeldverfahrens wegen
Verstoßes gegen die Schulpflicht. Sie hätten ihre Kinder rechtswidrig
vom Schulbesuch ferngehalten, wirft ihnen darin die Schulaufsicht vor.
"Wir wollen damit ein Signal setzen", begründet Christoph Söbbeler,
Sprecher des Regierungspräsidiums, den Schritt seiner Behörde. Denn das
Verhalten der Eltern, vor allem aber ihre Argumente, stimmen "uns sehr
nachdenklich".

Anlass für den Streit an der Gesamtschule war ein Aktionstag gegen
Gewalt und Rassismus. Er fand am 9. November statt, 61 Jahre nach der
Reichspogromnacht. Eine Lehrerarbeitsgruppe hatte verschiedene
Programmpunkte für die etwa 1000 Schüler organisiert, darunter den
Besuch eines jüdischen Friedhofes, einer Synagoge ebenso wie die
Vorführung von "Schindlers Liste". Und genau an diesem Film entzündete
sich der Konflikt. "Wir wurden völlig überfahren von dieser
Entscheidung, unseren zwölfjährigen Kinder diesen brutalen Film
vorzuführen", schildert die Elternpflegschaftsvorsitzende der Klasse
7.5, Marion Hahneberg, wie alles anfing. "Meine Tochter hätte den Film
sowieso nicht sehen dürfen", sagt sie. Eltern hätten sie angerufen, die
gleiche Meinung vertreten. So dass am 9. November 13 Kinder der
Vorführung fern blieben.

Doch statt mit ihrer Sorge um das Wohl der Kinder zu argumentieren,
bekam Schulleiterin Hildegard Vörös-Rademacher schon bei den ersten
Gesprächen über die Filmvorführung von Seiten der stellvertretenden
Elternsprecherin ganz andere Töne zu hören: Es müsse endlich einmal
Schluss sein mit "solchen Sachen. Es sei nicht einzusehen, dass die
Kinder damit behelligt werden", was da im so genannten Dritten Reich
passierte. "Man sehe das ja, die Deutschen zahlten alles."
Elternsprecherin Hahneberg wiederholte ähnliches im Gespräch mit der FR:
Sie habe nichts "gegen Juden oder Judenverfolgte. Es geht mir eigentlich
nur darum, dass diese Menschen einmal zur Ruhe kommen müssen. Immer
wieder werden sie damit aufgerüttelt. Das alles ist über 50 Jahre her.
Es muss auch einmal gut damit sein." Ihrer Meinung nach hätte man an der
Schule der Reichspogromnacht gedenken sollen: "Aber vielleicht auf etwas
angenehmere Art und Weise."

Für Rektorin Vörös-Rademacher sind dies "Stammtischparolen", die nicht
ausschlaggebend für die Unterrichtsgestaltung sein dürfen.
Selbstverständlich habe die Schule den Filmbesuch lange vorher
angekündigt, mit den Kindern die Thematik vor- und nachbereitet. Die
Lehrer, die dies taten, rechtfertigen den Besuch von "Schindlers Liste":
"Man kann nicht über Gewalttätigkeit ins Gespräch kommen, wenn man sie
nicht darstellt."

Derweil stellt der Sprecher des Regierungspräsidenten, Söbbeler, klar,
dass es sich hier nicht um einen beliebigen Unterrichtsinhalt handele,
"den man bringen kann oder nicht". Die Thematisierung des "Dritten
Reiches" sei aus gutem Grund Bestandteil der Richtlinien für den
Unterricht: "Damit die Schüler später mit dem Thema angemessen umgehen
können, müssen sie informiert werden", sagt Söbbeler. Die Begründungen
der Eltern, mit denen sie das Fernbleiben ihrer Kinder am 9. November
rechtfertigen, hält der Sprecher für "äußerst bedenklich".
 


"Schindlers Liste": Eltern müssen Bußgeld zahlen

ARNSBERG, 7. Dezember (afp). Die Bezirksregierung in Arnsberg will
Bußgelder gegen zehn Eltern verhängen, weil sie die Teilnahme ihrer
Kinder am gemeinsamen Klassenbesuch des Films "Schindlers Liste"
verweigert haben.
Nach Angaben des Regierungspräsidiums vom Dienstag war der Filmbesuch
mehrerer Klassen der Bochumer Heinrich-Böll-Gesamtschule Bestandteil
eines Projekttages zum 61. Jahrestag der Reichspogromnacht am 9.
November. Die Eltern machten demnach Bedenken gegen Gewaltdarstellungen
in dem preisgekrönten Film über die Rettung von Juden in der Nazi-Zeit
geltend. Dagegen vertrat die Bezirksregierung als Schulaufsicht die
Auffassung, der Projekttag sei eine "verpflichtende Schulveranstaltung".

Quelle:
Frankfurter Rundschau
4.12.1999 und 8.12.1999
http://www.fr-aktuell.de/fr/index.htm